Stellungnahme des Bistums Trier zum Fall Claus (Klaus) Weber, Bistum Trier/Bolivien:Bitte um Hinweise
Das Bistum Trier informiert über Vorfälle sexuellen Missbrauchs durch einen in Bolivien und dem Bistum Trier tätigen verstorbenen Priester und bittet um Hinweise zum Fall. Personen, die Informationen haben, sind gebeten, sich unter intervention@bistum-trier.de zu melden. Ziel der Veröffentlichung und der weitergehenden Recherche ist es, einen Beitrag zur Aufarbeitung insgesamt zu leisten und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission und ihren Projekten zur Verfügung zu stellen. Zudem will das Bistum gemäß der Interventionsordnung die bislang vorhandenen Kenntnisse an die bolivianischen Bischöfe geben und diese so bei ihrer Aufarbeitung unterstützen.
Um wen geht es?
Dr. Claus Weber, geboren am 24. Juli 1940, wird am 21. Juli 1968 zum Priester des Bistums Trier geweiht. Nach einer einjährigen Kaplanszeit wird er im Januar 1970 für einen pastoralen Dienst in der Erzdiözese Sucre in Bolivien freigestellt. Er wird dort Pfarrer der Pfarrei Monteagudo. 1975 kehrt er nach Deutschland zurück und wird im Bistum Trier Pfarrer in Koblenz-Metternich. 1984 wird er freigestellt zum Studium an der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom mit Wohnsitz im Päpstlichen Institut Santa Maria dell’ Anima, wo er auch eine Zeitlang als Vizerektor fungiert. Nach zweijährigem Studium schließt er im Juni 1986 seine Studien mit dem Grad des Lizentiaten der Theologie ab. Unmittelbar anschließend erhält er an der Katholischen Universität in Cochabamba in Bolivien einen Lehrauftrag für Exegese des Alten Testaments. In dieser Zeit baut er zwei Waisenhäuser – „Arco Iris“ (vormals „Santa Rosa“) und „Muyurina“ – auf und leitet diese zeitweise auch. Am 24. Januar 1990 wird er in Rom zum Dr. theol. promoviert. Im Februar 1995 kehrt er von Bolivien nach Deutschland zurück. Offiziell wird er zum 31. Mai 1995 von seinen pastoralen Aufgaben in Bolivien entpflichtet. Zum 1. Januar 1996 übernimmt er eine Aufgabe beim Katholischen Akademischen Ausländer-Dienst (KAAD) in Bonn. Dieser Einsatz wird zum 28. Februar 2003 beendet. Zum 1. Oktober 2003 wird er in den Ruhestand versetzt. Weber stirbt am 29. Januar 2020.
Die Zeit in Bolivien
Im September 1994 setzt sich Weber aus Bolivien ab nach Paraguay. Bis zu dem Zeitpunkt sind keine Vorwürfe gegen Weber bekannt, auch nicht aus seiner vorausgegangenen Zeit als Pfarrer in Koblenz-Metternich.
Die Information über seine Flucht gibt Weber selbst an den damaligen Bischof Spital, mit dem Hinweis, er werde erpresst und entziehe sich durch Flucht, weil er glaubt, sich Vorwürfen sexuellen Missbrauchs nicht erwehren zu können. Gegenüber Bischof Spital bringt Weber zum Ausdruck, dass er einen Anwalt beauftragt habe, der vor Ort die Vorwürfe klären soll.
Im Auftrag des Bischofs steht Weihbischof Leo Schwarz im Kontakt zu Weber. Die damals Verantwortlichen unternehmen keine eigenen Schritte zur Klärung der Situation, sondern überlassen die Klärung Weber selbst. Dieser kehrt Mitte Oktober 1994 nach Bolivien zurück, hält sich kurze Zeit in Cochabamba auf und übernimmt dann für einige Wochen eine Pfarrvertretung in Tomina (Erzbistum Sucre). Im Februar 1995 kehrt er nach Deutschland zurück. Während seiner Zeit in Bolivien gibt es keine Hinweise auf Ermittlungen der staatlichen Strafverfolgungsbehörden gegen ihn, auch keinen Haftbefehl. Keiner der damals Verantwortlichen fragt nach der Rückkehr nach, was der angeblich beauftragte Anwalt erreicht hat oder ob es einen Bericht dazu gibt.
