Profanierung der Kirche St. Michael in Lockweiler:„Das ist kein Ende, sondern eine Veränderung“


Lockweiler – Bierzelttische stehen im Kirchenschiff, denn die Kirchenbänke sind bereits an einen Schreiner verkauft worden, die Kreuzwegstationen sind abgenommen und lagern im Pfarrhaus. In den Ecken von St. Michael in Lockweiler (Stadt Wadern) stehen rote Eimer, denn es regnet durchs Dach. Licht kommt nicht von der Deckenbeleuchtung, sondern von zwei Leuchten, die mit externem Strom laufen, denn die Elektrik der Kirche ist defekt. Als am Sonntag, 27. April, zum letzten Mal die Glocken von St. Michael zum Gottesdienst rufen, ist der desolate bauliche Zustand des Gotteshauses nicht zu übersehen. Rund 300 Christinnen und Christen sind an dem Nachmittag gekommen, um Abschied von ihrer Kirche zu nehmen.
Der am 27. Mai 1962 geweihte Neubau wurde seit rund zwei Jahren nicht mehr für Gottesdienste genutzt. Folglich hatte die Kirchengemeinde Bischof Dr. Stephan Ackermann gebeten, die Profanierung, also Entwidmung, der Kirche einzuleiten. Zu groß waren die baulichen Mängel. „Die 63 Jahre sind nicht spurlos an dem Gebäude vorübergegangen. Jetzt hätte man eine grundsätzliche Sanierung angehen müssen. Eine Finanzierung der schätzungsweise 500.000 Euro, die man für die Sanierung von Dach, Heizung und Elektrik gebraucht hätte, war nicht möglich“, sagt der Pfarrer der zuständigen Pfarrei Hl. Glauben, Hoffnung, Liebe Wadern. „Da zudem die sonntägliche Gottesdienstgemeinde das Gebäude nicht ansatzweise zu füllen vermag, ließe sich eine solche Investition im Hinblick auf die finanziell angespannte Lage der gesamten Pfarrei Wadern auch nicht wirklich vertreten.“ Vor fast zwei Jahren habe man daher den Strom abstellen und die Sakristei wegen Schimmelbefalls sperren müssen. „Da keine Hoffnung auf Wiedereröffnung bestand, haben wir schweren Herzens die Profanierung der Kirche beantragt“, sagt Feldmann.

Der Trierer Generalvikar Ulrich von Plettenberg zelebrierte am Sonntag gemeinsam mit den Pfarrern Axel Feldmann, Jens Bauer, Paul-Johannes Mittermüller und Heinrich Anten zum letzten Mal die Eucharistie. „Über 60 Jahre hatte Ihre Kirche eine offene Tür für alle Menschen, insbesondere für Sie aus Lockweiler und Krettnich. Sie war ein Ort für Gottesdienste und Gemeinschaft, aber auch eine Zufluchtsstätte und ein Zuhause, an dem Sie Gott Ihr Herz ausschütten und seine Nähe spüren konnten. Heute werden sich die Türen für immer schließen. Das ist mehr als traurig“, sagte von Plettenberg in seiner Predigt. Er nahm Bezug auf das zuvor gehörte Johannes-Evangelium, in dem sich die Jünger nach Jesu Tod aus Angst vor Verfolgern hinter verschlossenen Türen versammelten. „Trotz verschlossener Türen erscheint ihnen Jesus. Nicht wie vorher als Mitmensch, sondern als Auferstandener. Sie spüren seine Gegenwart in neuer Weise.“ Dies sei die Hoffnungsbotschaft an alle Gläubigen: „Der Auferstandene kennt keine verschlossenen Türen. Auch wenn wir die Türen dieses Gotteshauses schließen, wird seine Gegenwart überall dort spürbar sein, wo wir ihm unsere Herzenstür öffnen und überall dort, wo wir uns in Gemeinschaft zu Gebet und Gottesdienst versammeln. Ich hoffe, dass wir neben Trauer, Enttäuschung und Verzweiflung das österliche Leben des Auferstandenen spüren und dass die Türen, die wir hier schließen, sich an anderer Stelle öffnen.“
Auch Pastor Axel Feldmann bekräftigte: „Das hier ist heute kein Ende, sondern eine Veränderung.“ Seit mindestens 900 Jahren sei der Standort ein geistlicher Ort – der benachbarte denkmalgeschützte alte Turm einer Vorgängerkirche datiert aus dieser Zeit. Christliches Leben in Lockweiler gibt es vermutlich bereits hundert Jahre länger – 973 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt, die damalige Kirche stand vermutlich an anderer Stelle. Das geistliche Leben vor Ort gehe weiter – Gottesdienste werden in der benachbarten Kapelle und im Pfarrhaus gefeiert.

Vielen Gottesdienstteilnehmern standen die Tränen in den Augen, als der Generalvikar am Ende der Messe das Dekret des Bischofs zur Profanierung verlas. Viele der älteren Gläubigen hatten in St. Michael die Taufen und Erstkommunionfeiern ihrer Kinder erlebt, Ehejubiläen gefeiert, in der Kirche ihre Heimat gefunden. Anschließend entnahm von Plettenberg das Reliquiar Papst Pius X aus dem Reliquiengrab im Altar. In einer Prozession trugen die Liturgen Reliquiar, das Allerheiligste, die Osterkerze sowie die St. Michael-Statue in die benachbarte Kriegergedächtniskapelle, das Ewige Licht wurde gelöscht.
„Ich wurde hier am 4. September 1962, also kurz nach der Weihe, getauft“, erinnert sich eine Lockweilerin, seitdem habe sich ihr sämtliches kirchliches Leben in dem Gebäude abgespielt. Auch ihre Freundin ist sichtlich mitgenommen: „Die ganze Zeit war uns klar, dass es heute so weit ist, doch jetzt ist es plötzlich ein ganz seltsames Gefühl.“ Dass dieser traurige Schritt ohne Alternative gewesen sei, bestätigt auch Volker Fuchs vom Verwaltungsrat: „Die Abstimmung im Verwaltungsrat lief einstimmig, auch die beiden Vertreter aus Lockweiler haben dafür gestimmt.“ Ortsvorsteher Konrad Schmidt betont: „An Weihnachten können wir in der Mehrzweckhalle feiern, so wie wir es auch die letzten beiden Jahre gemacht haben.“ Stellvertretend für Bürgermeister Jochen Kuttler nahm der Bardenbacher Ortsvorsteher Christian Ritz an der Profanierung teil. Die Lockweiler hoffen, das ehemalige Pfarrhaus halten zu können – aktuell liefen Gespräche zwischen Stadt und Bistum über eine gemeinsame Nutzung als Dorfgemeinschaftshaus. Konkrete Pläne für das profanierte Kirchengebäude gibt es noch nicht.