125 Jahre Landesblindenschule Neuwied :Eine besondere Schulgemeinschaft feiert Geburtstag
Neuwied – Wie feiert man 125 Jahre an einem Tag? Vor dieser Herausforderung stand Schul- und Einrichtungsleiterin Valérie Jülich-Albeck, die mit ihrem Team das Jubiläum der Blindenschule Neuwied auf die Beine gestellt hat. Schon am Samstagmorgen, 22. Juni, ist viel los auf dem Gelände und die Aula ist ausgebucht. „Es ist ein besonderer Tag für uns alle“, sagt die Rektorin in ihrer Rede und begrüßt souverän die Gäste, darunter die Staatssekretärin für Bildung in Rheinland-Pfalz, Bettina Brück, den Vizepräsidenten des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung, Michael Scharping sowie Neuwieds Oberbürgermeister Jan Einig. Die weiteste Anreise habe aber die Direktorin ihrer polnischen Partnerschule gehabt, stellte sie anerkennend fest.
Als Bereicherung empfindet Oberbürgermeister Jan Einig die Blindenschule in der Stadt. Zum Ausdruck bringt er dieses Gefühl nicht nur in seiner Rede, sondern auch mit einem Geschenk, das er Jülich-Albeck überreicht. „Ein Bild, das die Silhouette der Stadt zeigt und aus deren Stadtbild die Landesblindenschule nicht mehr wegzudenken ist“ erklärt er. In Ihrer Festrede lässt Brück das Gründungsjahr 1899 geschichtlich Revue passieren. Eine der besten Errungenschaften für Neuwied sei die Gründung der Schule gewesen, mit dem Ziel, blinde und sehbehinderte Kinder zu bilden und fördern. Heute hat sich die Schule als Zentrum der Vielfalt mit einem multiprofessionellen Team etabliert. Die Einrichtung umfasst Frühförderung, Kita, Schule, Beratung & Unterstützung und Internat. Der Dienst an der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte sei Berufung. Doch die Schülerinnen und Schüler seien es, die dieses Gebäude mit Leben füllten, ist sich die Staatssekretärin sicher. Und das tun sie auch am Festtag.
Viele Schülerinnen und Schüler mit absolutem Gehör
In einem Sommerkleid steht Marie, eine Schülerin, auf der Bühne. „Du & Ich“ von Clueso – mit diesem Lied unterhält sie das Publikum, genießt die Aufmerksamkeit und man spürt, die Bühne gehört ihr. „Marie, du hast gesungen, getanzt und uns damit allen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert“, sagt die Moderatorin Anja Ait-Nouh. Das ist eine besondere Gabe der Schülerinnen und Schüler: Dadurch, dass das Sehen fehlt oder nur ein schwaches Sehvermögen vorhanden ist, haben viele von ihnen ein absolutes Gehör. „Wir holen die Kinder dort ab, wo sie stehen, und sehen gleichzeitig den Fachkräftemangel als Herausforderung“, erklärt Schul- und Einrichtungsleiterin Jülich-Albeck. Viele ehemalige Schülerinnen und Schüler, ehemalige Mitarbeitende und mit der Einrichtung verbundene Menschen waren der Einladung zum Geburtstag gefolgt. Einige berichten der Leiterin stolz, dass sie inzwischen Arbeit gefunden haben, einer von ihnen beispielsweise als Kundenberater eines größeren Mobilfunkanbieters. „Hätten Sie das gedacht“, fragt er und grinst.
„Raum der Stille” als Rückzugsort - Bistum unterstützt bei Trauerarbeit
Nur in einem Raum ist es auch an diesem quirligen Tag ausgesprochen ruhig. „Wir befinden uns im Raum der Stille“, erklärt Meike Drefs. Sie ist Förderschullehrerin und leitet seit Jahren die Trauer-AG. Für die Trauerarbeit, aber auch zur Meditation für den Ethik- oder Religionsunterricht steht dieser Rückzugsort zur Verfügung. „Wir sind ein Team aus elf Mitarbeitenden, darunter zwei Seelsorger, die in der Trauerarbeit begleiten. Dadurch, dass wir viele kranke oder beeinträchtige Kinder unter uns haben, kommt es auch vor, dass wir uns von Kindern verabschieden müssen“, sagt Drefs. Über die Trauer-AG und ihre Seelsorger besteht eine Kooperation mit dem Bistum Trier. Das Bistum hat den Raum der Stille im Jahr 2021 mit 2.000 Euro bezuschusst. Aktuell sind Kunstwerke von Bildhauer und Diakon Ralf Knoblauch im Raum ausgestellt. Zu sehen und fühlen sind Königsskulpturen und Würdetäfelchen, die anlässlich des 75. Geburtstags des Grundgesetzes entstanden sind.
Bis in den späten Nachmittag hält sich die gute Laune auf dem Schulgelände und das beschwingte Fest trägt die Gemeinschaft mit Sicherheit auch noch eine Weile mit durch den Alltag, der oft eher geprägt ist von einer Außenseiterrolle.