Ronja Knopp hat während des Freiwilligendienstes in Bolivien viele Freunde gefunden :Ein zweites Zuhause auf der anderen Seite der Welt
Bullay/Bolivien – Vor etwas mehr als einem Jahr ist die heute 20-jährige Ronja Knopp aus Bullay in ihr persönliches Abenteuer gestartet: Einen Freiwilligendienst im Hochlands Boliviens, wo sie Kinder und Jugendliche betreut hat. Warum sie keine Sekunde bereut und jetzt eine zweite Heimat auf der anderen Seite der Welt gefunden hat, berichtet sie nach ihrer Rückkehr.
Es gibt inzwischen viele Anbieter auf dem bei jungen Leuten beliebten Markt freiwilliger Auslandsaufenthalte für den guten Zweck. Von zweimonatigen Aufräumaktionen an Stränden bis zu Schulunterricht in Afrika ist dort alles dabei. Doch diese Konzepte sind nicht unumstritten. Das Problem: Oft machen sich die Freiwilligen mit einer gewissen Haltung auf den Weg – und teils mit falschen Erwartungen, wie auch Ronja weiß. „Da ging es eigentlich allen in meiner Gruppe ähnlich. Wenn man anfängt, sich mit der Idee Freiwilligendienst zu beschäftigen, ist das oft von so einem Gedanken geprägt, dass man irgendwo hingeht und Leuten helfen oder sie etwas lehren möchte. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, aber man sollte das einfach hinterfragen. Denn du kommst in ein komplett fremdes Land – da bist du erstmal diejenige, die keinen Plan hat und die alles erklärt bekommen muss und die ja erstmal nicht qualifiziert ist.“ Solche und viele andere Fragen und Themen von der Sicherheit bis zur Gesundheitsvorsorge konnten Ronja und die anderen ihres Jahrgangs in den Vorbereitungsseminaren von SoFiA besprechen. Der Verein für die Organisation von Friedensdiensten im Ausland wird vom Bistum Trier und der Caritas getragen und legt Wert darauf, die jungen Leute bestmöglich auf ihre Dienste vorzubereiten und ein realistisches Bild zu vermitteln, wie Geschäftsführerin Susanne Kiefer betont.
Ronja hatte schon während ihrer Schulzeit auf dem Max Planck Gymnasium Trier durch ihren ehemaligen Religionslehrer von SoFiA erfahren. Nach dem Abitur 2023 erinnerte sie sich daran und fasste recht spontan den Entschluss, sich dort zu bewerben. „Ich hab‘ eh Interesse an anderen Ländern und Kulturen, da hat mich meine Mutter ein bisschen geprägt. Als ich zehn Jahre alt war, hat sie mich zum Beispiel ganz spontan auf eine Rucksackreise durch Malaysia mitgenommen.“ Gesagt getan – zwar war der Schnupperkurs bei SoFiA schon vorüber, aber Ronja konnte noch einen Platz in einer Einrichtung im Hochland Boliviens ergattern, rund zwei Stunden von La Paz entfernt. In dieser Millionenstadt auf 3.600 Metern Höhe lebte Ronja im ersten Monat bei einer Gastfamilie. Mit fünf anderen Freiwilligen besuchte sie dort erstmal einen Spanischkurs. „Viel gelernt habe ich damals allerdings nicht, weil meine Gastfamilie Deutsch und Englisch sprach“, lacht Ronja. „Das kam dann später.“ Und zwar in ihrem neuen „zweiten Zuhause“, wie sie ihren Einsatzort Patacamaya heute liebevoll nennt. Die Stadt hat rund 25.000 Einwohner mit mindestens fünf Schulen. Neben einem der Schulgelände arbeitet Ronja für ein Jahr im „Comedor de Niños“, übersetzt einer Art „Kantine für Kinder“, in der Kinder von 3 bis 18 Jahren mittags ein warmes Essen bekommen und für ein paar Stunden bleiben können. „Meine Aufgaben waren vor allem das Zubereiten des Essens mit den Köchinnen am Vormittag, dann das Mittagessen mit den Kindern und anschließend auch noch die Betreuung. Vor allem mit den Jüngeren habe ich viel gemalt oder auch mal was gespielt“, berichtet Ronja. Der dritte Part war dann das anschließende Putzen der Räume. „Wir hatten einige Waisenkinder dabei und ansonsten sehr viele, deren Eltern eben den ganzen Tag arbeiten müssen. Die stehen teils nachts um drei auf, um dann mit ihren Waren auf die Märkte in der Großstadt zu fahren. Daher das Angebot der Kirche vor Ort.“
Während Ronja in einem kleinen Appartement in einer Art Seminarhaus für Priester wohnte, teilte sie sich Küche und Wohnbereich mit den Schwestern eines Ordens im Nachbargebäude. Die drei Nonnen mit ganz unterschiedlichem Charakter seien ihr rasch ans Herz gewachsen: „Mit meiner Chefin habe ich abends immer gekocht und geredet, mit der anderen oft gebacken und mit der dritten habe ich Musik gemacht.” Begleitet wurde sie vor Ort von einer Mentorin, Mayra, die zu einer ihrer besten Freundinnen wurde, sagt Ronja. Sie arbeitet bei einem Notar und war selbst einmal als Freiwillige in Deutschland. „Durch sie bin ich in einen netten Freundeskreis gekommen.“
Kirche hat Ronja in ihrer Zeit in Bolivien neu erlebt. Sie sei viel präsenter im Leben der Menschen, außerdem herrsche nicht so eine Distanz etwa zwischen Bischöfen und den Menschen vom Dorf. „Die Bischöfe und auch Priester sind viel unterwegs. Ich durfte einige Priester auf Touren in kleinere Dörfer begleiten oder wurde eingeladen, wo die Leute teils nur die indigene Sprache Aymara sprechen. Ich erinnere mich daran, wie einer der Priester und ich abends mit Mützen draußen saßen und Cocablätter kauten und über Gott und die Welt redeten.“ Ein ganz besonderer Höhepunkt für Ronja, die sich für Kunst begeistert: „Einer der Priester hat mich gebeten, die Kirche seiner Gemeinde zu bemalen.“ So malte sie also Szenen der Geschichte um die Marienerscheinung im portugiesischen Fatima auf die Wände. Dass ihre Malerei nun eine Kirche in Bolivien zieren, könne sie selbst kaum glauben. Acht der neun Bundesländer Boliviens hat Ronja bereist, mit der Partnerschaftskommission des Bistums Trier, aber auch privat mit den anderen deutschen Freiwilligen.
Und gab es auch einen Kulturschock für Ronja? „Vorher war ich ein überpünktlicher Mensch, da bin ich jetzt entspannter, denn da muss man sich in Bolivien dran gewöhnen. Man sagt um halb drei Treffen und deine Freunde kommen um fünf.“ Als Vegetarierin überlegte Ronja sich vorher, dass sie in Bolivien auch Fleisch essen würde. Denn das gemeinsame Essen sei ein wichtiger kultureller Faktor und die meisten Gerichte werden mit Fleisch zubereitet. Anders als einige andere Freiwillige hat sie aber auch nach ihrer Rückkehr keinen umgekehrten Kulturschock erlebt. „Ich wohne derzeit wieder zu Hause und überbrücke die Zeit bis zu meinem Psychologiestudium mit Arbeiten in einer Schule und bald in einer Kita. Ich weiß Dinge aus Bolivien zu schätzen und andere sind eben hier besser. Was mich aber wirklich glücklich macht: Ich habe auf einem ganz anderen Kontinent Kontakte, wo ich willkommen bin, eine zweite Heimat gefunden.“