Podiumsdiskussion zu Entwicklungszusammenarbeit und Weltwirtschaft:Partnerschaft statt Entwicklungshilfe
Püttlingen – „Gemeinsam die Zukunft des Planeten schützen“, das ist die zentrale Herausforderung für die künftige kirchliche Entwicklungszusammenarbeit. Dieses Ziel sei ohne „Umkehr bei der Art wie wir wirtschaften und wie wir die Menschen des Südens beteiligen“ nicht zu erreichen, sagte Ludwig Kuhn, Leiter der Diözesanstelle Weltkirche im Bistum Trier und damit auch zuständig für die Partnerschaftsarbeit des Bistums mit Bolivien, am 29. Oktober in Püttlingen. Kuhn war einer der Experten, die auf Einladung der Union-Stiftung im Geistlichen Zentrum Püttlingen zum Thema „Globale Weltwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit“ diskutierten.
Mit im Podium war der Völklinger Kaplan Dr. Michael Meyer, der acht Jahre lang in Bolivien die Partnerschaftsarbeit der bolivianischen Kirche mit den Bistümern Trier und Hildesheim koordinierte, und Dr. Anton Markmiller aus Berlin, ehemaliger Bundesvorsitzender der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg, Leiter der Vorbereitung beim Deutschen Entwicklungsdienst, Hauptgeschäftsführer von CARE Deutschland-Luxemburg und Leiter des Instituts für Internationale Zusammenarbeit des Deutschen Volkshochschulverbandes. Moderatorin war Nelly Theobald vom Saarländischen Rundfunk. Die Podiumsdiskussion fand zum 25-jährigen Jubiläum der Püttlinger Kardinal-Maurer-Gesellschaft statt. Die finanziert und fördert das Siedlungswerk des - in Püttlingen geborenen - ehemaligen bolivianischen Kardinals Josef Maurer. Das Siedlungswerk baut kleine Einfamilienhäuser, die von bedürftigen kinderreichen Familien oder Alleinerziehenden mit Hilfe von zinslosen Darlehen erworben werden können.
Eine „bemerkenswerte Leistung“ nannte Markmiller die Arbeit des Siedlungswerkes. Er erinnerte aber auch daran, dass die bolivianischen Familien bei dieser Arbeit auch etwas leisten, indem sie die Kredite zurück zahlen. Der Bau der Häuser stärke die Identität der Bewohner, deren Status wachse. Die Rückzahlung der Darlehen ermögliche den Bau weiterer Häuser und damit die Unterstützung anderer Familien. So sei diese Arbeit ein Beispiel für die Änderungen in der internationalen Zusammenarbeit, die sich von der „Entwicklungshilfe“ zur „Entwicklungszusammenarbeit“ verändert habe. Heute sei eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“ nötig. Es gelte gemeinsam festzustellen, wo die Bedürfnisse sind und danach die Partner auf die eigenen Beine zu stellen, damit die an ihren Aufgaben arbeiten.
Auch die Bolivienpartnerschaft des Bistums Trier arbeite nach diesem Prinzip, erklärte Kuhn. Es gelte, die Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Lebensnotwendigkeiten selbst zu klären. „Das Entscheidende ist die Initiative der Partner. Dann können wir helfen“, sagte Kuhn. In diesem Zusammenhang werde kirchliche Entwicklungszusammenarbeit immer wichtiger, betonte Kaplan und Bolivienkenner Meyer. Die Kirchen hätten große, international vernetzte Personalressourcen, die lokal großes Know-how mitbringen und einbringen können. Ohne Begegnung von Mensch zu Mensch gehe aber nichts in der Entwicklungszusammenarbeit. Ein wesentlicher Bestandteil sei die Bildungsarbeit.
„Ohne Bildung geht überhaupt nichts“, bekräftige Markmiller und forderte dazu auf entsprechende Programme von Nichtregierungs-Organisationen zu unterstützen. Die seien an der Basis aktiv und unterstützten die Anliegen und Interessen der Menschen vor Ort. „Es ist zielführend, die einheimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen zu qualifizieren, damit die die Dinge vor Ort in die Hand nehmen können“, sagte Markmiller. Es entstünden so „kleine Maßnahmen, die große Wirkung haben“. Etwa wenn in afrikanischen Städten an jeder Straßenecke Handy-Reparaturen angeboten werden. Hier bei uns nenne man das „Start-ups“. Ludwig Kuhn informierte über die gut ausgebildeten jungen Leute in Kenia, die - mit wirtschaftlichem Erfolg - mittlerweile eine eigene IT-Szene bildeten. Damit zusammenhängend ermögliche ein handy-gestütztes Banksystem auch auf dem Land die bessere Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten durch die Bauern.
Dennoch: Gerechte wirtschaftliche Beziehungen zwischen den reichen und armen Staaten vermissten alle Experten. Kuhn erinnerte an die Ausbeutung der Rohstoffe in der Geschichte Boliviens. Aktuell werde der Abbau von Lithium in großem Stil vorbereitet, von dem Bolivien mit die weltweit größten Vorräte besitze. Es gehe jetzt darum sicher zu stellen, dass bei diesem Abbau die Wertschöpfung zu großen Teilen in Bolivien bleibe und nicht so organisiert werde wie bisher immer. Markmiller benannte in diesem Zusammenhang die Produktion von Schnittblumen für den europäischen Markt in fruchtbaren Gebieten Kenias. Dadurch würden die bisherigen Bauern vertrieben, die Lebensmittel produziert hätten. Leider behinderte die internationale Politik bisher die Ansätze zu gerechten wirtschaftlichen Beziehungen. Kuhn und Markmiller betonten, dass „Gesellschaften im Aufbau“, wie in den Ländern des Südens, nicht ohne Schutz auskommen könnten. Wegen der internationalen Verflechtung der Märkte brauche es für diese Gesellschaften eine Regulierung, aber anders als bei den Industriestaaten, die mit ihren Formen der Regulierung ihre politische und wirtschaftliche Übermacht sicherten.
Was sind die Herausforderungen für die Zukunft der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit? Eine Antwort auf diese abschließende Frage der Moderatorin gab Anton Markmiller: „Lesen Sie die Enzyklika ‚Laudato si’ von Papst Franziskus. Da steht schon alles drin“.
(red)