Theo-Talk:Liturgie soll für Leben der Menschen relevant sein
Trier - Eingeladen hatte – in Kooperation mit der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars, dem Deutschen Liturgischen Institut Trier und dem Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft an der Theologischen Fakultät Trier – die Katholische Erwachsenenbildung (KEB), Fachstellen Trier und Saar-Hochwald. So verwunderte es nicht, dass viele der Zuhörer vom Fach waren.
Für den Referenten war der Vortrag eine Art Heimkehr: Von 1995 bis 1998 leitete er die Wissenschaftliche Bibliothek des Liturgischen Instituts und lehrte an der Universität Trier. „Transformationsprozesse in der Liturgie – die Krise der Kirche und die Folgen“ lautete der Vortragtitel. Kranemann zitierte die Theologen Peter Cornehl und Regina Laudage-Kleeberg.
Während Cornehl 2006 die „Faszination und die beeindruckende Vitalität eines Gottesdienstes“ pries, äußerte sich seine Kollegin deutlich zurückhaltender. Vor etwa einem Jahr stellte sie fest, dass sie aufgrund ihrer angespannten beruflichen und privaten Arbeit ihre wertvolle Zeit am Sonntagmorgen nicht in einem Gottesdienst vergeuden wolle, aus dem sie „uninspiriert, gelangweilt oder sogar verärgert“ hinausgehe.
Dazu sei aus theologischer Sicht viel zu sagen, stellte Kranemann fest. Aus Gesprächen mit Gläubigen wisse er, dass „viele so empfinden, und nicht wenige ihre Kritik noch schärfer formulieren würden“. Die Liturgie der Kirche durchlaufe derzeit zahlreiche Transformationsprozesse. Der Niedergang sei unübersehbar, offenbar unvermeidlich, „und möglicherweise ist ja auch viel Heilsames dabei“. Aber es seien Aufbrüche möglich und schon zu beobachten. Seine Ausführungen untergliederte der Referent in Fragen wie: Vor welchen Problemen steht die katholische Kirche heute, wenn es um den Gottesdienst geht? Wo tun sich Perspektiven für das liturgische Leben auf? Wo sind weitergehende Transformationsprozesse notwendig? Für das Selbstverständnis der Kirche besitze Liturgie eine zentrale Bedeutung, führte Kranemann aus.
Liturgie nicht mehr Quell des Christseins
2021 aber hätten an den Zähl-Sonntagen in Deutschland lediglich 4,3 Prozent der Katholiken den Gottesdienst besucht. „Zwischen 94 und 95 Prozent der katholischen Kirchenmitgliedern mag die Liturgie nicht egal sein, aber sie ist in heutiger Form offensichtlich nicht Höhepunkt und Quell ihres Christseins.“ Etliche Theologen sähen die Kirche am Kipppunkt.
Es sei nicht nur mit leichtem Absinken von Identifikation zu rechnen, sondern mit einem Absturz: „Der Fahrstuhl rast nach unten!“ Und dennoch bestehe Hoffnung. „Liturgie kann Bedeutung besitzen, wenn sie für das Leben von Menschen relevant ist. Wenn sie fragt, ermutigt, tröstet, stärkt.“ Mit Veränderungen in diese Richtungen sieht Kranemann eine Chance für die Zukunft. Aktuell werde insbesondere die Sprache des Gottesdienstes selbst von vielen kirchlichen Mitarbeitern als „fremd, wenig ansprechend, exklusiv, unverständlich und unangemessen“ wahrgenommen. Zudem werde immer wieder der Klerikalismus im Gottesdienst beklagt. „Es gibt eine verbreitete Antipathie gegen eine Form der Leitung von Liturgie, die als dominant, vereinnahmend und bevormundend empfunden wird.“
Die Krise der katholischen Kirche sei auch eine Krise der Liturgie. Und die Krise der Liturgie wiederum wirke zurück auf die Kirche. Die Kirche müsse sich den Herausforderungen stellen, da diese existenzgefährdend seien. Allerdings eröffneten Krisen auch neue Möglichkeiten, erklärte der Referent. Es könnte einen neuen Aufbruch für den Gottesdienst geben. „Liturgie ist in ihrem Kontext zeitbezogenen Änderungen unterworfen.“