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Gedenkveranstaltungen anlässlich der Opfer der Reichspogromnacht:Gegen das Vergessen

Bei vielen Gedenkfeiern wird an die Opfer der "Reichspogromnacht" vom 9. auf den 10. November 1938 gedacht. Einen kleinen Überblick über Veranstaltungen rund um Trier, Saarbrücken und Koblenz gibt es hier.
Die Menora in der Koblenzer Synagoge.
Datum:
2. Nov. 2018
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier/Saarbrücken/Koblenz – „Als Christen wollen wir eintreten für Toleranz und ein Miteinander in Respekt und Solidarität“, begründet Rudolf Demerath, Gemeindereferent in der Pfarreiengemeinschaft Untermosel-Hunsrück, das Engagement der katholischen und evangelischen Gemeinde für das Gedenken an die sogenannte „Reichspogromnacht“.

In dieser Nacht wurden mehr als 1400 jüdische Gotteshäuser, Versammlungssäle und Friedhöfe sowie zahlreiche Geschäfte und Wohnungen zerstört und geplündert. Rund 400 Juden wurden getötet. Viele regionale Initiativen und Gruppen widmen sich dem Gedenken und dem Wachhalten der mahnenden Erinnerung an die Ereignisse der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. So finden im gesamten Bistum Trier unterschiedliche Veranstaltungen, auch in Zusammenarbeit mit den christlichen Kirchen, statt.

„Wir als Kirche wollen ein Zeichen setzen und wachsam gegenüber Rassismus und Diskriminierung sein“, sagt Demerath aus Niederfell. Die Gedenkgottesdienste an der Untermosel finden in Zusammenarbeit mit dem ökumenischen Arbeitskreis „Gegen das Vergessen“, mit der Pfarreiengemeinschaft Ochtendung-Kobern, dem Dekanat Maifeld-Untermosel, der Realschule plus und der Fachoberschule Kobern-Gondorf und der Volkshochschule statt. „Wir haben uns als Netzwerk zusammengetan, da wir beunruhigt sind. Wir sind erschrocken über den auflebenden Antisemitismus“, erklärt Demerath.

Auch das Herz-Jesu Haus Kühr, ein Zentrum für Menschen mit geistiger Behinderung, beteiligt sich mit einer ökumenischen Gedenkfeier (17.30 Uhr). Sie erinnert an die 150 von hier abtransportierten und ermordeten Frauen. In diesen Kirchen finden ökumenische Gedenkfeiern jeweils um 18.30 Uhr statt: Alken (Pfarrkirche St. Michael), Brodenbach (Alte Synagoge), Burgen (Pfarrkirche St. Sebastian), Dieblich (Pfarrkirche St. Johannes Ap.), Hatzenport (Pfarrkirche St. Johannes & St. Rochus), Kobern (Pfarrkirche St. Lubentius), Lehmen (Pfarrkirche St. Castor), Löf (Pfarrkirche St. Luzia), Nörtershausen (Pfarrkirche St. Antonius Abt), Oberfell (Pfarrkirche St. Nikolaus) und Winningen (Evangelische Kirche). In den genannten Kirchen läuten die Glocken von 18.15 bis 18.25 Uhr zum Gedenken.

Gedenken im Visitationsbezirk Koblenz

Anneliese Cohn hat die Ursulinenschule in Koblenz besucht. Ihr Vater besaß ein Schuhgeschäft in der Altstadt. Die Familie war jüdisch. Der Laden wurde "arisiert" und Anneliese fiel dem Holocaust zum Opfer. Mit diesem und gut 40 weiteren Schicksalen jüdischer Schülerinnen haben sich Elly Dührkoop und Lara Sauer im Rahmen des pädagogischen Gedenktages zur Erinnerung an die „Reichspogromnacht“ befasst. „Unsere Schule, damals noch die Ursulinenschule, besuchten in den Jahren 1933 bis 1938 mehr als 20 jüdische Mädchen“, berichtet der Leiter des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums, Carl Josef Reitz. „Nach den Novemberpogromen  war es jüdischen Kindern verboten, deutsche Schulen zu besuchen.“