Staatliches Ermittlungsverfahren in Deutschland
Seit Juni 1997 – zu dem Zeitpunkt ist Weber wieder in Deutschland – gibt es ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Aachen gegen Weber, das im September 1998 an die Staatsanwaltschaft Mainz übergeht. Dieses Verfahren geht auf eine Anzeige aus Bolivien zurück. Demnach soll Weber nach seiner Rückkehr aus Paraguay und vor seiner Rückkehr nach Deutschland einen Minderjährigen sexuell missbraucht haben. Das Verfahren wird im Jahr 2000 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Staatsanwaltschaft informiert das Bistum Trier nicht über die Einstellung des Verfahrens.
Von diesem Ermittlungsverfahren erfährt Weihbischof Schwarz nach dessen Einstellung durch Weber selbst, der angibt, fälschlicherweise beschuldigt worden zu sein. Weihbischof Schwarz gibt diese Information erst im September 2002 in einer Notiz an den damaligen Trierer Bischof Marx weiter. Dem Hinweis wird nicht weiter nachgegangen.
Vorwürfe, die dem Bistum gemeldet werden und kirchenrechtliche Voruntersuchung
2002 meldet sich eine betroffene Person mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs über einen längeren Zeitraum, der sich auf die Zeit bezieht, in der Weber Pfarrer von Koblenz-Metternich war – also vor seinem zweiten Bolivienaufenthalt – sowie auf die Zeit Webers als Vizerektor an der Anima in Rom. Diesen Vorwurf meldet das Bistum an die Staatsanwaltschaft Koblenz, die das Ermittlungsverfahren wieder einstellt wegen Verjährung – offensichtlich wird dort keine Verbindung hergestellt zu dem 2000 eingestellten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Mainz. Eine formale kirchenrechtliche Voruntersuchung wird nicht eingeleitet, weil die damals Verantwortlichen der (irrigen) Auffassung gewesen sind, dass auch nach kirchlichem Recht der Fall verjährt gewesen ist.
Ein kirchenrechtliches Voruntersuchungsverfahren wird aufgrund eines weiteren Vorwurfs, der sich auf die frühen 1980er Jahre bezieht, im Dezember 2015 eröffnet. Zwei weitere Vorwürfe, die sich auf die Zeiträume 1978/79-84 (Pfarrer in Koblenz-Metternich) und Heimaturlaube Webers zwischen 1988 und 1994 beziehen, werden in den Jahren 2019 und 2020 beim Bistum erhoben. Das kirchenrechtliche Strafverfahren endet nach mehreren Rekursen im Herbst 2019 mit der folgenden dauerhaften Strafe: dem Verbot der öffentlichen Ausübung des priesterlichen Dienstes und dem Verbot, sich in der Öffentlichkeit als Priester zu präsentieren.
Weitere Schritte des Bistums
Im September 2020 wird dem Bistum Akteneinsicht über die staatlichen Ermittlungen im Jahr 2000 gewährt. Noch vor der Akteneinsicht wendet Bischof Ackermann sich an den Erzbischof von Cochabamba und an den Erzbischof von Sucre und bittet sie um Unterstützung bei der Untersuchung möglicher Vorfälle in Bolivien, insbesondere zu den Vorgängen 1994. Dazu gibt es bislang keine Rückmeldungen im Sinne von verwertbaren Informationen.
Nach der Auswertung der Ermittlungsakten und weiteren Recherchen und Rückfragen bei Zeitzeug*innen und Weggefährt*innen gibt es im Mai 2023 eine erneute Kontaktaufnahme zum Erzbischof von Sucre, um mit ihm das weitere Vorgehen abzuklären.
Die dauerhaften Strafmaßnahmen gegen Weber werden mit einer Pressemeldung im Januar 2020 auch öffentlich gemacht, entsprechend des Persönlichkeitsschutzes jedoch ohne Namensangabe. Kurz danach stirbt Weber. Nicht zuletzt durch die aktuellen Ereignisse in Bolivien sehen die heute Verantwortlichen im Bistum es nun als geboten, den Fall auch mit der Namensnennung öffentlich zu machen.