Generalvikar eröffnet Ausstellung „Menschenskinder” im Museum am Dom :Auf Entdeckungsreise ins eigene Ich
Trier – „Kunst ist nicht deterministisch. Sie legt nicht fest. Kunst regt an, weitet den Blick und gibt Raum. Hier geht es eben nicht nur um Mann und Frau, sondern auch um das Männliche im Weiblichen und das Weibliche im Männlichen – und um vieles mehr.” So stimmte Generalvikar Ulrich von Plettenberg die Gäst*innen in die bis auf den letzten Platz besetze Eröffnung der Sonderausstellung „Menschenskinder” am 29. November im Museum am Dom ein. Darin widmet sich das Museum der Bandbreite menschlicher Existenz von stereotypen Geschlechterrollen bis zu androgynen und queeren Darstellungen im Spiegel gesellschaftlicher Diskurse über Normen, Machtverhältnisse, Moral und Sexualität.
Mit Verweis auf die Genesis stellte von Plettenberg fest: „Die Schöpfungsgeschichte kann Gender und queer. Ich finde, das ist eine befreiende und ermutigende Erkenntnis.” Auch Jesus habe allen Menschen Zuwendung entgegengebracht, erinnerte der Generalvikar. „Ist es nicht so, dass Jesus selbst ein ‘Menschenskind’ geworden ist? Er ist Gott und Mensch, er umfasst alles.” Die Ausstellung solle auch Ermutigung sein, gerade jetzt im Advent, eine Entdeckungsreise ins eigene Ich zu unternehmen. Museumsdirektor Markus Groß-Morgen gab einen Überblick über die in sechs Segmente unterteilte Ausstellung, die neben klassischen und idealisierten Frauen- und Männerbildern „eine Insel” von Bildern enthält, die die Vielfalt in den Mittelpunkt rückt. Neben dem Ölgemälde „Gender” der Bitburger Künstlerin Silke Aurora, das das Plakat der Ausstellung ziert, gibt es eine Fülle an Darstellungen quer durch die Jahrhunderte zu entdecken, die jenseits konventioneller Vorstellungen von binärer Geschlechtlichkeit funktionieren.
Mit dem Segment „Frauenfeindlichkeit” greift die Ausstellung die brandaktuelle gesellschaftspolitische Debatte über zunehmende Misogynie auf: Ein eindringliches Beispiel für geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen liefert etwa die sexualisierte Folterszene der Heiligen Agatha mit blutender Brust aus dem 15. Jahrhundert. Auf gleicher Sichtachse mit der Plastik der Märtyrerin entdeckt man in krassem Kontrast zu Gewalt und Folter das Sinnbild absoluter Liebe und Hingabe: eine Madonnenfigur mit Jesuskind, die um das Jahr 1300 aus Metzer Kalkstein gemeißelt wurde. Wendet man den Blick um 180 Grad, fällt eine ähnlich anmutende, hier jedoch männlich konnotierte, eichenhölzerne Darstellung aus dem 18. Jahrhundert ins Auge: Anstelle Mariens hält Josef das Jesuskind – eine intime Szene väterlicher Fürsorge.
Aktuelle gesellschaftspolitische Debatten im Spiegel der Kunst
Die Sonderausstellung voller Gegensätze, die zur Reflexion anregt und althergebrachte Perspektiven ins Wanken bringt, ist noch bis Anfang 2025 im Museum am Dom zu sehen. Maßgeblich beteiligt an Konzeption und Durchführung ist das gesamte Team des Dommuseums sowie externe Künstler*innen und Handwerker*innen wie die Schreinerei Atelier Kronenberg Trier. Der Titel „Menschenskinder” entspringt einer Idee der Trierer Künstlerin und Innenarchitektin Susanne Weibler, die erläuternden Texte stammen zum Großteil aus der Feder von Museumsmitarbeiterin Justine Duda. Musikalisch begleitet wurde die Vernissage von Giovanni Rupp (Theater Trier), der Szenen aus der aktuellen Produktion „La cage aux folles” vortrug. Weitere Informationen zur Ausstellung gibt es auf https://www.museum-am-dom-trier.de/ausstellungen/sonderausstellungen/.