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Gesprächsabend mit Michel Friedman füllte Paulus-Kirche in Bad Kreuznach :Hass ist keine Meinung, sondern Gewalt 

Aufgrund des großen Interesses und der vielen Anmeldungen wurde die Veranstaltung "Wir müssen reden" vom Haus des Gastes in die evangelische Paulus-Kirche gelegt.
Der Jurist, Philosoph und Journalist Friedman bannte das Publikum über fast zweieinhalb Stunden.
Datum:
10. Juli 2024
Von:
Julia Fröder

Bad Kreuznach – „Wir müssen reden! Antisemitismus und Judenhass – Herausforderung für unsere Gesellschaft“ – so hat der Titel eines Gesprächsabends mit Dr. Michel Friedman und der Bundestagsabgeordneten Julia Klöckner in Bad Kreuznach gelautet. Aufgrund der hohen Anmeldezahl musste die Veranstaltung vom Haus des Gastes in die evangelische Paulus-Kirche gelegt werden. Eingeladen hatte die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Bad Kreuznach. 

Der Jurist, Philosoph und Journalist bannte das Publikum über fast zweieinhalb Stunden, indem er nicht nur von seinem „Jüdisch-Sein“ berichtete, das nur ein Teil seines vielfältigen Lebens sei, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger warnte: „Judenhass, Ausländerfeindlichkeit – das alles ist Menschenhass und nicht demokratisch. Hass ist keine Meinung, sondern Gewalt.“ Jeder stehe vor der Entscheidung: wähle er eine Partei, die dafür steht, dass „Jeder jemand ist“ oder eine Partei, in der „Einige niemand sind“. Zudem könne jede Person in ihrem Alltag etwas gegen Hass tun. „Wir alle müssen darauf reagieren, wenn über Menschen geredet, gelästert wird, ob im Verein, im Beruf, in der Familie“, forderte Friedman auf. „Denn das Nicht-Widersprechen ist das Ende der Demokratie, in der es eine Streitkultur braucht.“ 

Judenfeindliche Erzählungen 

Michel Friedman (Mitte) und Julia Klöckner (Zweite v. rechts) wurden von Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Bad Kreuznach begrüßt: Abigajil Bock, Franz-Josef Diel (Zweiter v. links) und Markus Becker in der Bad Kreuznacher Paulus-Kirche begrüßt.

„Woher kommt der Judenhass in der Gesellschaft?“ – dieser Frage ging Friedman ebenfalls nach und nahm dabei die christlichen Kirchen in Verantwortung. „Es war die erste Fake-News der Welt: Juden haben Gottes Sohn umgebracht.“ Es habe 2.000 Jahre gedauert, bis die Kirche ihre Lüge eingestanden habe. Auch staatliche Stellen hätten judenfeindliche Erzählungen weiter befeuerten, wie die der „geldgeilen Juden“. Die christlich-jüdische Gesellschaft engagiere sich dafür, dass diese Erzählungen durchbrochen werden. „Daher danke ich unseren Gastgebern“, sagte Friedman mit Blick auf das Engagement des Vereins, der seit 1989 in dieser Form besteht. 

Nach seinem Impulsvortrag ging Friedman im Gespräch mit Klöckner, die unter anderem Mitglied der deutsch-israelischen Gesellschaft ist, auf die aktuelle israelische Politik ein und merkte aber auch scharfsinnig sprachliche Ungenauigkeiten von politischer Seite an, wie die Feiern zu „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, die vor zwei Jahren begangen wurden. „Ich wusste gar nicht, dass es Deutschland schon so lange gibt.“

Michel Friedman im Gespräch mit Julia Klöckner

Doch er fand auch sehr ernste Worte: „Wenn ich nicht mehr überall hingehen kann, ist es nur eine Frage der Zeit, wenn auch du nicht mehr überall hingehen kannst“, richtete er sich direkt an Julia Klöckner, meinte damit aber auch alle Anwesenden in der Kirche. Mit mahnenden Worten an die Menschlichkeit eines jeden Einzelnen schloss Friedman den Abend in Bad Kreuznach. 

Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Katholische Erwachsenenbildung Rhein-Hunsrück-Nahe und in Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Kreuznach statt. Für die musikalische Umrahmung an der Orgel war der katholische Dekanatskantor Klaus Evers verantwortlich.