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Integrative Jugendarbeit im Haus der Jugend Bitburg:"Was brauchen die Menschen, die zu uns kommen?"

Wie integrative Jugendarbeit gelingen kann, zeigt das Haus der Jugend in Bitburg. Es ist eine von sieben offenen Jugendeinrichtungen in Trägerschaft des Bistums Trier. Auch die anderen Häuser machen sich auf den Weg zur Inklusion aller Jugendlichen.
Aufführung des Musicals Lovis
Datum:
17. Jan. 2024
Von:
Ute Kirch
Offene Jugendeinrichtungen im Bistum Trier

Bitburg/Trier – Ob Kochkurs, offene Treffs, Konzerte oder Bastelangebote: Jeder junge Mensch – ob mit oder ohne Beeinträchtigung – ist im Haus der Jugend (HdJ) in Bitburg willkommen. „Wir versuchen grundsätzlich die Betreuungsangebote so zu gestalten, dass jeder daran teilnehmen kann“, sagt HdJ-Leiter Torsten Hauer, „seit über 40 Jahren gehören Menschen mit Beeinträchtigung in unserer Einrichtung fest dazu. Sie sind genauso Gast und willkommen wie jeder andere.“ Im HdJ in Trägerschaft des Bistums Trier gestalten Kinder und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigung ihre Freizeit gemeinsam, treiben zusammen Sport und machen Musik. Dafür kooperiert das Haus der Jugend mit den Schulen vor Ort. Höhepunkt in diesem Jahr war die Aufführung des Musicals „Lovis“ des Komponisten Dirk Klinkhammer im September. In vier ausverkauften Vorstellungen zeigten sie über 1500 Menschen die Geschichte des Blumengnoms Lovis, auf dessen Kopf sich eine andere Blüte öffnet als bei den anderen Gnomen. Daraus entsteht eine Diskussion darüber, was „normal“ ist. 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich seit Jahresbeginn auf die Aufführung vorbereitet – ob als Schauspieler und Sänger, Tänzer oder Bühnenbildner. „Wir wollten ein tolles Musical machen und die Leute bei den Aufführungen begeistern, aber der Weg dahin, die gemeinsamen Erlebnisse, wie Leute zusammenwachsen und Freundschaften entstehen, ist vielleicht sogar der wichtigere Teil“, sagt Hauer.

Das Haus der Jugend in Bitburg ist eine von sieben offenen Jugendeinrichtungen in Trägerschaft des Bistums Trier, sieben weitere Einrichtungen sind in kirchlicher Trägerschaft – etwa von Pfarreien oder Orden – und werden vom Bistum finanziell unterstützt. Im Jahr 2023 belaufen sich die geplanten Kosten für die sieben Einrichtungen in Bistumsträgerschaft für Personal und Sachkosten auf 2.486.989,43 Euro, davon werden 1.389.576 Euro von den Kooperationspartnern wie den Bundesländern, Landkreisen, Kommunen oder Stiftungen refinanziert. Mit weiteren 1.328.830,32 Euro bezuschusst das Bistum die sieben offenen Einrichtungen, die nicht in Bistumsträgerschaft sind. Rund 153.000 Kinder und Jugendliche haben in diesem Jahr an 1259 Angeboten teilgenommen, die zusätzlich zu den offenen Treffs angeboten wurden. Sie werden betreut von 84 Hauptamtlichen (58 in Bistumsträgerschaft, 26 in sonstiger kirchlicher Trägerschaft) – vor allem Sozialarbeiter*innen und pädagogische Fachkräfte – Bundesfreiwilligendienstleistenden und FSJler*innen. 648 Ehrenamtliche engagierten sich in den Einrichtungen. Die Arbeit orientiert sich an den Prinzipien der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, die gesetzlich festgelegt ist: Offenheit, Freiwilligkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Partizipation und Lebenswelt- und Sozialraumorientierung.

