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Koblenzer Hochschulseelsorger geht nach 39 Jahren in Ruhestand:Eine große Neugierde auf Menschen und Themen

Wie sehr sich das studentische Leben verändert hat, kann Pastoralreferent Guido Groß nach 39 Jahren in der Hochschulseelsorge gut beurteilen.
Guido Groß war fast vier Jahrzehnte lang Hochschulseelsorger in Koblenz.
Datum:
27. Aug. 2024
Von:
Julia Fröder

Koblenz – Fast 40 Jahre Hochschulseelsorger in Koblenz zu sein – das sei nicht sein Plan gewesen, betont Guido Groß. Doch dann ist es eben passiert, dass er sein Berufsleben nach dem Theologiestudium in Freiburg und Trier am Deutschen Eck verbracht hat. Als Student habe er selbst gute Erfahrungen mit der Katholischen Hochschulseelsorge (KHG) gemacht, daher fiel es dem gebürtigen Saarländer leicht, diesen Job anzunehmen und seinen Lebensmittelpunkt in den Koblenzer Stadtteil Lay zu legen. „Es passte zu 100 Prozent.“ Jetzt heißt es für den 65-Jährigen Abschiednehmen.

„Die KHG ist meine Leidenschaft“, das kann Groß auch nach 39 Jahren immer noch sagen. „Die Freude an der Arbeit, den Themen und den Menschen hat nie aufgehört.“ Grundlage seiner Arbeit seien drei Schwerpunkte gewesen: 1. Da sein – durch religiöse-spirituelle Angebote, ökumenische Gottesdienste, aber auch in Form von seelsorglichen Gesprächen. 2. Verkündigung des Evangeliums – was sich im ersten Moment nach Missionierung anhört, sei anders zu verstehen: „Wenn ich gefragt werde, warum ich an Gott glaube, beantworte ich das gerne“, aber es gehe nie darum, ungefragt, Menschen etwas aufzudrücken. 3. Die Zusammenarbeit mit anderen, die sich für das Wohl des Menschen einsetzen, das schließe besonders die unterschiedlichen Professionen an der Hochschule und Universität mit ein.

"Die Studierenden befinden sich in einem ständigen Leistungs- und Lerndruck."

Guido Groß, Hochschulseelsorger

„Wir haben gemeinsam mit Lehrenden unterschiedliche Veranstaltungen organisiert im Bereich von Gerechtigkeit, Politik sowie interreligiösem und kulturellem Dialog“, blickt Groß im Büro der KHG zwischen der Herz-Jesu-Kirche und dem Löhr-Center im Herzen der Koblenzer Innenstadt zurück auf das gute Miteineinander. Dabei sei es selbstverständlich, dass die Hochschulen säkulare Orte bleiben. „Aber wir sind präsent, beispielsweise durch Veranstaltungen und nehmen gerne Impulse aus dem Hochschul-Leben auf“, wie vor etwa 15 Jahren, als die bisherigen Diplom- und Magisterstudiengänge auf das Bachelor/Master-System umgestellt wurden. „Da haben wir zusammen mit den Lehrenden Ringvorlesungen zum Thema Bildung veranstaltet, weil es uns als KHG ebenfalls wichtig ist, Hochschulen nicht als Lernfabriken zu verstehen. Es geht in der Studentenzeit unter anderem auch darum, seinen eigenen Horizont zu erweitern.“ Das „verschulte“ System lasse kaum Spielraum, „um über den eigenen Tellerrand, den eigenen Studiengang hinauszuschauen. Und die Studierenden befinden sich in einem ständigen Leistungs- und Lerndruck“, kritisiert der Pastoralreferent die Veränderungen. „Was sie für ihr Leben wollen, gerät völlig aus dem Fokus. Das tut mir weh“, gibt Groß offen zu. Er rate den jungen Menschen, sich weniger Druck zu machen und „schaut, dass ihr euren eigenen Weg geht.“

„Kein frommer Verein“

Bei den unterschiedlichen Aktivitäten und Veranstaltungen kooperiert die KHG nicht nur mit den Hochschulen, sondern auch mit den evangelischen Kolleg*innen. „Wir machen viel gemeinsam, wie Gottesdienste, Studienfahrten, Gesprächsabende und einmal pro Woche sind wir gemeinsam in den Hochschulen präsent, bieten kleine Aktionen und ein offenes Ohr an. Dabei entstehen manchmal gute Gespräche und Anregungen.“ So hatte die KHG ein Gesprächsangebot unmittelbar nach den Anschlägen in Paris auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ initiiert. „Da kamen besonders viele muslimische Menschen zusammen. Wir haben über ihre Gefühle gesprochen.“ Dies sei eines von vielen Beispielen, das verdeutliche, dass es sich bei der KHG nicht um einen „frommen Verein handelt, der sich nur um sich selbst dreht.“ Das zeige sich auch an dem Sozialfonds für ausländische Studierende. „Sie bekommen oft keine finanzielle Unterstützung von Zuhause und sind daher häufig hoch verschuldet“, berichtet Groß. Der Sozialfonds kann den jungen Menschen unter die Arme greifen. Die KHG unterstützt darüber hinaus auch die studentische Initiative „KüfA“ („Küche für Alle“) als Kooperationspartner. „Es geht darum, dass hier alle zusammenkommen können und gemeinsam essen.“ Die monatlichen Treffen mit bis zu 100 Personen finden in den Räumen der KHG statt.

„Unruhiger“ Ruhestand?

Ich habe immer eine große Neugierde auf Menschen gehabt, einen großen Antrieb, diese kennenzulernen und ein großes Interesse an Themen und Inhalten – das konnte ich hier gut verbinden.“ Themenabende zum Naturschutz, Organspende, Verschuldung, Wirtschaft, Astronomie oder Glaube und Politik mit Expert*innen hat die KHG schon angeboten.

Sein Nachfolger, Pastoralreferent Dr. Oliver Jan Wolff, der bislang an Schulen katholische Religion unter anderem in Koblenz und Neustadt/Wied unterrichtete, steht in den Startlöchern und kann dabei auf die Kompetenzen von Groß zurückgreifen – „wenn er das will“. Gerne würde Groß weiterhin Stadtführungen für Studierende, Weinproben und Wanderungen für die Hochschulgemeinde anbieten. Fest steht schon, dass er sich wie bisher in der Redaktion der Reihe „TeDeum – Das Stundengebet im Alltag“ einbringen wird, wie auch in dem Angebot „Rollenwechsel – Kirche und Film“ oder der Veranstaltungsreihe „Katholisches Forum“. Die neue Zeit will er aber auch dazu nutzen, wieder häufiger zu wandern. „Ich bleibe hier und bin weiterhin aktiv“, schaut er in den nahenden Ruhestand, der scheinbar gar nicht mal so ruhig für Groß wird.