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Vortrag:Demokratie braucht Demokraten

Über das Wesen der Demokratie hat der ehemalige Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert vor rund 300 Besuchern in der Trierer Markt- und Bürgerkirche St. Gangolf gesprochen.
Prof. Dr. Norbert Lammert spricht in der Trierer Kirche St. Gangolf über das Wesen der Demokratie.
Datum:
16. Apr. 2025
Von:
Rolf Lorig/Paulinus Wochenzeitung im Bistum Trier

Trier - Das Interesse an der Veranstaltung des politischen Bildungsforums Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Kuratoriums von St. Gangolf war riesig: Alle Plätze waren belegt, als Bernhard Kaster, Vorsitzender des Forums Bürgerkirche, den früheren Bundestagspräsidenten und heutigen Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung Norbert Lammert willkommen hieß. Das Thema der Veranstaltung „Demokratie braucht Demokraten“ war nicht sonderlich spannend angelegt. Doch die allgemeine weltpolitische Situation trug dazu bei, dass sich unter den Zuhörern sehr viele junge Menschen befanden.

Gleich zu Beginn sorgte Lammert dafür, dass sich niemand in falscher Sicherheit wiegen konnte: Demokratische Verhältnisse seien keinesfalls der „Normalfall“, weder in der deutschen Geschichte noch in der aktuellen Weltpolitik. Man müsse sich bewusst machen, dass nur zwei Dutzend von fast 200 Staaten auf der Welt stabile Demokratien seien. Das betreffe weniger als acht Prozent der Weltbevölkerung, sagte der Referent.

Demokratie braucht Demokraten – dieser Satz ist ebenso simpel wie fundamental.

Norbert Lammert

Er erinnerte an Barack Obama, der in seiner Amtszeit darauf hingewiesen hatte, Demokratie würde immer dann auf die Probe gestellt, wenn sie nicht die gewünschten Ergebnisse liefere. In solchen Momenten sei es entscheidend, an demokratischen Werten festzuhalten.

„Demokratie braucht Demokraten – dieser Satz ist ebenso simpel wie fundamental“, erklärte Lammert und erinnerte daran, „dass Deutschland die Demokratie nicht erfunden hat“. Vielmehr sei es ein sehr schwieriger Weg dorthin gewesen: Der begann 1848 mit der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, wo das Parlament über eine freiheitliche Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaats beriet. Doch konnte die dort erarbeitete Verfassung nicht umgesetzt werden. Die großen Mächte wie Preußen und Österreich erkannten diese Verfassung mit zahlreichen Grundrechten nicht an.

Einen weiteren Vorstoß habe es in der Weimarer Republik gegeben. Diese Demokratie habe „die Volljährigkeit nicht erreicht“. Sie sei gescheitert, weil es zu wenige Demokraten gab, so dass die Republik nicht aufrechterhalten werden konnte. Zudem seien die Demokraten untereinander oftmals Rivalen gewesen, statt sich gemeinsam für den Erhalt der Demokratie zusammenzuschließen.

Für Bestand einsetzen und Attacken abwehren

Der Durchbruch kam nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Parlamentarische Rat das Grundgesetz erarbeitete und dabei die 1849 in Frankfurt verabschiedete Reichsverfassung zum Vorbild nahm. Mittlerweile bilde das Werk seit sieben Jahrzehnten das Gerüst für eine der stabilsten Demokratien.

Also alles gut? Nein, betont Lammert und wies auf die zentrale Schwachstelle hin: „Demokratien werden nicht durch Bürgerkriege oder militärische Putsche gestürzt, sondern durch Wahlen.“ Das könne man am Beispiel der Türkei nachvollziehen, wo das demokratische Wesen nach Wahlen durch ein autokratisches System ersetzt wurde. Deshalb sei es unerlässlich, sich „immer wieder neu für den Fortbestand der Demokratie einzusetzen und undemokratische Attacken abzuwehren“.

Im Anschluss an den Vortrag hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, an den früheren Bundestagspräsidenten eigene Fragen zum Thema Demokratie zu richten. Erfreulich viele Jugendliche machten davon Gebrauch.