Schulseelsorge will gerade in Pandemie-Zeiten begleiten und unterstützen :Trotz Distanz für Schüler, Eltern und Lehrer da sein
Neunkirchen/Bitburg – Sie sind für Schülerinnen und Schüler da, bei Trauerfällen, Beziehungsproblemen, Selbstzweifeln und der Suche nach der eigenen Identität: Schulseelsorgerinnen und -seelsorger wie Gabriele Centurioni in Bitburg und Andrea Rupp in Neunkirchen. Doch wie funktioniert das pastorale Angebot an Schulen in Zeiten der Corona-Pandemie, im Lockdown, wenn nicht die Bürotür des Schulseelsorgers eben mal auf dem nächsten Flur offensteht oder man sich auf ein Wort nach der Unterrichtsstunde treffen kann?
Redebedarf stieg während der Lockdowns
„Es läuft erstaunlich gut, unsere Angebote wurden verstärkt nachgefragt“, erzählt Centurioni, die seit 19 Jahren an der Theobald-Simon-Berufsbildenden Schule in Bitburg Religion unterrichtet. Gemeinsam mit der Schulsozialarbeiterin, mit der sie auch sonst sehr eng zusammenarbeitet, setzte sie sich zu Anfang des ersten Lockdowns 2020 zusammen, überlegte, wie man die Schülerinnen und Schüler erreichen könnte. Rasch war die Idee geboren, ein Video auf die Homepage der Schule zu stellen. Darin luden die beiden dazu ein, sie über alle möglichen Kanäle „anzufunken“. „Das Video wurde auf sämtlichen sozialen Medien verbreitet und dann rollte das Ganze schnell an“, berichtet Centurioni. Über Messenger-Dienste und Emails meldeten sich Auszubildende und Schüler der so genannten „Vollzeitklassen“, aber auch Eltern. „Insgesamt 267 Kontakte hatte ich im ersten Lockdown, wirklich eine irre Zahl. Interessanterweise gibt es viel weniger Hemmungen, mal eben eine Kurznachricht zu schreiben. Ich habe mich aber beispielsweise auch für Gespräche zum Spazierengehen mit Schülern getroffen“, sagt die 57-Jährige. Bis heute habe es einige Fälle gegeben, bei denen enge Angehörige von Schülern am Corona-Virus erkrankt seien, was eine intensive Belastung sei. Centurioni versuchte, ihren Schülern Mut zu machen und sie auch über ihren Online-Unterricht eng mit einzubeziehen. „Wir haben das Projekt Hoffnungsspuren ins Leben gerufen, bei dem die jungen Leute sich untereinander Botschaften der Hoffnung und gegenseitiger Wertschätzung schicken sollten, egal ob per Brief, Nachricht oder Video. Da habe ich viele Rückmeldungen bekommen, wie gut ihnen das tat.“
Als die Schule im Sommer wieder öffnete, hätten die Schüler auch unbedingt das Projekt „happy stones“ weiterführen wollen, bei dem Steine bunt bemalt und als Glücksbringer verteilt wurden. Im Advent dekorieren Centurioni und ihre Klassen traditionell das Foyer der Schule, um eine Atmosphäre zu schaffen, die zum Innehalten einlädt. In diesem Jahr seien ihre Schüler aus den Berufsvorbereitungsklassen zum ersten Mal selbst auf die Idee gekommen, für die ganze Schule Fensterschmuck zu basteln, um allen eine Freude zu machen. Außerdem hätten sie Plätzchen einzeln in Pappschachteln verpackt und an alle verteilt, da es einen Adventsteller zum Naschen durch die Hygienebestimmungen nicht geben durfte. „Dieser Gedanke ‚wir wollen füreinander da sein‘ war verstärkt zu spüren. Die Schüler suchen sich ihre eigenen Rituale und Formen, um mit Situationen umzugehen.“
Die Schüler gehören zu einer Altersgruppe, die besonders unter der Pandemie leidet
