Koblenz – „Wie lange sind Sie schon hier? Kam das für Sie plötzlich?“– so kann ein Treffen im Büro von Klaus Hamburger beginnen. Er ist katholischer Seelsorger in Koblenz. Doch vor seinem Bürofenster sind Gitter angebracht. Er ist Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) auf der Karthause. Die Inhaftierten sind nicht freiwillig im Gefängnis, aber suchen freiwillig das Gespräch mit dem 64-Jährigen. Es genügt ein Antrag. Bei den Treffen ist er alleine mit den Gefangenen. Entweder in seinem Büro oder in der Zelle des Häftlings. Angst hat Hamburger dabei nicht. Die Menschen dort seien noch nicht verurteilt und „wollen auch nicht riskieren, dass ihre mögliche Strafe durch einen Vorfall in der JVA erhöht wird.“ Ein Urteil fällt er nicht über die Menschen im Gefängnis: „Ich bin kein Richter oder Anwalt.“ Seine Gesprächspartner können sich bei ihm sicher fühlen, denn er gewährt absolutes Stillschweigen. „Kein Richter kann mich dazu zwingen, etwas auszusagen.“ Dies sei auch ein Alleinstellungsmerkmal seiner Tätigkeit. Auch nach fünf Jahren gehe er gerne zu seiner Arbeitsstelle. „Ich bin richtig erfüllt von dieser Arbeit. Ich bekomme ein Geschenk, wenn sich Menschen mir anvertrauen.“ Er empfange auch ganz viel von den Inhaftierten: „Das tut meiner Seele gut.“ Neben dem Seelsorger ist auch ein Diakon in der JVA vor Ort. Sie wechseln sich mit der Gestaltung des samstäglichen Gottesdienstes in der hauseigenen Kapelle ab. Hierzu kommen auch Muslime oder Atheisten. „Mir ist klar, dass viele diesen einstündigen Gottesdienst erst einmal deswegen in Anspruch nehmen, weil sie so aus ihrer Zelle raus kommen“, berichtet Hamburger. Dies sei für viele, neben dem Hofgang, nahezu die einzige Möglichkeit etwas anderes außer ihren vier Wänden auf Zeit zu sehen. Neben der Kommunionausteilung gibt es auch eine Zeit der Stille. Zudem liest er einen Bibeltext vor, über den er auch predigt. „Ich verwende in meiner Predigt einfache Worte, um alle Anwesenden im Gottesdienst miteinzubeziehen – unabhängig von der Religionszugehörigkeit – das geht sehr gut, auch ohne das Christentum zu verleugnen“, erklärt er. Seine Predigten sind auch Thema in einer Gruppe bestehend aus zehn Gefangenen ganz unterschiedlichen Glaubens. „Es ist unglaublich, was den Menschen dort zu meinem Predigttext alles einfällt. Ich versuche auf die Einwürfe einzugehen und immer etwas von ihrem Alltag einzubauen.“ Er komme nämlich nicht, um etwas zu verkünden, sondern um den Menschen zu dienen. Dazu zähle es auch, den Insassen zu verdeutlichen, dass sie trotz ihrer derzeitigen Situation etwas wert seien. „Daher sage ich ihnen, dass ich für sie singe und auch die Orgel für sie spielt.“ Die Art seiner Gottesdienstgestaltung kommt an: „Viele bedanken sich am Schluss des Gottesdienstes.“ Hamburger ist auch für die Angestellten der JVA da. Neben der Gefängnisseelsorge hat er noch eine weitere halbe Stelle in der Krankenhausseelsorge. „Es sind zwei Orte, wo man nie hin will, aber schneller dort ist, als man denkt.“ Bei beiden Stellen begegnet Hamburger den Menschen immer nur für eine gewisse Zeit. Ob seine Arbeit nachhaltig wirkt, weiß der gebürtige Regensburger nicht. Die JVA ist nur eine Durchgangsstation. Nach einer Verurteilung kann es in andere Strafanstalten gehen. Ein ständiger Wechsel. „In dem Sinne habe ich keine Gemeinde, aber eine Schicksalsgemeinschaft.“ (jf)