Tonpost-Redakteurin Marion Palm-Stalp gibt Einblicke in ihren Alltag:Sehbehinderte während der Corona-Pandemie unterstützen
Trier – Das alltägliche Leben in Zeiten der Corona-Krise stellt die gesamte Bevölkerung weltweit vor neue Herausforderungen. Doch insbesondere für Menschen mit Handicap ist es schwer, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Der Tag der Sehbehinderten am 6. Juni, der 1998 vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV) initiiert wurde, will in diesem Jahr die Öffentlichkeit für die spezielle Situation Sehbehinderter während der Pandemie sensibilisieren. Wie Nicht-Beeinträchtigte ihre Mitmenschen unterstützen können, weiß das neue Redaktionsmitglied der Trierischen Tonpost im Bistum Trier, Marion Palm-Stalp. Seit Mai ist sie Teil des siebenköpfigen Teams, das monatlich ein kostenfreies Audiomagazin herausbringt.
Ihr Einstieg bei der Tonpost mitten in der Krise lief völlig unproblematisch, da sie die meisten ihrer Aufgaben im Homeoffice erledigen könne, erzählt Palm-Stalp, die fast vollständig erblindet ist. Darunter falle etwa die Moderation des Hörerforums. Lediglich für eine Vorbesprechung und eine Studioproduktion musste sie vor Ort sein. Deutlich weniger entspannt gestaltet sich hingegen ihr privater Alltag, zum Beispiel, wenn es darum geht, neue Kleidung und Schuhe für ihre zehnjährige Tochter einzukaufen. „Unser Alltag wurde komplett neu strukturiert und Selbstverständlichkeiten gab es von jetzt auf gleich nicht mehr“, so beschreibt die 50-Jährige ihre Erfahrungen während des Shutdowns, den Bund und Länder Mitte März in Deutschland beschlossen hatten und der in den vergangenen Wochen sukzessive gelockert wurde.
Auf Rücksichtnahme angewiesen
Nach sechs Wochen, die sie vorwiegend zuhause verbrachte, wagte sich Palm-Stalp, die sich ehrenamtlich bei Pro Retina Deutschland e.V. engagiert und die Regionalgruppen Trier und Saarland leitet, erstmals wieder in die Trierer Innenstadt. Mit einem gemütlichen Mutter-Tochter-Einkaufsbummel hatte der Ausflug allerdings wenig gemein: „Das war Shoppen unter völlig neuen Bedingungen: minimaler Spaßfaktor – maximale Anspannung“, berichtet sie. Besonders das Abstandhalten stelle ein Problem dar. Martin Ludwig, Leiter der Tonpost und selbst sehbehindert, erklärt, weshalb: „Infolge der Corona-Epidemie gibt es jetzt Warteschlangen mit großen Abständen – peinlich, wenn man die Wartenden nicht registriert und einfach in ein Geschäft spaziert, ohne sich anzustellen.“ Auch eine ganz gewöhnliche Busfahrt könne zum Problem werden, wenn man nicht mehr vorne beim Busfahrer einsteigen und erfragen könne, um welche Buslinie es sich handelt. „Das sind Situationen, in denen man sich alleingelassen fühlt und Unterstützung sehr willkommen wäre“, so Ludwig. Ein weiteres, auf den ersten Blick banales Beispiel findet sich auf den Internetseiten des DBSV: Vielerorts werden derzeit Zettel aufgehängt, die etwa die aktuellen Hygieneregeln in Geschäften erläutern. Dabei liegt es auf der Hand, dass Blinde und Sehbehinderte diese wichtigen Informationen sich nicht selbst erschließen können.
Sehbehinderte seien gerade jetzt auf die Rücksichtnahme ihrer Mitmenschen angewiesen, betont Palm-Stalp. Doch lange nicht jeder habe in der Krise einen Blick für die Bedürfnisse anderer. „Ich glaube, viele einkaufswütige Menschen haben bislang nicht verstanden, dass wir alle im selben Boot sitzen und weder Verkäufer, Ordnungshüter noch alle anderen, die unser Leben im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten am Laufen halten, für die momentane Situation verantwortlich sind.“ Sie wünsche sich, dass Passanten sensibler reagieren und den Sicherheitsabstand einhalten, wenn sie einem Menschen mit Langstock oder Blindenabzeichen (drei schwarze Punkte auf gelbem Grund) begegnen. Gisela Bechler, die sich auf eine Hörerumfrage zum Thema gemeldet hat, bringt die ambivalente Situation auf den Punkt: „Der Schutz vor der Pandemie ist so wichtig, aber auch ebenso schwierig.“
Strukturiertes Arbeiten mit Platz für Improvisation
Was ihr künftiges Wirken bei der Tonpost betrifft, nimmt sich Palm-Stalp, die bereits mit Anfang 20 an der fortschreitenden Netzhaut-Degeneration Morbus Stargardt erkrankte, gern ein Beispiel an ihrer Vorgängerin Marion Remmy. „Die persönliche Ansprache von Marion an die Hörerschaft gefiel mir immer besonders gut. Das möchte ich so beibehalten.“ Insbesondere deren strukturierte Arbeitsweise sei ihr sympathisch. „Ich für meinen Teil arbeite auch sehr gerne mit einem roten Faden.“ Dass dabei immer mal wieder Raum für Improvisation bleibe, wie sie es schon bei ihrer ersten Studioaufnahme in den Räumen der Tonpost erlebt habe, mache ihr „wahnsinnig viel Freude“.
Eine Liste mit 10 konkreten Tipps, wie Sehende ihre sehbeeinträchtigten oder blinden Mitmenschen unterstützen können, und einen speziellen Corona-Ratgeber gibt es hier: www.dbsv.org/sehbehindertentag.html. Weitere Informationen zur Trierischen Tonpost gibt es auf www.bistum-trier.de/tonpost, unter Tel.: 0651-7105-430 oder per Mail an tonpost@bistum-trier.de.
(ih)