Moraltheologe Professor Johannes Brantl benennt Kritikpunkte am Synodalen Weg:„Ich kann keine Euphorie bei mir feststellen“
Trier/Frankfurt a.M. – Die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs der katholischen Kirche ist am 5. Februar zu Ende gegangen und viele der Synodalen ziehen ein positives Fazit (wir berichteten). Doch Form und Ergebnisse des kirchlichen Reformdialogs, getragen von der Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, stoßen nicht nur auf Zustimmung. Kritik formuliert etwa der Moraltheologe Professor Johannes Brantl, Rektor der Theologischen Fakultät Trier, der im thematischen Forum ‚Leben in gelingenden Beziehungen. Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft‘ beratend mitarbeitet.
Während sich die Mehrheit der Teilnehmenden zufrieden mit den Ergebnissen der letzten beiden Vollversammlungen zeige, könne er bei sich selbst eine solche Zufriedenheit oder gar Euphorie nicht feststellen, sagt Brantl. Er frage sich hingegen immer mehr, ob „die Themen und Schwerpunkte, die der Synodale Weg setzt, wirklich die Reformimpulse geben können, die wir in der gegenwärtigen tiefen Krise unserer Kirche brauchen“. Reform werde hier vor allem als Änderung der kirchlichen Machtstrukturen und der Morallehre angesehen. Doch schon Nikolaus von Kues, der sich zu seiner Zeit für eine Reform der römischen Kurie stark machte, habe betont, dass die Reform der Christenheit darin bestehe, die Form Christi anzunehmen, also ihn nachzuahmen und ihm ähnlich zu werden. „Dieser spirituelle Aspekt der Erneuerung und Umkehr in unserer Kirche, nämlich dass sich jede und jeder zunächst und vor allem erst einmal selber von Jesus Christus formen lassen muss, damit sich die Dinge zum Guten hin wenden, kommt nach meinem Eindruck auf dem Synodalen Weg viel zu kurz“, so Brantl.
Er habe während der Arbeit im Forum erlebt, dass viel zu schnell die Offenheit der Beratung und die Möglichkeit, wirklich über grundlegende Fragen miteinander ins Gespräch zu kommen, abgebrochen worden sei. Nach dem ersten Treffen der Forumsmitglieder habe eine Gruppe, die „machtbewusst ihre Position durchzusetzen versteht, einen nahezu fix-und-fertig ausformulierten Beschlusstext für die Beratung beim zweiten Treffen des Forums vorgelegt“. Fortan habe dieser Text samt inhaltlicher Ausrichtung jede weitere Arbeit im Forum dominiert „und von Anfang an jene Ergebnisse eingespurt, wie sie eine Mehrheit der Forumsmitglieder am Ende des Beratungsprozesses sehen wollte“. Einen offenen und ehrlichen Dialog, „in dem aus einer gemeinsamen Verpflichtung gegenüber der Wahrheit des christlichen Glaubens miteinander ein Verstehen für unterschiedliche Auffassungen gesucht und gefördert“ werde, stelle er sich anders vor, moniert der 53-Jährige. Das habe ihn zunehmend frustriert. Die dominierende Mehrheit trete nicht für eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, sondern für einen kompletten Umbruch ein. Zwar herrsche ein freundlicher und respektvoller Ton gegenüber der Minderheit, aber ein wirklicher Gedankenaustausch finde kaum statt.
Trotzdem kann er dem Synodalen Weg auch Positives abgewinnen: „Freilich gibt es auch in etlichen Punkten einen klaren Konsens. So ist zum Beispiel unstrittig, dass homosexuelle Menschen das Recht auf eine echte Heimat im Raum der Kirche haben, dass ein christliches Miteinander unbedingten Respekt und Wertschätzung für die Person des Anderen meint, und dass es aus Sicht einer christlichen Ethik geboten ist, homosexuelle Menschen darin zu unterstützen, ihre sexuelle Identität anzunehmen. Wenn viele Personen, die sich in der Aktion #outinchurch zu Wort gemeldet haben, von Angst und Erfahrungen der Ablehnung im kirchlichen Kontext berichten, dann ist das in der Tat ein notwendiger Weckruf gewesen, dass sich hier der Umgang miteinander ganz wesentlich ändern muss.“ So begrüßt Brantl auch das Mehrheitsvotum zur Änderung der kirchlichen Grundordnung, die das Arbeitsrecht regelt. „Erstens halte ich in der Tat eine Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral dahingehend für möglich und angezeigt, dass nicht jede homosexuelle Handlung als ‚schwere Sünde‘ zu betrachten ist. Zweitens sorgt die bisher geltende Grundordnung in ihrer Handhabung oft für Unsicherheiten, eine gewisse Willkür und Scheinheiligkeit. Und drittens haben wir es hier mit einer wichtigen Angelegenheit zu tun, die auf deutschem Boden effektiv und ohne Probleme geregelt werden kann“, erläutert Brantl.
Anders verhalte es sich mit dem Text ‚Segensfeiern für Paare, die sich lieben‘. Er habe gegen den Handlungstext votiert, weil er nicht sehe, „wie auf Dauer noch das Profil einer katholischen Sexualmoral mit ihrer besonderen Wertschätzung der stabilen und exklusiven Beziehung zwischen Mann und Frau in Gestalt der sakramentalen Ehe gewahrt werden kann“. So werde in verschiedenen Texten des Forums argumentiert, dass alle Beziehungen, in denen Werte wie Liebe, Freundschaft, Verlässlichkeit, Treue, gegenseitiges Füreinander-Dasein usw. gelebt werden, prinzipiell gleichwertig seien und in vieler Hinsicht fruchtbar werden könnten. Aus dieser Sicht sei die Folgerung einer ‚kirchlichen Ehe für alle‘ sogar begründet. Allerdings stelle sich für ihn die Frage, wo dann Grenzen gezogen würden. „Mich verwundert und verstört ehrlich gesagt die Naivität all derer, die meinen, dass mit einer Segensfeier der Diskriminierungsvorwurf vom Tisch sei. Bald werden manche fragen: Warum dürfen nur ‚Paare‘ einen kirchlichen Segen bekommen? Längst kämpfen doch Modelle einer ‚Liebe zu dritt oder zu viert‘ für ihre gesellschaftliche Akzeptanz. Ist deren Liebe dann auf einmal weniger wert, gesegnet oder vielleicht sogar in der sakramentalen Form der Ehe gewürdigt zu werden?“ Auf solche kritischen Fragen, wohin am Ende die Richtung der ‚neuen Sexualmoral‘ führen solle, habe er im Synodalforum nie eine schlüssige Antwort erhalten, bedauert Brantl.
(sb)
Mehr Informationen zum Synodalen Weg im Bistum Trier unter www.bistum-trier.de/synodaler-weg