Reliquie:Splitter mit Siegel und Segen

Primsweiler - Es soll Josef von Arimatäa gewesen sein, der sich nach Jesu Tod als Erster der Dornenkrone – nach heutigen Erkenntnissen eher eine Art Haube – angenommen hat. Laut Überlieferung wurde das Martergeflecht bis 1036 in Jerusalem aufbewahrt, dann nach Konstantinopel gebracht und anno 1237 aus Geldnot an die Stadt Venedig verpfändet, die es für ungemein viel Geld dem französischen König Ludwig IX. überlassen habe. Dieser ließ mit der „Sainte Chapelle“ in Paris eine prächtige Aufbewahrungsstätte für die Reliquie errichten, ehe diese aus Angst vor den Revolutionswirren in den Vatikan gebracht und dort geteilt wurde – eine Hälfte blieb in Rom, eine kam zurück an die Seine.
Durch belgischen Primas im Jahr 1869 beglaubigt
Doch die Geschichte geht weiter und führt, wenn man der kirchlichen Beurkundung Glauben schenkt, bis ins Primstal. Von 1869 jedenfalls datiert ein Siegel, das vom belgischen Primas Victor August Isidor Dechamps stammt. Der Kardinal von Mechelen, der auch als päpstlicher Assistent tätig war, beglaubigte damit die Echtheit eines Dornensplitters aus offenbar vatikanischen Beständen, den er in einem Goldgefäß aus dem 16. Jahrhundert seiner Familie vermachte. Normann Turner aus Primsweiler hat das Reliquiar im Heiligen Jahr 2000 vom letzten Nachfahren des Kardinals erstanden und machte es fast zwei Jahrzehnte lang immer am Karfreitag in der familieneigenen Barbarakapelle der Öffentlichkeit zur Anbetung zugänglich. Bis vor fünf Jahren kurz vor Ostern die Corona-Pandemie losbrach. Die Präsentation wurde daraufhin untersagt. Die später erforderten Rahmenbedingungen konnte der Hausherr nicht erfüllen – und wollte es irgendwann auch nicht mehr.
Es handelt sich weltweit um eine der wenigen Reliquien der Dornenkrone Christi, die von der Kirche als authentisch angesehen wird und die somit auch rechtmäßig verehrt werden kann.
Norman Turner
Nach fünf Jahren ohne öffentliche Verehrung überredete Turners Bekannte Lydia Hektor-Schwind den gläubigen Katholiken, anlässlich des neuen Heiligen Jahres eine Ausnahme zu machen – und bat hierfür schriftlich Papst Franziskus um Unterstützung. Der schickte tatsächlich einen Brief, in dem er dem Reliquiensammler den Apostolischen Segen erteilt – das Schreiben wird am Karfreitag ebenfalls zu sehen sein. Zum Mitnehmen bietet Turner zudem Streifen an, mit denen das Reliquiar touchiert wurde und die so selbst zu Berührungsreliquien geworden sind.
Das Gefäß, in dem der Pflanzenpartikel im Normalfall verwahrt wird, läuft spitz zu und erinnert damit selbst an einen Dorn. Dass es sich bei dem Inhalt um etwas Kostbares handelt, zeigt bereits das verwendete Material: Der Dornensplitter liegt auf Goldbrokat gebettet in einer Silberkapsel, deren Hülle wiederum feuervergoldet ist. Der Besitzer aus dem Grafengeschlecht von Hunolstein hat an der Echtheit keinen Zweifel. Eine Untersuchung des Erzbistums Mechelen habe die Versiegelung im Jahr 2008 als echt attestiert. „Es handelt sich weltweit um eine der wenigen Reliquien der Dornenkrone Christi, die von der Kirche als authentisch angesehen wird und die somit auch rechtmäßig verehrt werden kann“, betont Turner.
Die Kleinheit des Splitters spricht für seine Echtheit
Der Splitter von Primsweiler ist definitiv etwas sehr Seltenes – der verstorbene langjährige Domkustos Prof. Dr. Franz Ronig betonte vor Jahren, er kenne im Bistum Trier nichts Vergleichbares. „Dass der Partikel so klein ist, spricht tendentiell für die Echtheit – ein Fälscher würde etwas nehmen, was optisch mehr hermacht“, unterstrich der renommierte Kunst- und Reliquienexperte.
Wer Zweifel hat, darf in der Kapelle einen Blick auf die Bestätigungsschreiben werfen. Wichtiger als der Nachweis historischer Authentizität, der bei derart alten Glaubenszeugnissen nie letztgültig erbracht werden kann, ist Turner aber ohnehin der theologische Aspekt von Reliquien: der Verweis auf Jesus selbst. Wie bei früheren Aussetzungen bittet er um eine Spende für die Missionsschwestern vom heiligen Petrus Claver.