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Adveniat-Gäste aus El Salvador zu im Bistum Trier – Zukunftsperspektiven für Jugend in ihrer Heimat dringend nötig:„Glaubt an uns, bis wir es tun!“

Unterwegs durch verschiedene deutsche Bistümer berichten die Adveniat-Gäste Silma Sandoval und Manuel Morán von der schwierigen Lage der Jugend in El Salvador.
Die Adveniat-Gäste: Caritas-Leiter Manuel Morán (links) und Silma Sandoval. In der Mitte Weihbischof Jörg Michael Peters
Datum:
10. Dez. 2024
Von:
Simone Bastreri

Trier/El Salvador – Unzählige Spendenaufrufe flattern in der Vorweihnachtszeit in den Briefkasten oder begegnen uns als Anzeigen in den Sozialen Medien. Doch wie auswählen zwischen den vielen „guten Zwecken“? Einige erinnern sich vielleicht noch an die kleinen Papiertüten von Adveniat, die im Advent immer in den Kirchen ausliegen oder teils auch in Grundschulen oder Kitas ausgeteilt wurden und in die man als Kind stolz ein paar Münzen aus dem Sparschwein gab. Adveniat – das katholische Lateinamerikahilfswerk gibt es – genau wie die Tüten für die Weihnachtskollekte – immer noch; inzwischen kann man jedoch auch bequem online spenden. Trotzdem macht es gerade den Reiz aus, auch schon den Kleinsten zu zeigen: Deine Spende zählt etwas, selbst Cent-Beiträge kommen armen und benachteiligten Menschen zugute. Und tatsächlich wird jeder Cent dringlicher denn je benötigt, wie der Besuch von zwei Gästen aus El Salvador, einem der Länder der diesjährigen Adveniat-Weihnachtsaktion, deutlich macht. Unterwegs durch verschiedene deutsche Bistümer berichten die Psychologin Silma Sandoval und Caritas-Leiter Manuel Morán von der schwierigen Lage der Jugend in ihrem Land, so auch bei einem Treffen mit dem Trierer Weihbischof Jörg Peters.   

El Salvador ist das kleinste südamerikanische Land mit gerade einmal 6,4 Millionen Einwohnern. Die ländlichen Regionen wurden lange vernachlässigt, landwirtschaftliche Produktion nicht gefördert; Armut und Arbeitslosigkeit sind die Folge. Seit den 1990er Jahren leidet es unter der Gewalt der Maras – krimineller Jugendbanden, die extreme Gewaltbereitschaft zeigen. Derzeit besonders prekär: Der wiedergewählte Präsident Nayib Bukele hat einen Krieg gegen die Maras ausgerufen; die Polizei verhaftete schon 60.000 Menschen – oft aber nur, weil sie tätowiert waren, sich am falschen Ort aufhielten oder weil sie aus einfachen Verhältnissen stammten und damit unter Generalverdacht standen. Gerichte urteilen im Schnellverfahren, oft über 100 Gefangene auf einmal, die Häftlinge dürfen im Gefängnis nicht von ihren Familien besucht werden. In dieser schwierigen Lage engagieren sich Morán und Sandoval mit ihrer täglichen Arbeit. „Die meisten jungen Leute wollen einfach nur weg, in die USA, so wie derzeit schon zwei Millionen El Salvadorianer, die von dort ihre Familien unterstützen“, sagt Adveniat-Gast Morán traurig. Der Leiter der Caritas Santa Ana im Norden El Salvadors ist selbst Bauernsohn, seine Eltern konnten nicht lesen und schreiben. Doch dank Stipendien schaffte er es, Agronomie zu studieren. Und genau diese Perspektiven möchte er mit seinen Mitarbeitenden und den Projekten vor Ort auch der Jugend geben. Denn viele Kinder und Jugendliche werden bei Verwandten zurückgelassen, wenn die Eltern in Richtung USA emigrieren.

