Verschenkekirche in Hermeskeil lässt Botschaft von Sankt Martin aufleben :„Die versteckte Armut hat uns betroffen gemacht“
Hermeskeil – Teilen wie Sankt Martin? Damit diese Botschaft nicht nur eine schöne Geschichte für Kinder rund um den Martinstag bleibt, verwandelt sich im Hochwald-Städtchen Hermeskeil die Martinuskirche wieder in eine „Verschenkekirche”. Die Aktion der Pfarrei Sankt Franziskus Hermeskeil lädt bedürftige Menschen ein, in der Kirche Kleidung, Haushaltswaren und Spielsachen „einzukaufen” – allerdings ohne Bezahlung.
Die „Verschenkekirche“ gibt es schon zum dritten Mal, erzählt Gemeindereferentin Gerlinde Paulus-Linn. Geboren wurde die Idee eigentlich nach der Flutkatastrophe von 2021 im Ahrtal. Die Spendenbereitschaft der Menschen war damals so groß, dass noch kiloweise Kleidung, Schuhe und Spielsachen im Lager der Kreisverwaltung in Kenn lagerten, die in den Flutgebieten nicht mehr benötigt wurden. „Die haben bei uns angefragt, ob wir dafür Verwendung hätten. Und die hatten wir – der Bedarf hier in Hermeskeil und Umgebung ist schon da“, sagt Paulus-Linn. Zum einen durch die Erstaufnahmestelle für Geflüchtete (AfA), mit der man gut vernetzt sei. Doch zum anderen auch durch die „versteckte Armut” vieler Menschen in der Region, die sich nicht unbedingt auf den ersten Blick offenbare. Mit Hilfe der sozialen Medien habe sich die Kunde von dem Projekt außerdem so weitläufig verbreitet, dass es zu einer bistumsweiten Aktion wurde: „Die Menschen kamen sogar aus Koblenz oder Saarbrücken zu uns – das hat uns selbst erstaunt. Außerdem unterstützen uns auch inzwischen viele Geschäfte, selbst aus weiter entfernten Gebieten.”
Die Altersarmut ist groß, gerade unter Frauen.
Gerlinde Paulus-Linn, Gemeindereferentin
Versteckte Armut und Bedürftigkeit
Ihre Kollegin Anna Forster vom an die Kirche angrenzenden Mehrgenerationenhaus (MGH) Hermeskeil pflichtet ihr bei: „Es war einerseits erschreckend zu sehen, wie viele Menschen aus der Region hilfsbedürftig sind, aber andererseits auch überwältigend für uns als Organisatoren, mit welcher Dankbarkeit und Freude sie dann wieder nach Hause gegangen sind.” Karina Düpré-Kranz verstärkt seit sechs Monaten das Team des MGH. Sie erlebt die große Dankbarkeit der Menschen auch bei den anderen kostenfreien Angeboten des MGH. „Wir bekommen viel positives Feedback, wenn wir kostenfrei oder kostengünstig Angebote machen. Natürlich nicht in großer Runde, aber in Einzelgesprächen.” Viele Eltern schämten sich für ihre Situation, wenn etwa beide arbeiten gehen und es doch nicht für das schöne Spielzeug zu Weihachten für das Kind reiche. Gründe seien unter anderem die ansteigenden Lebenshaltungskosten. Für Paulus-Linn wurde aber im ersten Jahr der Aktion noch ein anderes Phänomen deutlich sichtbar: „Abgesehen von den Familien war ich letztes Jahr sehr überrascht über die vielen älteren Leute, die nicht wissen, kann ich mir noch den Pulli oder die Jacke leisten. Die Altersarmut ist groß, gerade unter Frauen.”
Eine Aktion, die verbindet
Die Aktion bringe viele Menschen zusammen: „Wir haben so viele Leute, die uns unterstützen – sogar einige, die selbst nicht so viel haben, und die schauen, was sie entbehren können”, zeigt sich Düpré-Kranz gerührt. Zwanzig Helferinnen und Helfer sind in Schichten eingeteilt. Sie achten in der Kirche auf einen ordentlichen Ablauf und schaffen immer wieder Nachschub aus der Sakristei heran, die aktuell als Lager dient. Von der Bettwäsche über Hygieneartikel, Töpfe, Spiele für Kinder, CDs, Bücher oder Kuscheltiere bis hin zu den Kleidungsspenden: Es gibt eigentlich fast alles, was das Herz begehrt. Dabei handelt es sich um neuwertige oder eben gut gebrauchte Dinge, nicht um aussortierte Reste. „Es nahm zu, dass Leute einfach Säcke vor die Kirche gestellt haben, wo teilweise echt Müll drin war. Wir müssen sehr streng aussortieren, alles in die Hand nehmen”, erklärt Anna Forster. Federführend in der Organisation und erste Ansprechpartner*innen sind die Pfarrsekretärinnen Heike Dixius, Belinda Jochem, Claudia Malburg und natürlich Dekan Christian Heinz, der die Idee vor drei Jahren kurz nach seinem Dienstantritt in Hermeskeil umsetzte. „Wir sehen uns alle nicht nur als Netzwerk, sondern richtig als Team, weil wir für die gleiche Sache brennen”, fasst Anna Forster die enge Zusammenarbeit des MGH mit der Pfarrei zusammen. In der Martinuskirche finden übrigens weiter regelmäßig Gottesdienste statt. Die Aktion gehört zum „diakonischen Auftrag” dazu, findet Paulus-Linn: „Das ist gelebter Dienst am Menschen, dadurch wird unser Kirchenpatron Martin und seine Botschaft nochmal lebendig. Während der letzten beiden Aktionen ist das auch der Kerngemeinde nochmal anders bewusst und greifbarer geworden.”
Täglich von zehn bis 16 Uhr hat die Verschenkekirche geöffnet. Mehr Informationen gibt es auch unter Tel.: 06503 - 981750 und E-Mail: pfarrbuero@franziskus-hermeskeil.de.