Seit einem Jahr leiten im Dekanat Neunkirchen Laien Beerdigungen – zwei Frauen berichten:„Der Einsatz von ehrenamtlichen Beerdigungsleitern ist ein absoluter Gewinn“
Neunkirchen – Nach zehn Minuten war die Beerdigung vorbei – und die Enttäuschung bei Dorothea Klesen groß: „Das war so unpersönlich und einem langen Leben von 98 Jahren nicht angemessen“, findet die 57-Jährige aus Eppelborn. Klesen kannte den Verstorbenen durch ihre Arbeit im Seniorenheim. Das Erlebnis habe sie wachgerüttelt: „Das hätte auch anders laufen können.“ Als sie kurz darauf vom Aufruf des Dekanats Neunkirchen liest, das Laien in einem Pilotprojekt des Bistums Trier für den Bestattungsdienst ausbilden will, ist sie gleich Feuer und Flamme: „Meine Kollegin und ich sind bereits geschult worden, um im Seniorenheim Wortgottesdienste zu leiten, da habe ich mir das direkt zugetraut.“ Sie sehe, wie überlastet viele Hauptamtliche in der Kirche seien und möchte hier unterstützen, um den Angehörigen einen würdevollen Rahmen für den Abschied zu bieten. Vor einem Jahr hat sie und vier weitere Ehrenamtliche die Beauftragungsurkunde des Bischofs erhalten. Das im März 2021 veröffentlichte Rahmenkonzept für den Bestattungsdienst im Bistum Trier sieht auch aufgrund der positiven Erfahrungen im Dekanat und in anderen Bistümern den Einsatz von haupt- und ehrenamtlichen Laien für diesen Dienst vor.
„Der Beerdigungsdienst ist nicht an ein Weiheamt gebunden, sondern an die Taufe. Tote zu bestatten ist ein Werk der Barmherzigkeit“, sagt Markus Krastl, Pastor in Neunkirchen-Wiebelskirchen. In enger Abstimmung mit dem Bischöflichen Generalvikariat habe das Dekanat Neunkirchen einen Kurs für das Modellprojekt entwickelt und folge damit der Trierer Bistumssynode, die beschlossen hat, dass ehrenamtlich tätige Gläubige in den Bestattungsdienst eingebunden werden sollen. „Wir werden immer weniger Hauptamtliche. Gleichzeitig wird die Zahl der Beerdigungen nicht kleiner. Uns war klar, dass wir das dauerhaft nicht leisten können“, erklärt Krastl. Das Modellprojekt startete 2019 in der Fastenzeit mit dem Osterzeugenkurs. Alle Interessierten waren eingeladen, über den eigenen Glauben, über Trauer und Abschiednehmen zu sprechen.
Auch Monika Schula aus Landsweiler-Reden nahm am Osterzeugenkurs teil: „Als ich den Flyer ,Welche Hoffnung trägt Dich?‘ des Dekanats gesehen habe, war mein erster Impuls: Ja, das möchte ich auch machen“, sagt die heute 62-Jährige, die sich seit vielen Jahren kirchlich engagiert – ob als Teamsprecherin der kfd und in verschiedenen pastoralen Gremien. „Mir ist es wichtig, dass alle, die dies wünschen, eine christliche Beerdigung bekommen können, wo der Glaube an die Auferstehung eine Rolle spielt“, sagt die gelernte kaufmännische Angestellte, „ich möchte auch meinen Glauben nach außen tragen und nicht nur im stillen Kämmerlein für mich praktizieren.“
Dem Osterzeugenkurs schloss sich ein mehrwöchiger Werkstattkurs an: „Da haben wir ganz praktisch überlegt: Wie laufen Beerdigungen ab? Wie suche ich die passenden Texte aus? Wie entwickle ich eine Predigt“, erzählt Pastor Krastl. Weitere Themen waren die verschiedenen Trauerphasen und das Führen eines Trauergesprächs. Im Anschluss folgte eine sechs monatige Hospitation, bei der die Auszubildenden die Hauptamtlichen zu Kondolenzgesprächen und auf den Friedhof begleiteten. „Die ganze Zeit wollte ich mir offen halten, ob ich tatsächlich Beerdigungsleiterin werde. Ich wusste ja vorher nicht, ob ich damit umgehen kann“, sagt Monika Schula. Doch nach dem ersten Trauergespräch sei klar gewesen: „Ich kann das.