Andrea Rupp machte in Neunkirchen ähnliche Erfahrungen: Auch hier beteiligten sich viele der rund 2.000 Schülerinnen und Schüler der Berufsschule am Projekt „happy stones“. Als der nächste Lockdown im Winter kam, habe sie die Schüler mit ihren Handys losgeschickt, ihre persönlichen „Winter-Wunder-Momente“ als Fotos einzufangen. „Wir wollten nach Gemeinschaft-stiftenden Erlebnissen suchen.“ 70 Fotos, teilweise versehen mit Hoffnungssprüchen, erreichten die 44-jährige Pastoralreferentin. Gemeinsam mit dem „Momentum“ entstand die Idee, die Innenstadt etwas zu beleben und dort die Bilder im Schaufenster auszustellen. Auch im Corona-Tagebuch der Stadt Neunkirchen werden die jungen Leute mit ihren Beiträgen vertreten sein. In einem weiteren Projekt sollten die jungen Leute in kreativen Texten erarbeiten, wie die inzwischen ein Jahr andauernde Corona-Pandemie ihr Leben verändert hat. „Es kamen Briefe, Bilder, Fotos, kleine Videos mit ganz berührenden Rückmeldungen, wie sie ihren Alltag schildern. Wir haben es mit einer Altersgruppe zu tun, die sehr unter Corona leidet.“ Viele Probleme hätten sich durch Corona noch verschärft, es habe durch alle Altersgruppen hinweg vermehrten Bedarf an Seelsorge-Gesprächen gegeben, so Rupp. Gerade für Familien mit vielen Kindern sei das Homeschooling ein schwieriges Thema – jeder müsse mit seinem Handy arbeiten, die Internetkapazitäten reichten nicht aus. „Auch persönliche Probleme nehmen zu. Es gibt bei uns viele Jugendliche, die schon alleine leben, und die sind wirklich sehr isoliert in dieser Phase. Aber sie nehmen die gebotene Hilfe an, kontaktieren mich auf dem Handy, einfach per SMS oder Anruf – das war auch für mich ein positives Zeichen.“
Schulseelsorge stiftet Gemeinschaft und hilft bei Identitätssuche
Schulseelsorge sieht Rupp, genau wie ihre Kollegin in der Eifel, als freiwilliges, unabhängiges Angebot, Schülern Räume zu öffnen, wo sie Gemeinschaft und Unterstützung erfahren können. Schulseelsorge stehe der ganzen Schulgemeinschaft offen, also auch Lehrern, Eltern, Angestellten. Beide Seelsorgerinnen haben es an ihren Schulen mit einem bunten Mix aus Altersgruppen, Kulturen und Religionen zu tun. Die Schüler seien oft dankbar, wenn sie mit jemand „Externem“ sprechen könnten, der sie nicht direkt beurteilt, erklärt Rupp. Mit halber Stelle ist sie als Religionslehrerin, mit der anderen Hälfte in der Schulseelsorge eingesetzt – eine Verzahnung, die sie sehr positiv erlebt. „Wir arbeiten hier eng vernetzt in einem multiprofessionellen Team. Ich sehe es als großen Vorteil, Teil des Schulkollegiums zu sein und sofort vor Ort zu sein, vor allem in Situationen wie Trauerfällen.“ Für ein festes Zeitkontingent der Schulseelsorge machte sich Centurioni lange stark. Seit 19 Jahren arbeitet die Pastoralreferentin als Religionslehrerin an der BBS Bitburg mit ihren knapp 2.000 Schülerinnen und Schülern – und machte Seelsorge zunächst ehrenamtlich „nebenbei“. Inzwischen ist Centurioni vom Bistum Trier für vier Stunden pro Woche für die Seelsorge freigestellt. „Einerseits möchte ich mit meinem Programm das Schulleben lebendiger machen. So gibt es Anfang des Schuljahres normalerweise einen erlebnispädagogischen Tag, wo die Schüler gemeinsam Aufgaben lösen, sich besser kennenlernen und erfahren, ‚ich bin etwas wert, ich kann etwas‘. Dass der wegen der Pandemie nicht stattfinden konnte, ist wirklich schade.“ Zum anderen sei sie immer dann gefragt, wenn es konkrete Anlässe wie Trauerfälle gebe oder die Schüler einfach im persönlichen Gespräch ihre Sorgen loswerden möchten. „Ich würde keine andere pastorale Arbeit lieber ausüben wollen. Wo sonst als in der Schule habe ich die Chance, junge Menschen zu erreichen und Spuren zu hinterlassen? Ich bin hier nicht in der Rolle als Bollwerk des katholischen Glaubens – sondern ich bin einfach für die Schüler da an wichtigen Stationen ihres Lebens, und somit natürlich auch und gerade in Zeiten der Pandemie“, sagt sie.
(sb)