Ökumenischer Gottesdienst am Buß- und Bettag in Trier :Sich neu hineinnehmen lassen in das Gebot der Nächstenliebe
Trier – Dem Gebot der Nächstenliebe und der Frage nach Solidarität mit den Schwachen ging der Ökumenische Gottesdienst am Buß- und Bettag, 20. November, nach – zu dem in langjähriger Tradition auch in diesem Jahr die evangelische und katholische Kirche in den Dom zu Trier eingeladen hatten. Die Predigt zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter hielt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel. Gestaltet wurde der Gottesdienst unter der Leitung von Präses Latzel und Bischof Dr. Stephan Ackermann (Bistum Trier) zudem von Superintendent Dr. Jörg Weber (Evangelischer Kirchenkreis Trier), Gemeindereferentin Silvia Schmitz-Metzler (Pastoraler Raum Trier), Pfarrer Thomas Luxa (Evangelische Kirchengemeinde Trier) sowie Ökumenereferentin Anna Werle (Bistum Trier). Die musikalische Leitung lag bei Domkapellmeister Thomas Kiefer und Kirchenmusikdirektor Martin Bambauer, an der Domorgel zu hören war Domorganist Josef Still. Der Caspar-Olevian-Chor bereicherte zudem musikalisch den seit Jahrzehnten in Trier von katholisch und evangelischer Kirche gemeinsam gefeierten Gottesdienst.
Vorbeigehen oder Anteil nehmen?
Buß- und Bettag, das sei, so Latzel, die „Zeit, dass wir manche Leitfragen in Kirche und auch im Leben kritisch hinterfragen“. Mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter stelle Jesus den Glauben einmal komplett vom Kopf auf die Füße, machte Latzel in seiner Predigt eindrücklich deutlich. Das Gleichnis, so Präses Latzel, präsentiere „zwei fundamental verschiedene Lebensformen, die wir auch heute kennen. Wenn ein Obdachloser im Winter auf der Parkbank liegt – gehe ich hin oder gehe ich vorüber? Wenn der Nachbarin irgendwann keine Ausreden mehr für ihre blauen Flecken einfallen – gehe ich hin oder gehe ich vorüber?“ Dass mit dem Samariter der Hingeher ein Fremder, ein Andersgläubiger sei, sei kein Zufall. „Er weiß, was es heißt, am Rand zu stehen, auf Hilfe angewiesen, wie der Mann, der im Graben liegt. Der barmherzige Samariter ist die Gegengeschichte zur Erzählung von den messerstechenden Migranten, zu den Narrativen, welche die Diskussionen unserer Tage bestimmen.“ Letztlich gehe es bei der Geschichte um die Grundrichtung des Lebens: „Lebe ich wie ein Passant an den anderen vorbei? Oder lasse ich das Leid anderer mich jammern, nehme ich Anteil, gehe ich hin?“ Dabei sei jedoch auch wichtig, bei sich selbst zu bleiben, bei der Liebe zu den anderen sich selbst nicht zu verlieren und die eigenen Grenzen zu kennen. Es gelte, so der Präses, sich hineinnehmen zu lassen „in die Liebesbewegung Christi. In eine Begegnung mit den Menschen draußen. Mit den Samaritern und den Ausgeraubten unserer Tage. Und mit dem, der mir in beiden begegnet – und der die Solidarität mit den Schwachen bis zum Ende lebt“.
Gebot der Nächstenliebe nicht umdeuten!
Bischof Stephan Ackermann hatte bereits in seiner Einführung in den Gottesdienst dazu eingeladen, dass sich die Gläubigen für ihre Selbstbesinnung von Jesu Gebot der Nächstenliebe anregen lassen. „Angesichts der vielen Konflikte und kriegerischen Auseinandersetzungen unserer Zeit wagt man mitunter kaum, dieses Wort Nächstenliebe in den Mund zu nehmen, will man nicht Gefahr laufen, als weltferner Traumtänzer, als Traumtänzerin verschrien zu werden.“ Deutlich kritisierte Ackermann Versuche, „dieses zentrale Gebot Jesu in falscher Weise umzudeuten“, etwa wenn ein AfD-Repräsentant sage, da er katholisch sei, bedeute Nächstenliebe für ihn, sich „um die Angehörigen des eigenen Volkes zu kümmern“. Dies sei eine krasse Fehldeutung dessen, was Jesus mit Nächstenliebe meine, so Ackermann. Umso wichtiger und lohnender sei es, „gemeinsam noch einmal intensiv auf dieses Wort Jesu zu hören und danach zu fragen, wozu es uns gemeinsam, als Christinnen und Christen, als Kirchen, wie auch persönlich herausfordert“. Die gemeinsame Gottesdienstfeier bedeute aber auch, sich nicht nur „von Gottes Wort kritisch infrage stellen und herausfordern zu lassen, sondern auch, sich von seiner heilenden Nähe und Gegenwart stärken zu lassen“, so Ackermann.
Ökumenische Podiumsdiskussion am Buß- und Bettag
Bereits am Nachmittag hatten sich Bischof Ackermann und Präses Latzel gemeinsam mit Prof. em. Dr. Detlef Pollack von der Universität Münster in einer Podiumsdiskussion zu dem Thema „Wir glauben an den einen Gott – eine humane Gesellschaft ohne Gott?“ ausgetauscht. Die von Bistum Trier, Theologischer Fakultät Trier, Ökumenischem
Institut für interreligiösen Dialog an der Universität Trier sowie Evangelischer Kirche im Rheinland (EKiR) veranstaltete Diskussion steht als Aufzeichnung zur Verfügung und kann unter https://t1p.de/buss-und-bettag-24 abgerufen werden.
Stichwort: Buß- und Bettag
Der Buß- und Bettag ist ein kirchlicher Feiertag am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag, also jeweils Mitte/Ende November. Wie sein Name sagt, stehen Buße und Gebet im Mittelpunkt. Inzwischen ist der Buß- und Bettag nur noch in Sachsen ein arbeitsfreier Tag. In den anderen Bundesländern ist er kein staatlich geschützter Feiertag mehr. Er wurde Mitte der 1990er-Jahre abgeschafft zum Ausgleich des Arbeitgeberanteils an der Pflegeversicherung.