Angebote von Aqualand bis Zirkus

Aufführung des Musicals Lovis

„Die Einrichtungen in unserem Bistum sind sehr unterschiedlich sowohl von der Größe als auch von den Besucherinnen und Besuchern, die kommen“, erläutert die Leiterin der Abteilung Jugend im Bischöflichen Generalvikariat Kerstin Knopp. Auch die Konzepte unterschieden sich je nach Standort. „Wir schauen, wer sind die Menschen, die zu uns kommen, was brauchen sie?“ So gebe es Einrichtungen, die eher von jungen Menschen aus prekären Lebenslagen besucht würden, wo Drogen und Schulabstinenz eine Rolle spielten. Darüber hinaus gebe es die aufsuchende Jugendarbeit, bei denen die Mitarbeitenden an Orte gehen, an denen sich junge Menschen aufhalten und dort ihre Unterstützung anbieten. Viele Projekte gebe es im Rahmen der Nachmittagsbetreuung der Ganztagsschulen. Von Aqualand bis Zirkus: Die Bandbreite der Angebote ist groß. Sie reichen von Spaßbad über Bouldern, Reiten, Inline-Skaten, Gaming Events, Krimi Dinner, Plätzchenbacken und Konzerten bis hin zu Erlebnistagen für Messdiener*innen, Angeboten zur Demokratiebildung und Gewaltprävention, Waldtagen und Café-Treffpunkten für Menschen mit Migrationshintergrund. Klassische Ferienangebote wie Freizeiten, Stadtranderholung und Zeltlager gibt es an allen Standorten. „Wir sind in den offenen Einrichtungen Orte von Kirche, aber auch Orte der Demokratiebildung. Wir haben in allen Einrichtungen Arbeitsgemeinschaften, die von jungen Leuten mit geleitet werden. Wir wollen junge Menschen stark machen für das Leben, dass sie ihren Weg gut gehen können“, sagt Knopp.

Im Haus der Jugend in Bitburg gibt es ein Hausparlament, in dem Jugendliche, junge Erwachsene, Vertreter der Arbeitsgemeinschaften, Ehrenamtliche, Hauptamtliche zusammenkommen und über die Ausrichtung der Arbeit beraten. „Wer mitarbeitet, soll auch mitentscheiden“, sagt Torsten Hauer. Darüber hinaus sind die offenen Jugendeinrichtungen auch in den Pastoralen Räumen präsent und engagieren sich in den dortigen Gremien.

Die Arbeit in den Einrichtungen entfalte eine Strahlkraft in die Umgebung hinaus, findet Hauer: „Durch unsere Kooperationen innerhalb der Kommune erreichen wir viele Leute ganz unterschiedlicher Altersgruppen. Unser Haus kann auch von Vereinen und Institutionen genutzt werden. Auf diese Weise wird unsere Arbeit nicht nur von den Kindern und ihren Familien geschätzt, sondern von den Vereinen, Gremien und letztlich der ganzen Stadt.“ Rund 160 Ehrenamtliche – von der 14-jährigen Schülerin bis zum 84-jährigen Rentner – packen in Bitburg mit an. „Manche engagieren sich jede Woche in einer AG, andere helfen ,nur‘ einmal im Jahr als Koch, Betreuer oder Nikolaus.“

Christliche Werte durch das Handeln sichtbar machen

Statistik 2023 der offenen Jugendeinrichtungen im Bistum Trier.

Die offenen Jugendeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft seien in der Arbeitsgemeinschaft offene Einrichtungen gut untereinander vernetzt. „Das ist ein klarer Vorteil bei uns. Wir können voneinander profitieren“, sagt Knopp. Viele Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft seien auf sich gestellt. Die kirchliche Trägerschaft verbunden mit den gelebten christlichen Werten stelle ein weiteres Unterscheidungsmerkmal dar. „Natürlich gibt es auch bei kommunalen Trägern Personen, die die gleichen Werte vertreten und diese an junge Menschen vermitteln. Aber ich glaube, dass wir uns reflektierter damit auseinandersetzen. Allein, dass wir uns die Frage stellen: Wo ist unser diakonischer Auftrag, wie erfüllen wir ihn? verändert Haltung und wirkt sich dadurch auch in der alltäglichen Arbeit aus.“ Viele Jugendliche wüssten nicht, dass die Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft sind. „Das müssen sie auch nicht. Christliche Werte vorleben zeigt sich durch unser Handeln und nicht, dass im Eingangsbereich ein großes Kruzifix hängt. Wir wollen junge Menschen begleiten auf ihrem Weg in ihrer jugendlichen Lebensphase auf ganz unterschiedliche Weisen.“

Integration oder Inklusion? Hauptsache, man macht's!

BAG Jubiläum

Eine große Aufgabe der nächsten Jahre werde es sein, das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz in allen Einrichtungen umzusetzen. Dieses schreibt vor, dass alle Angebote der Jugendarbeit inklusiv sein müssen. Noch seien nicht alle Einrichtungen barrierefrei und noch nicht überall klar, wer die notwendigen Umbaumaßnahmen finanziert. „Wir sind auf einem guten Weg und fangen nicht bei Null an. Wir haben Bitburg als gutes Beispiel um zu schauen, was gut funktioniert“, sagt Knopp. Im Haus der Jugend in Bitburg gebe es das geflügelte Wort: „Heißt es nun Integration oder Inklusion? Ist doch egal – Hauptsache, man macht’s!“