Moraltheologe referiert beim Katholischen Forum Koblenz über Geschlechtsidentität:Diskriminierung ist gegen den Plan Gottes
Koblenz/Mainz – Diskriminiert die katholische Kirche queere Menschen? Nicht erst seit der Bewegung #OutInChurch diskutiert das Kirchenvolk über sexuelle und geschlechtliche Identitäten – und darüber, wie individuelle Formen mit der katholischen Lehre vereinbar sind. Zuletzt sorgte die Ablehnung eines Textes zur Änderung der Sexualmoral beim Reformprojekt Synodaler Weg für Aufregung. Am 28. September stellte der Mainzer Moraltheologe und Universitätsprofessor Stefan Goertz seine Thesen zum Thema im Rahmen des Katholischen Forums Koblenz im Bischöflichen Cusanus-Gymnasium zur Diskussion.
Das Recht auf Darstellung der eigenen Geschlechtsidentität
Queere Lebensformen seien im katholischen Kontext nicht vorgesehen, weil sie nicht in ein bestimmtes Schema passten, formulierte Goertz die grundsätzliche Problematik, und positionierte sich gleich zu Beginn des Vortrags, indem er auf den 2020 verstorbenen Theologen Eberhard Schockenhoff Bezug nahm: Jeder Mensch habe einen unbedingten Anspruch auf Anerkennung, Wertschätzung und Respekt, ungeachtet seiner individuellen Eigenschaften wie etwa Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder religiöser Überzeugung. „Das bedeutet auch sexuelle Selbstbestimmung, die garantiert und geschützt werden muss. Sexuelle Orientierung ist ein Teil der Persönlichkeit.” Menschen hätten ein Recht auf die Darstellung der eigenen Geschlechtsidentität und dürften darin nicht behindert werden. „Das ist Kern der ethischen Erfahrung”, sagte Goertz, und stellte klar: „Diskriminierung, also die Ungleichbehandlung von Menschen ohne guten Grund, ist gegen den Plan Gottes.”
Christliche Überlieferung zeigt queer-freundliche Tendenzen
Allerdings weigerten sich Teile der Kirche, queere Menschen in die Gruppe der nicht zu diskriminierenden Personen aufzunehmen, so Goertz. Verfechter konservativer Anschauungen sähen die Ungleichbehandlung nämlich als begründet an. Als Beleg würden etwa der Katechismus oder die Bibel bemüht. „Aber: Gibt es denn überhaupt gute Gründe für die Ungleichbehandlung?”, fragte Goertz und formulierte Hindernisse, die der Anerkennung diverser sexueller Identitäten im Weg stünden – aber durchaus zu dekonstruieren seien – wie etwa das „Natur-Argument” (der Zweck von Sexualität sei das Zeugen von Nachkommen) oder das „Schrift-Argument” (Verweis auf Bibelstellen, in denen etwa gleichgeschlechtliches Verhalten verurteilt wird). Geschlechterpolaritäten und gesellschaftliche Ordnungsprinzipien seien der Hintergrund dieser Argumentation, die für queere Menschen keinen Platz ließe. Der Mensch sei zwar eine Spezies, die sich zweigeschlechtlich fortpflanze. „Das bedeutet aber nicht, dass es keine Uneindeutigkeiten gibt. Es gibt ein Spektrum, und das haben wir als Varianten menschlicher Existenz zur Kenntnis zu nehmen.” Dem zweiten Argument nahm Goertz den Wind aus den Segeln, indem er feststellte, dass man Moral nicht auf einzelne Passagen der Heiligen Schrift aufsetzen könne: „Warum kann Satz A gelten, Satz B aber nicht mehr? Nicht die Bibel legt die Moral aus, sondern die Moral die Bibel.”
In der christlichen Überlieferung erkenne er durchaus queer-freundliche Tendenzen. „Freiheitsrechte entsprechen zutiefst christlichen Ansichten von der Würde des Menschen. Unterscheidungsmerkmale zwischen den Geschlechtern dürfen kein Grund für Diskriminierung sein!”
Weitere Informationen zum Thema gibt es beim Arbeitskreis Queer im Bistum Trier: www.bistum-trier.de/teilprozessgruppen-arbeitsgruppen/arbeitsgruppen/lsbtiq/.
(ih)