“ Nicht jeder, der den Kurs absolvierte wurde von den Ausbildern als geeignet betrachtet, sagt Krastl. Um den Beerdigungsdienst ausüben zu können, benötige man Sensibilität, Empathie, Kommunikationsfähigkeit: „Es ist ein Spüren ohne Worte: Kommt das Gesagte beim anderen gut an oder nicht? Man muss Leidenschaft mitbringen und Glaubensstärke. Es gibt Situationen, in denen könnte selbst ich als Seelsorger verzweifeln. Da müssen wir uns immer wieder klar machen: Gott schafft mit uns. Wir sind seine Instrumente und er hält uns.“
Die Reaktionen der Angehörigen, dass eine Frau und dazu noch eine Nicht-Theologin, die Beerdigung leite, fielen unterschiedlich aus: „Wenn es eher kirchenfremde Leute sind, reagieren diese oft überrascht, aber eher positiv, dass eine Frau kommt, nach dem Motto: Wir wussten gar nicht, dass die katholische Kirche schon so modern ist“, sagt Monika Schula. Kirchengebundene Angehörige erwarteten eher, dass der Pastor persönlich komme. Sie habe auch schon erlebt dass die Angehörigen wollten, dass der Pastor die Beerdigung hält. „In einigen Köpfe herrscht immer noch das Bild einer Zweiklassen-Beerdigung vor und nur wenn der Pastor da war, war es etwas Wert“, moniert Pastor Krastl. Auch innerkirchlich wisse er von Kollegen, die den Einsatz der ehrenamtlichen Laien nicht gerne sähen: „Das ist auch ein Problem der noch an vielen Stellen zu sehr machtverfassten, klerikalen Kirche: Wir haben die Leute lange genug zu diesem Bild erzogen, das wir jetzt aus den Köpfen lösen wollen“, sagt er und betont: „Der Einsatz von Ehrenamtlichen ist ein absoluter Gewinn.“ Der Ablauf einer Beerdigung sei immer gleich – egal ob ein Geistlicher oder ein Laie sie halte.
Vor ihrer ersten Beerdigung war die Aufregung groß, inzwischen sitzen die Abläufe. Aber eine Routine gebe es nie. Keine Beerdigung sei wie die andere, darin sind sich Monika Schula und Dorothea Klesen einig. „Nebenbei diesen Dienst ausüben, das geht nicht“, sagen beide Frauen. Neben dem Trauergespräch mit den Angehörigen stecke die meiste Zeit in der Vorbereitung der Ansprache. Auch in der Zeit nach der Beerdigung sind die beiden Frauen für die Angehörigen da, wenn diese sich ein Gespräch wünschen. Auch die Beerdigungsleiterinnen lassen die Trauer und den Schmerz der Angehörigen nicht kalt. „Auch wenn viele Angehörige nicht kirchengebunden sind, hoffen viele, dass der Verstorbene in ein anderes Leben geht oder – wie wir Christen sagen – zu Gott“, sagt Monika Schula. Gleich die zweite Beerdigung, die Dorothea Klesen leitete, war ein Suizid. „Da saß ich dann im Anschluss weinend auf dem Fahrrad nach Hause. Aber dann war es auch gut“, sagt sie. Doch beide Frauen wissen sich vom Pastoralteam gut betreut, das für Fragen und Gespräche jederzeit für sie da ist. Beiden gebe der Dienst auch etwas zurück. „Der Beerdigungsdienst führt mich ein Stück weit näher zum Verständnis beim Thema Tod“, sagt Dorothea Klesen. Auch Monika Schula setzt sich durch ihren Dienst mehr mit dem eigenen Lebensende auseinander: „Es fehlt mir, dass wir in unserer Gesellschaft über den Tod und das Sterben so reden, als sei das alles ganz weit weg. Dabei kann es uns jeden Tag treffen.“
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(uk)