Ausstellung von Judith Boy in Wiebelskirchen:Aufruhr im Paradies
Wiebelskirchen – Wer das Wort „Paradies“ hört, denkt womöglich als erstes an eine einsame Insel mit Palmen – doch in Wirklichkeit ist das Paradies für jeden Menschen etwas Individuelles. Die Ausstellung „Aufruhr im Paradies“ der Künstlerin Judith Boy, die am Sonntag, 28. April, in der Pfarrkirche Heilige Dreifaltigkeit in Neunkirchen-Wiebelskirchen öffnet, will genau das: Den Betrachtenden einen Blick auf ihr eigenes Leben ermöglichen und sie mit der Frage konfrontieren, was das Paradies für sie persönlich ist. Zur Ausstellung laden die Pfarrei und die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) ein.
Das Paradies-Projekt sei während des ersten Corona-Lockdowns entstanden, berichtet Boy, als sie in den sizilianischen Bergen, mitten in der schönsten Natur, festsaß. „Das Paradies ist hier und jetzt“, habe sie in dem Moment gedacht und: „Doch die Menschen vertreiben sich selbst aus dem Paradies, das wir im Einklang mit der Natur haben könnten.“ Rund 150 Objekte und Bilder sind im Rahmen des Projekts entstanden. Im Fokus stehen dabei die zehn biblischen Plagen, die laut Altem Testament in Ägypten wüteten. Die Vertreibung aus dem Paradies möchte sie mit den Mitteln der Kunst in die heutige Zeit übertragen: Unsere Plagen seien Egoismus, Haben-Wollen, Krieg, Umweltverschmutzung, Zerstörung zwischenmenschliches Versagen.
Spannendes Projekt, das auch irritieren soll
Durch Malerei (Acryl und Spachteltechnik), Objekte, Installation und Performance schafft Judith Boy verschiedene Zugänge zum Thema. Ihre Kunstwerke entstehen oft nachhaltig aus besonderen Materialen: veränderte Leinwände und Folien, Farben mit Naturpigmenten und Funkstücken, wie etwa im Meer gefundene Netze. Ihre Motive sind Naturdarstellungen, zwischenmenschliche Szenen, aber auch biochemische Prozesse im Körper des Menschen. Im Stil haben sie einen futuristischen Akzent, aber auch Elemente des Jugendstils sind erkennbar. „Die Bilder sind sehr mystisch. Ich versuche aber, die Leute auf eine positive Spur zu bringen und Freude zu verbreiten“, erklärt Boy. Durch die Kraft und Freude will sie Sicherheit geben und Wege im Kleinen aus der Misere zeigen. „Ohne Stechfliegen – die vierte biblische Plage – gibt es keinen Humus, den die Erde braucht.“
Seit Juni 2021 hat Judith Boy die Ausstellung an mehreren Orten gezeigt, doch keine Schau ist identisch: So sind die Stechfliegen, die das Ausstellungsplakat in Wiebelskirchen zieren, zum ersten Mal zu sehen. Neu ist auch der Titel. War die Schau bisher unter dem Titel „Vertreibung aus dem Paradies“ zu sehen, entschieden sich die Pfarrei Heilige Dreifaltigkeit und KEB für „Aufruhr im Paradies“.
„Überall auf der Welt entsteht Aufruhr, Fake News verbreiten Unruhe. Doch Bewegung ist nicht immer schlecht, denn dadurch können neue Sichtweisen entstehen. Das Paradies gibt es so nicht mehr. Jeder muss das Paradies neu für sich definieren und suchen“, erklärt Gemeindereferentin Claudia Busch. In ihrer Osterpost ruft die Pfarrei daher alle Gemeindemitglieder auf, sich mit den Fragen „Was wäre für Dich das Paradies?“ oder „Wie sieht für dich das Paradies aus?“ auseinanderzusetzen und die persönliche Antwort auf einer Postkarte festzuhalten. Diese werden dann in die Ausstellung integriert.
Kunstausstellungen sind in der Dreifaltigkeitskirche keine Seltenheit. So wurden in den letzten Jahren „Marienbilder“ (Galerie Farbtupfer/Spiesen-Elversberg, 2016) „Bei deinem Namen gerufen: Nikolaus“ (Kulturbüro der EKD, 2018) und „Du bist würdig: königlich (Ralf Knoblauch/Bonn, 2022) gezeigt. „Wir freuen uns über die Gelegenheit, unsere Kirche und uns als Gemeinde zu öffnen und zu zeigen, dass in dem Raum mehr als ,nur‘ Gottesdienste möglich sind“, sagt Pfarrer Markus Krastl, „es soll zu neuen Sichtweisen kommen. Durch Kunst können wir den Raum neu erleben.“
Nicht alles, was in der Ausstellung zu sehen sein wird, wird im Vorfeld auch verraten. Nur so viel: In der Barbara-Kapelle wird Boy eine Installation einrichten. Bei der Vernissage wird sie zudem mit Kirchenmusiker Joshua Fuchs, durch dessen Vermittlung sie überhaupt nach Wiebelskirchen kam, eine akustische Performance aufführen. „Es ist ein spannendes Projekt. Wir wissen nicht, was dabei herauskommt und ob sich die Menschen darauf einlassen“, sagt Klaus Becker von der KEB, „den ein oder anderen wird sie auch irritieren.“
Gastprediger*innen in Gottesdiensten
Parallel zur Ausstellung gibt es ein Rahmenprogramm, an dem aktuell noch gearbeitet wird. In den Gottesdiensten werden Menschen als Gastprediger zu Wort kommen und aus ihrer Perspektive berichten, was für sie das Paradies bedeutet. Bereits zugesagt haben Tobias Schunk vom saarländischen Flüchtlingsrat, Agnes Schaadt-Lentes, Schulleiterin des Pallotti-Hauses, die Rundfunkbeauftragten des Bistums Trier für den SR Corinna Achtermann und Luisa Maurer, Anne Schmitt von der Familienbildungsstätte in Neunkirchen und Pastoralreferentin Marion Latz.
Vernissage: Sonntag, 28. April, 17 Uhr, in der Pfarrkirche Hl. Dreifaltigkeit, Prälat-Schütz-Straße 13, 66540 Neunkirchen.
Öffnungszeiten 28. April bis 26. Mai:
Montags, Dienstag, Donnerstag, Freitag: 16 bis 19 Uhr
Mittwoch: 10 bis 12 Uhr
Samstag: vor und nach der Vorabendmesse (18.30 Uhr)
Sonntag: 16 bis 18 Uhr
Besuchstermine außerhalb dieser Zeiten – gerne auch für Gruppen – sind nach Absprache mit dem Pfarrbüro möglich: Tel. 06821-52107; E-Mail hl3faltigkeit@gmail.com