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Von der Lage und den Bemühungen in der Corona-Krise im Partnerland Bolivien:„Pandemie-müde, wie viele hier“

Von der Lage und den Bemühungen in der Corona-Krise im Partnerland Bolivien, in dem die Lage nach wie vor ernst ist.
Die Menschen sind in ihrer Existenz bedroht.
Datum:
29. Juli 2020
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier/La Paz – Wie soll ich meine Kinder ernähren, wenn die Einnahmen des kleinen Gemüse-Stands an der Straße wegfallen? Wie das nächstgelegene Krankenhaus in einem Notfall erreichen, wenn ich in einem abgelegenen Bergdorf lebe? Es sind existenzielle Fragen, denen sich die Menschen in Bolivien stellen müssen – nicht nur zu Zeiten der Corona-Pandemie. Doch aktuell trifft sie die Krise besonders hart: Am 24. Juli liegt die Zahl der mit COVID-19 infizierten Patienten bei 65.252, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Die Zahl der Todesfälle wird mit 2.407 angegeben, aber auch hier fehlen aussagekräftige Testergebnisse. Im Vergleich zu Deutschland sei die Zahl der Infizierten im Verhältnis zur Bevölkerung mehr als doppelt so hoch, erklärt Ludwig Kuhn, Leiter der Diözesanstelle Weltkirche im Bistum Trier.

Schulen und Kindergärten sind nach wie vor geschlossen.

Seit 60 Jahren ist die Diözese mit dem südamerikanischen Land partnerschaftlich verbunden – junge Freiwillige leisten hier gegenseitig soziale Dienste, es gibt rege Kontakte zu Seelsorgern, Partnerorganisationen und Orden vor Ort. Kuhn spricht von einer dramatischen Lage: „Das ohnehin schlecht ausgestattete Gesundheitssystem ist überlastet. Mehrere Menschen haben unseren Partnerorganisationen berichtet, auch mit Symptomen zehn Tage lang auf einen Test und eine Behandlung gewartet zu haben. Die Beerdigungsinstitute sind überlastet. Insbesondere aus den Großstädten El Alto und Cochabamba berichten unsere Partner, dass Tote einfach auf der Straße oder zu Hause liegen bleiben, da die Angehörigen die Beerdigungen nicht organisieren können.“ Während es zunächst einen Lockdown mit rigiden Maßnahmen wie einer strengen Ausgangssperre gab, wurden die Beschränkungen Anfang Mai gelockert – Städte und Landkreise können nun teilweise selbst Regelungen treffen.

Für die Menschen dort sei es schwer, sich an Ausgangsbeschränkungen und die Maskenpflicht zu halten, berichtet auch Cecilia Dörfelt, die Geschäftsführerin der Partnerschaftskommission in La Paz. „Diejenigen, die das Virus am meisten betrifft, sind die Menschen, die im informellen Sektor arbeiten. Denn ihre Einkünfte fallen plötzlich weg.“ In den Ländern Lateinamerikas betrifft das laut Schätzungen der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) immerhin über 50 Prozent der Menschen, die sich als Tagelöhner, Hilfsarbeiter oder als Familie mit der Herstellung einfacher Produkte verdingen. „Die Menschen sind einfach gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, sonst haben sie schlichtweg nichts zu essen“, stellt Kuhn den Ernst der Lage dar. Zudem seien Kindergärten, Schulen und Universitäten weiterhin geschlossen und die Reiseverbindungen in die Nachbarländer unterbrochen. Besonders besorgniserregend sei die Beobachtung, dass sich Gewalttaten innerhalb von Familien, insbesondere gegen Kinder und Frauen, häuften.  Die bolivianische Bischofskonferenz bezog dazu Stellung und verurteilte die Zunahme an Gewalt. Mithilfe unterschiedlichster kirchlicher Stellen macht sie sich für die Rechte der Frauen und Kinder stark. Während die bolivianische Kirche bereits mit dem Bischof El Altos, Eugenio Scarpellini, und dem Pfarrer Mario Valda aus dem Bistum La Paz zwei Corona-Opfer zu beklagen habe, gehe es den beiden in Bolivien lebenden Geistlichen aus dem Bistum Trier, Pfarrer Konrad Lisowski und dem Pfarrer im Ruhestand Heribert Latz, gut, berichtet Kuhn.