Elly und Lara gehen in die zehnte Klasse des Gymnasiums. Sie haben mit vielen weiteren Schülern und einem zehnköpfigen Team aus Schulleitung, Schulseelsorgern und Lehrkräften den Gedenktag vorbereitet. Die beiden Mädchen widmeten sich der Aktualisierung einer Liste von jüdischen Schülerinnen; neben Daten zu Wohnorten und Geburtstagen haben sie einzelne Schicksale beleuchtet – soweit diese recherchierbar waren. „Zu einer Person konnten wir leider nichts finden. Ich finde es schade, dass noch nicht alles aufgeklärt ist“, sagt Lara. „Die Arbeit ist uns nah gegangen, da die Mädchen auf unsere Schule waren“, so Elly. Lebensbilder plastisch vor Augen zu haben, sei auch ein Ziel des Tages, erklärt Reitz.

Die Schule übernimmt eine Patenschaft für den "Stolperstein", der an Familie Cohn erinnert. „Wir werden diesen pflegen und so die Verantwortung übernehmen, das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten“, berichtet Elisabeth Dingendorf. Sie hat gemeinsam mit vier weiteren Schülern aus dem Geschichtsleistungskurs über das Leben dieser Familie geforscht.

Einige Mitglieder der Projektgruppe vor der Gedenktafel.

Der Gedenktag dient der Erinnerung und ist auch in die Zukunft gerichtet. „Es soll ein Impuls sein, für mehr Toleranz einzutreten. Wir wollen Flagge zeigen“, betont Reitz. Daher haben die Schüler für den anstehenden Adventsbasar das Motto „Hand in Hand für Menschlichkeit #wirsindmehr“ gewählt. „Es ist ein Ruf nach einer menschlichen Gesellschaft“, sagt der Schulleiter. Weitere Projektgruppen widmeten sich unter anderem den Themen „Sinti und Roma“, „Konzentrationslager“ und „Antisemitismus heute“. Die Ergebnisse und Lebensbeschreibungen von Koblenzer Bürgern fließen in eine Ausstellung in der Schule ein. Daneben gibt es einen Gedenkgottesdienst und weitere Angebote.

Ebenfalls in Koblenz veranstaltet der Verein Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit eine Christlich-Jüdische Gedenkstunde in Erinnerung an die „Reichspogromnacht“. Sie findet am 11. November um 15 Uhr in der Koblenzer Synagoge (Ecke Schlachthofstraße/Schwerstraße) statt. Anschließend wird auf dem jüdischen Friedhof der Opfer gedacht und ein Kranz an der Stele niedergelegt. „Wir wollen den Dialog zwischen Juden und Christen fördern und zu einem partnerschaftli­chen Ver­hält­nis beitragen“, erklärt der Vorsitzende Wolfgang Hüllstrung.

In Koblenz findet darüber hinaus ein Gottesdienst am 9. November um 19 Uhr in der Citykirche (Jesuitenplatz) statt, gestaltet vom Dekanat Koblenz, dem Evangelischen Kirchenkreis und der Alt-Katholischen Pfarrgemeinde St. Jakobus. Bereits um 17.30 Uhr beginnt ein Gedenkgang. Treffpunkt ist der Bürresheimer Hof am Florinsmarkt. Den Gedankgang organisiert der Förderverein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz.

Mit einer Filmnacht unter dem Titel "Als die Synagogen brannten" gedenken die Menschen in der Andernacher Christuskirche (Hochstrasse 86) am 9. November ab 19 Uhr den Opfern der Reichspogromnacht.Es werden der Kurzfilm “Spielzeugland” (19 Uhr), die NDR-Dokumentation “Als die Synagogen brannten” (19.45 Uhr) und der Spielfilm “Sarahs Schlüssel” (21 Uhr) gezeigt. Der Eintritt ist frei. Organisiert wird dieser Abend von der Bürgerinitiative "Erinnern".

