Reihe „Theo Talk“ in Schweich mit Jan Frerichs im Restaurant Mittlers gestartet:In der Wildnis Gott begegnen
Schweich – In lockerer Atmosphäre über Gott und die Welt reden, an Orten, wo man sowieso gerne gesellig beieinander ist: Diese Idee steckt hinter der Reihe „Theo Talk“ der Katholischen Erwachsenenbildung Trier. Nach einigen Veranstaltungen in Trier ist der Theo Talk am 9. September auch in Schweich im Restaurant Mittler’s gestartet: Theologe und ZDF-Journalist Jan Frerichs, der Mitglied in einem franziskanischen Laienorden ist, beleuchtete in seinem Impulsvortrag das Leben als „moderner Stadt-Eremit“. Im Anschluss konnte das Publikum sich bei leckeren Speisen und Getränken mit dem charismatischen jungen Familienvater austauschen.
In seinem Vortrag „Gott dazwischen – Leben als Stadteremit“ gab Frerichs sehr persönliche Einblicke in sein Leben sowie in seine franziskanische Spiritualität und entwarf eine Idee von einem naturverbundenen Schöpfungsglauben. Nach dem Vorbild des heiligen Franz von Assisis, der auf Wanderschaft und in der freien Natur lebte, ist Frerichs Mitglied im so genannten 3. Orden der Franziskaner, einer Laiengemeinschaft, in der sowohl Frauen als auch Männer organisiert sind. Mit seiner Familie lebt er in Bingen und hat dort auch eine „franziskanische Lebensschule“ aufgebaut, die ganz passend den Namen „barfuß und wild“ trägt. Dort bietet er Auszeiten in der Natur, die 24 Stunden, aber auch vier Tage und vier Nächte dauern können und von Fasten begleitet sind. „Es geht mir im Kern darum, dass die Menschen oft keinerlei Kontakt mehr zur Wildnis haben. Wir sind dabei, jeden Zentimeter dieses Planeten zu zivilisieren, wir lassen dem Unbekannten, Wilden keinen Raum mehr.“ Dabei gehe es weder darum, sich selbst irgendetwas zu beweisen wie bei einem Survival-Training, noch darum, übernatürliche Erfahrungen zu machen. „Wenn man sich darauf einlässt, kann die Natur wie ein Spiegel sein und wir können in einen Dialog mit ihr treten. Wir gehen raus, um Gott zu begegnen und um uns selbst besser kennenzulernen.“
Frerichs war selbst fünf Jahre lang Franziskanermönch – eine gute Zeit, wie er sagt – doch letztlich nicht seine Lebensform. Später, mit Mitte 30, dann die Midlife-Crisis: Er wurde sich bewusst, dass er selbst während seiner Zeit als Mönch nie wirklich lange mit sich selbst in der Natur war. Er nahm an einem so genannten Initiationsritus teil, einer Selbsterfahrung in der Natur, die der US-amerikanische Franziskanerpater Richard Rohr anbot. „Diese Erfahrung hat mich geerdet und mich dazu gebracht, selbst so etwas anzubieten.“ In vielen indigenen Kulturen, etwa bei den Ureinwohnern Amerikas, gebe es solche Initiationsrituale: junge Menschen würden eine Zeit lang alleine in die Wildnis geschickt, um sich selbst zu erfahren und mit der Erkenntnis zurückzukehren, wer sie seien und was sie in die Gemeinschaft einbringen möchten. „Deshalb packt mich auch die Spiritualität des heiligen Franziskus so. Franziskus war damals eigentlich ein Revoluzzer, der sich als reicher Kaufmannssohn in der Zeit des frühen Kapitalismus genau dem Gegenteil verschrieb: einem Leben in Armut und im Einklang mit der Natur, nahe an den Menschen.“
Bei dem Begriff des „Stadt-Eremiten“ gehe es nicht darum, isoliert oder einsam zu leben oder irgendwelche asketischen Leistungen zu erbringen, erklärte Frerichs. Die Welt sehne sich nach Gurus, aber jeder könne in seinem Alltag überall ‚dazwischen‘ Gott begegnen. „Wir leben in einer verkopften Welt. Wir denken: Wenn ich die Regeln verstanden habe und alles richtig mache, dann kann ich alles. Aber Gott hat immer auch ein Überraschungsmoment – das zeigen viele Beispiele aus der Bibel wie Moses, der dem brennenden Dornbusch in der Wüste begegnet. Wenn wir nicht immer alles vorbestimmen wollen, sondern im Fluss bleiben, gelingt es uns auch, solche Überraschungsmomente zu akzeptieren.“ Nehme man das griechische Wort „eremos“, aus dem sich Eremit ableite, sei damit auch eher „wüst“ oder „wild“ gemeint. Jede Krise, jede Schwelle, vor der ein Mensch in seinem Leben stehe, führe an so einen „wilden Ort“, an dem man nicht die Kontrolle habe, Ohnmacht erlebe. Ein Eremit sei nun für Frerichs jemand, der keine Angst vor diesem „eremos“ habe, sondern ihn schätze, die Wildheit nicht unterdrücke, sondern in ihr einen Abenteuerspielplatz sehe. „Alle Übergänge beinhalten auch immer etwas Schmerzhaftes – ob Pubertät, Midlifecrisis, ein Burnout, das hohe Alter. Das sind Umbauphasen im Leben. Moderne Eremiten braucht es, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Fehler und Scheitern selbstverständlich zum Leben gehören und wir deshalb vor Gott nicht weniger wert sind.“
Die franziskanische Spiritualität lade ein, zu fragen: „Wie will ich leben, für wen bin ich da, wem will ich dienen. Und dabei sind eben nichts und niemand ausgeschlossen. Was wäre das für eine Kirche, die eine solche Spiritualität durch und durch lebt? In der nicht aus Zwang und althergebrachten Verpflichtungen heraus agiert wird und wirklich niemand ausgeschlossen ist, auch nicht kirchenferne Menschen?“, fragte Frerichs. Auch in seinem Heimatbistum seien ähnlich wie in der Diözese Trier Umstrukturierungen im Gange, Pfarreien würden größer. Statt aber nur zu verharren und Angst zu haben, sei das auch eine Chance. „Es ist unser Job, etwas zu tun. Wie kommen wir aus festgefahrenen Kategorien raus, ohne andere zu verurteilen? Wir sollten die Probleme anschauen und Platz lassen für Gott und den Heiligen Geist als Überraschungsmoment. Wir reden immer und wissen schon, was dabei herauskommen wird oder soll. Akzeptieren wir doch einfach mal Überraschungen, verlassen wir die Komfortzone und folgen wir unseren Herzen.“
Weitere Veranstaltungen am 16. Oktober und 9. Dezember kündigte die Leiterin der Katholischen Erwachsenenbildung Trier, Katharina Zey-Wortmann, im Anschluss an den Theo-Talk an. Informationen gibt es unter: www.keb-trier.de.