Die Stadt Santa Cruz ist von der Pandemie besonders stark betroffen.

Solidaritätsaktionen helfen den direkt betroffenen Menschen

In vielen Gemeinden und Bistümern gebe es in Bolivien Solidaritätsaktionen für betroffene Familien, Menschen in Heimen oder in Gefängnissen, die mit Lebensmittelspenden und Hilfspaketen versorgt werden. Für die jeweiligen Initiativen in den Diözesen hat die Bischofskonferenz unter anderem mit Mitteln der Bolivienpartnerschaft des Bistums einen Fonds von über 60.000 US-Dollar eingerichtet, mit dem die Hilfsprojekte der Bistümer unterstützt werden. Außerdem konnten 1.000 Schutzanzüge für Pflegepersonal und Ärzte angeschafft werden, damit eine Übertragung des Virus bei der Pflege von COVID-19-Patienten verhindert werden kann. In der von der Pandemie besonders stark betroffenen Stadt Santa Cruz hat das Erzbistum in seinem „Hospital Católico“ eine separate Station für Corona-Infizierte eingerichtet. Gemeinsam mit dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier und der Bolivianischen Botschaft in Berlin konnte die Diözesanstelle Weltkirche des Bistums Trier auch hierbei helfen: So wurden Infusionspumpen und Sauerstoffsensoren für 9 Intensivbetten nach Bolivien gespendet und die Abteilung auf 23 Betten erweitert. Vor allem Beatmungsgeräte werden aber zur Ausstattung weiterer Plätze dringend benötigt, wie Kuhn unterstreicht. (siehe auch Interview mit Markus Leineweber, Hausoberer des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder).

Bedingt durch die schlechte Infrastruktur ist das Gesundheitswesen Boliviens vor ganz andere Herausforderungen gestellt als das deutsche, erläutert Kuhn. So sei etwa im Krankenhaus von Riberalta die Versorgung mit Sauerstoffflaschen schwierig, da der Transport aus der nächstgrößeren Stadt Trinidad zwei Tage benötige. Die Caritas Riberalta habe mit Mitteln der Bolivienpartnerschaft und anderer Zuschüsse nun ein Gerät zur Sauerstoffproduktion vor Ort anschaffen können. Eugenio Coter, der Bischof von Pando, berichtet: „Seit Mitte Juli ist die Maschine zur Sauerstofferzeugung aktiv. Wir vertrauen darauf, dass dies viele Leben retten kann.“ Der Bischof berichtet auch von ungewöhnlichen Strategien, mit der Pandemie umzugehen: So hätten sich einige indigene Völker für die Selbstisolation entschieden. „Wir nutzen weiterhin virtuelle Kommunikationsmittel. Da wir wissen, dass sie kein Gesundheitssystem vor Ort haben, respektieren wir ihre Entscheidung, alle Kontakte und Beziehungen abzubrechen, da wir sie nicht mit dem Coronavirus anstecken möchten.“ Trotzdem habe sein Vikariat (ähnlich einem Bistum) etwa 35 Tonnen Hilfsgüter auf dem Land verteilen können.

Fehlende Infrastruktur im ganzen Land

Fehlende Infrastruktur, ein schlecht vorbereitetes Gesundheitswesen, eine riesige soziale Schere zwischen Arm und Reich: Die Voraussetzungen in Bolivien, mit der Corona-Krise umzugehen, sind nicht die besten. Das Engagement in der Krise der Pandemie sei anstrengend und belastend, erklärt auch der Caritasdirektor von Santa Cruz, Pfarrer Christian Müßig aus Deutschland. „Ich bin Pandemie-müde, wie viele hier.“

Wer die Bolivienpartnerschaft unterstützen möchte, kann dies mit Spenden tun: Konto: Bistum Trier – Bolivienpartnerschaft; IBAN: DE62 3706 0193 3007 8480 47; Spendenvermerk: 300 057 Corona-Hilfe.

Zudem rufen die Deutsche Bischofskonferenz, die Bistümer, Orden und Hilfswerke zum Sonntag der Solidarität am 6. September auf – mit einer Sonderkollekte für Leidtragende der Pandemie weltweit. Schon jetzt kann auch hier gespendet werden: Darlehnskasse Münster, IBAN DE53 4006 0265 0003 8383 03, GENODEM1DKM.

(sb)