Veranstaltungen in Trier und Wittlich

Auch im Visitationsbezirk Trier sind Gedenkfeiern geplant: In Wittlich lädt das Emil-Frank-Institut am 9. November um 17 Uhr zu einer Mahnwache und zur Kranzniederlegung um 18 Uhr an der Synagoge Wittlich ein; anschließend folgt ein Liederabend in der Kultur- und Tagungsstätte Synagoge. In Trier beginnen die Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Pogromnacht bereits ab Freitag, dem 2. November mit der Ausstellungseröffnung zum „Unbekannten Vernichtungslager Kulmbach“, die bis zum 16. November in der Stadtbibliothek zu sehen ist. Die Veranstaltungen reichen von Führungen zum mittelalterlichen und frühneuzeitlichen jüdischen Leben in Trier, über kommentierte Filmvorführungen und Vorträge der Universität und der Volkshochschule bis einem Theaterstück, das Geschichten von Opfern der Pogromnacht erzählt und Parallelen zu heutigem Rechtsextremismus aufzeigt.

Am 9. November selbst wird es einen Mahngang gegen Antisemitismus und Rassismus ab der Porta Nigra geben, der um 17 Uhr an der Stele am Ort der ehemaligen Synagoge endet, wo ein Kranz niedergelegt und ein Trauergebet gesprochen werden. Um 17.30 Uhr findet eine Veranstaltung zum Gedenken in den Thermen am Viehmarkt statt. Der Tag endet mit einem Schabbat-Gebet um 19 Uhr in der Synagoge in der Kaiserstraße Trier.

Die Trierer Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die Jüdische Kultusgemeinde, das Dekanat Trier und die evangelische Kirchengemeinde laden am Sonntag, 11. November um 17 Uhr zu einer Gemeinschaftsfeier in den Caspar-Olevian-Saal am Willy Brandt-Platz in Trier ein. Am Sonntag, 18. November heißt die Synagoge alle Interessierten ab 11 Uhr bei einem „Tag der Begegnung“ willkommen, bei dem es Klezmer-Musik und ein gemeinsames traditionelles jiddisches Essen geben wird. Weitere Informationen gibt es bei der Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V. Trier, Tel.: 0651-9941017 oder dem Weltladen: Tel.: 0651-9941016, E-Mail: buero@agf-trier.de und online: www.agf-trier.de, Facebook: AG Frieden Trier.

Gedenkfeier in Pachten

 Im Visitationsbezirk Saarbrücken sind Gedenkfeiern geplant: In Pachten findet am Mittwoch, 7. November um 19 Uhr eine Gedenkveranstaltung unter der Überschrift „Nie wieder – Gegen das Vergessen“ im Pfarrheim St. Maximin statt. Die Ansprache hält Landtagspräsident Stephan Toscani unter der Überschrift „Erinnerung, warum und wozu? Impulse für die Gegenwart und Zukunft“. Der Abend findet in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung im Kreis Saarlouis (KEB) und der Lothar-Kahn-Schule Rehlingen-Siersburg statt. Schülerinnen und Schüler stellen ihr Filmprojekt „Wir erinnern für die Zukunft“ vor. Zu einem gemeinsamen ökumenischen Gebet laden der evangelische Pfarrer Martin Ufer, der katholische Pfarrer Gerhard Jakob und der Oberkantor Gerald Rosenfeld von der jüdischen Gemeinde Thionville ein.  Zur Umrahmung führen Thomas Bernardy (Klavier) und Oranna Kasper (Gesang) Lieder des jüdischen Komponisten Friedrich Holländer und des holländischen Liedermachers Herman van Veen sowie ein vertontes Gedicht der jüdischen Dichterin Mascha Kaléko auf.

Für die KEB bildet die Erinnerungsarbeit immer schon einen wichtigen Teil ihrer Arbeit, so soll es auch in Zukunft sein, erklären die Verantwortlichen. In der Selbstverpflichtung der KEB heißt es: „Die KEB im Kreis Saarlouis e. V. verpflichtet sich, wie schon seit ihrer Gründung im Jahre 1971 auch weiterhin daran zu erinnern, dass durch Hass, Gewalt und Krieg sehr viele Menschen sehr vielen Menschen großes Unrecht und großes Leid bis zum Tod zugefügt haben.“ Anmeldungen werden erbeten unter Tel.: 06831 7602 oder info@keb-dillingen.de.

(jf)