Neues Beratungsangebot des SkF Saarbrücken:Das stille Leiden der Kinder
Saarbrücken – Gewalt gegen Kinder hat viele Gesichter: Während Misshandlungen, die sich direkt gegen Kinder wenden, bereits in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen sind, wird eine spezielle Form der Gewalt bislang wenig beachtet: Was passiert mit Kindern, die miterleben, wie sich die Eltern gegenseitig Gewalt antun? Die zum Beispiel beobachten, wie der Vater die Mutter schlägt oder misshandelt? Wenn Kinder und Jugendliche auf diese Weise von häuslicher Gewalt mitbetroffen sind, kann das schwerwiegende Folgen haben. Um ihnen zu helfen, bietet der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Saarbrücken ein neues Beratungsangebot an, der sich an Betroffene im gesamten Saarland richtet.
Die neue Anlaufstelle für von häuslicher Gewalt mitbetroffenen Kinder und Jugendlichen ist an die Krisen- und Interventionsstelle für häusliche Gewalt des SkF angeschlossen. Dort werden seit 17 Jahren Opfer häuslicher Gewalt betreut. Im vergangenen Jahr hätte sich das Team um 770 Fälle gekümmert – zu 93,4 Prozent waren die Betroffenen Frauen, nennt SkF-Geschäftsführerin Andrea Wolter Zahlen. „In 62,9 Prozent der Fälle lebten Kinder bei den Betroffenen“, macht sie den Bedarf des neuen Angebots deutlich. Die Corona-Pandemie habe das Problem noch einmal verschärft, denn während der Lockdowns hätten sich mehr Betroffene gemeldet. „Man saß aufeinander, Kinder haben mehr von der Gewalt mitbekommen“, sagt SkF-Bereichsleiterin Tina Bott-Leinen. Das Erlebte habe negative Folgen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen. „Sie lernen, dass Konflikte mit Gewalt gelöst werden und übernehmen dieses Verhalten und werden in der Schule auffällig.“ Gerade größere Kinder empfänden eine nicht altersgerechte Verantwortung – etwa die Mutter schützen zu müssen. „Sie geraten dabei in einen Loyalitätskonflikt: Das Elternteil, das sie trotzdem liebhaben, wird zum Täter. Da herrscht eine große Hilflosigkeit, nicht zu wissen, was sie tun können. Kinder fühlen sich in ihrem eigenen Zuhause nicht mehr sicher.“
Hilfe bekommen Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren ab sofort bei der neuen Kinder- und Jugendpsychologin des SkF, Rosalie-Josephine Wohlfarter. Für Kinder unter sechs Jahren bietet der SkF eine Beratung für die Eltern an. „Schon jetzt haben wir Meldungen über die Polizei bekommen, die Familien an uns verwiesen hat, aber auch Betroffene haben sich von sich aus bei uns gemeldet“, sagt die 23-Jährige. Ihr Büro ist heimelig eingerichtet: Eine gemütliche Sitzecke mit Sitzsäcken, Kuscheltiere, Kinderbücher und Bonbons. Viele von häuslicher Gewalt mitbetroffene Kinder und Jugendliche sprechen hier oft das erste Mal über ihre Erfahrungen und ihre Emotionen. Den Konflikt zwischen den Eltern können die Kinder nicht lösen, daher ist es vorrangiges Ziel, ihnen eine Strategie und einen Sicherheitsplan mit an die Hand zu geben: „Was kann ich in der konkreten Situation tun? Gibt es eine Nachbarin, zu der ich kann, oder Oma und Opa?“
Das neue Beratungsangebot wird mit 70.000 Euro im Jahr vom saarländischen Sozialministerium finanziert. „Kinder sind sehr sensibel für die Lage zu Hause. Gewalterlebnisse sind für sie eine traumatisierende und ganz tiefgreifende Erfahrung. Sie sind belastet und schnell damit überfordert, die Situation einzuordnen und sich Rat zu suchen“, sagte der saarländische Sozialminister Magnus Jung. Auch Erwachsene könnten überfordert sein, wenn Kinder mit dieser Thematik an sie herantreten. Daher solle die neue Anlaufstelle auch Ansprechpartner für andere Beratungsangebote im Saarland sein. „Die Sensibilität in der Bevölkerung muss wachsen und damit die Kompetenz, adäquat mit der Problematik umzugehen.“
Die neue Beratungsstelle für Kinde- und Jugendliche, die von häuslicher Gewalt mitbetroffen sind, ist erreichbar unter: Tel. 0681-93625910 oder direkt bei Rosalie-Josephine Wohlfarter unter mobil: 0174-5993368