„Wir wollen den jungen Leuten vor allem Selbstvertrauen vermitteln, dass sie eine Chance haben, hier vor Ort etwas aus sich zu machen und stolz auf ihr Land sein können“, sagt Morán. Die Caritas Santa Ana unterstützt junge Menschen im Studium mit 100 Dollar pro Monat – finanziert durch Adveniat. Solche Stipendien seien wahre Rettungsanker. So konnte Morán vier Töchter eines Kleinbauern in einem abgelegenen Dorf davor bewahren, von Jugendbanden vergewaltigt oder als Sexsklavinnen verkauft zu werden. In einer Nacht versuchten Kriminelle, in das Haus von Irma Tovar und ihren Schwestern einzudringen. Sie seien vor Angst fast gestorben und nicht mehr zur Schule gegangen, erzählte die junge Frau dem Caritasleiter. Die Caritas holte die Familie aus dem Dorf, begleitete die traumatisierten Mädchen psychologisch. Heute besucht Irma Tovar eine Fachhochschule und macht eine Ausbildung zur Krankenschwester.

Solche Beispiele gibt es viele, sagt Morán. Begleitend finden monatlich Kurse statt, in denen die Jugendlichen lernen, mit ihren Emotionen konstruktiv umzugehen, welche Rechte sie haben, dass Frauen und Männer gleich viel wert sind. „Wir vermitteln das spielerisch, also pflanzen zum Beispiel Bäume, machen Yoga-Entspannungsübungen, organisieren Wohltätigkeitsbasare für Waisenkinder“, sagt Silma Sandoval, die rechte Hand des Caritasleiters. Doch auch, wie man nachhaltig wirtschaftet, einen Lebenslauf schreibt oder mit dem Computer umgeht, lernen die jungen Leute. Eigentlich ist Sandoval Psychologin, aber darüber hinaus noch viel mehr. Sie gibt beispielsweise Workshops für die jungen Leute auf dem Land, in denen sie mit ihnen aus Plastikrohren einfache Bewässerungssysteme baut und über den Klimawandel informiert. „Wenn die jungen Leute mit Eifer dabei sind, wird mir warm ums Herz.“ Doch das sei leider bei vielen nicht der Fall, weil sie mit ihren Familien in einer Spirale aus Armut, Arbeitslosigkeit und Migration, oft auch des Alkohol- oder Drogenmissbrauchs gefangen seien. Viele Jugendliche haben keine Vertrauenspersonen und liefen Gefahr, an die falschen Ratgeber zu geraten. So schlüpft die Psychologin oft auch in eine Ersatz-Elternrolle, sie ist Seelentrösterin und Krisenmanagerin zugleich. Dabei gibt es Möglichkeiten in El Salvador: Kaffee, Mais und andere Produkte werden dort angebaut. Das Pilotprojekt von Adveniat ist bisher ein Erfolg: In den kommenden Jahren werden mithilfe der Spenden 100 junge Salvadorianer ihren Traum vom Studium erfüllen können.

Info:

Seit mehr als 60 Jahren steht das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat an der Seite der Ärmsten. Allein in seinem letzten Geschäftsjahr hat Adveniat 31 Millionen Euro und rund 1.200 Projekte in Lateinamerika und der Karibik gefördert. Es finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden, die dort eingesetzt werden, wo die Not am größten ist und die Hilfe am effektivsten: an der Basis. Förderkriterien sind, dass die Initiative für die Projekte aus den Ländern selbst kommt, dass sie direkt den Armen zugutekommen müssen und auch einen Eigenanteil aufweisen können. Was viele vielleicht nicht wissen: Die Geschichte des Hilfswerks begann im „Hungerwinter“ 1946/1947, als in Deutschland die Menschen zu Hunderttausenden verhungerten, erfroren oder an Krankheiten zugrunde gingen. Die Nachrichten und Bilder dieses Massensterbens erschütterten auch das ferne Lateinamerika, wo die lutherische und die katholische Kirche für die hungernden Kinder und alten Menschen in Deutschland sammelten. Diese Hilfe von „drüben“ wurde nicht vergessen – auch nicht, als hierzulande Ende der 1950er Jahre die Not überwunden war und das so genannte Wirtschaftswunder begonnen hatte. Aus der erfolgreichen Weihnachtskollekte in den Gottesdiensten speziell für Lateinamerika im Jahr 1961 wurde Tradition und später ein eigenes Hilfswerk.