Gesprächsrunde zur Abendmahlfrage anlässlich des Ökumenischen Kirchentages:„Über die Grenzen der eigenen Konfession hinausdenken“
Trier – Es ist eine Auseinandersetzung, die bis weit ins Mittelalter zurückgeht und schließlich sogar prägend war für die Spaltung des westlichen Christentums in verschiedene Konfessionen: Die Frage, wie Leib und Blut Jesu Christi beim Abendmahl anwesend sind – eher symbolisch oder ganz real. Sie beschäftigt auch heute noch die Ökumene, also jene Bewegung, die sich um einen Ausgleich und enge Zusammenarbeit zwischen den christlichen Konfessionen bemüht. Theologinnen und Theologen beider Konfessionen hatten das Thema der gegenseitigen Teilnahme an den unterschiedlichen Kommunionfeiern 2019 neu zur Debatte gestellt. In einem gemeinsamen Votum mit dem Titel „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ begründet der „Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen“ (ÖAK), dass die wechselseitige Teilnahme an den jeweils anderen Abendmahlsfeiern möglich sei. Um dieses Votum ging es anlässlich des Ökumenischen Kirchentages 2021 in einer live übertragenen Gesprächsrunde des Bistums Trier. Es diskutierten Bischof Dr. Stephan Ackermann, der neue Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel, sowie die Mitglieder des Ökumenischen Arbeitskreises Professorin Johanna Rahner und Professor Volker Leppin (beide Universität Tübingen), moderiert von Professor Andreas Mühling (Universität Trier).
Wechselseitige Teilnahme ohne schlechtes Gewissen möglich
Bischof Ackermann sagte, Vielfalt in liturgischen Traditionen und spirituellen Riten seien in der katholischen Kirche normal – so könne etwa ein im syro-malabarischen Ritus gefeierter Gottesdienst in Indien oder in einer mit Rom verbundenen Ostkirche fremder auf einen deutschen Katholiken wirken als etwa eine lutherische Abendmahlfeier. Die Situation in Deutschland sei eine Besondere: Anderswo auf der Welt lebten Katholiken in Minderheiten, etwa in Skandinavien, oder in Mehrheiten, etwa in Lateinamerika. In Deutschland sei das Verhältnis von Protestanten und Katholiken ungefähr gleich; dementsprechend gebe es auch viele konfessionsverbindende Ehen. Hier sei also das Problem, nicht gegenseitig an den Abendmahlsfeiern teilnehmen zu können, nicht nur eine Gelehrtenfrage, sondern Realität. Auch wenn es manchmal schwierig sei, in Rom verständlich zu machen, wo in Deutschland genau die Schwierigkeit liege, sehe er hier eine besondere Verpflichtung deutscher Bischöfe und Theologen, dieses Thema immer wieder einzubringen. „Wir müssen lernen, über die Grenzen der eigenen Konfession hinauszudenken.“ Die Brisanz des Votums des ÖAK liege in seinen Augen darin, dass es aus den theologisch-wissenschaftlichen Betrachtungen zur Frage der gegenseitigen Teilnahme an Eucharistie oder Abendmahl ganz praktische Konsequenzen ziehe und besage: „Ich kann diese Entscheidung guten Gewissens treffen, es ist vertretbar.“ Wenn evangelische Christen zur Eucharistie hinzutreten, sei dies aus seiner Sicht im Einzelfall auch katholisch „ohne schlechtes Gewissen“ inzwischen möglich und verantwortbar.
Mehr Mut auf dem Weg der Ökumene wagen
Präses Latzel konnte aus eigener Erfahrung sprechen: Er sei in einer konfessionsgemischten Familie aufgewachsen und habe es als schmerzlich erlebt, nie mit seiner Großmutter und seinem Vater zusammen Eucharistie feiern zu können. Er wünsche sich mehr „jesuanischen Mut zur Grenzüberschreitung“. Derzeit spüre er einen großen Vertrauensverlust gegenüber beiden Kirchen. Dazu gehöre auch, was nach außen kommuniziert würde: „Wir sprechen von Einheit, von Achtung und Verständnis anderen gegenüber, doch dann nehmen die Menschen wahr, dass wir in diesen Fragen nicht zusammenkommen. Wir kommunizieren also eine andere Botschaft als wir selber vorleben.“ Auch in seiner Kirche seien Diskussionen notwendig. Viele evangelische Christen feierten eher selten das Abendmahl – hier könne man von der Wertschätzung der Katholiken gegenüber der Eucharistie lernen. Oder man könne danach fragen, ob dem Abendmahl ordinierte Geistliche vorsitzen müssen. Dabei gehe es auch um Machtfragen, wer die Auslegungshoheit über biblische Texte habe und wer einlade: Jesus oder die Kirche. „Wir berauben uns vielem, wenn wir nicht zusammen feiern können“, so Latzel, deshalb plädiere er dafür, sich auf diese Prozesse einzulassen.
Die Verweigerung des Abendmahls muss begründet werden
Der evangelische Kirchengeschichtler Volker Leppin fasste die Entstehung des Votums zusammen und betonte, es argumentiere auf einer breiten wissenschaftlichen und biblischen Grundlage. So müsse nicht die Zulassung einer gegenseitigen Einladung zum Abendmahl begründet werden, sondern ihre Verweigerung: „Wenn man davon ausgeht, dass Jesus Christus sich selbst in Brot und Wein schenkt und dadurch anwesend ist, muss man sehr gute Gründe nennen, sich diesem Geschenk an andere in den Weg zu stellen.“ Im Neuen Testament seien keine einheitlichen und festen Formen für dieses Selbstgeschenk zu finden; bei den frühen Christen habe es unterschiedliche Formen gegeben, das Abendmahl zu feiern. „Es kann auch ein befreiender Gedanke sein, dass wir so unterschiedlich sind, wir uns aber gegenseitig über das Zeugnis des jeweils anderen freuen können.“ Pluralität sei etwas Christliches.
Theologieprofessorin Johanna Rahner, Mitautorin des Votums, bekräftigte Leppins Erläuterungen, dass es keine einheitliche Ur-Form gebe, auf die man sich beziehen könne. Dass die Katholiken, vor allem Rom, sich als Maßstab für alle anderen sähen, falle weit hinter den Errungenschaften des ökumenischen Dialogs und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema der letzten Jahre zurück. Sie bedauerte die teils „aggressive Rezeption“ des Votums aus Rom und warnte vor Ablenkungsmanövern, etwa dass die Einladung von Protestanten die Gemeinschaft mit der orthodoxen Kirche gefährde. Die These, dass die Teilnahme evangelischer Christen an der katholischen Eucharistiefeier auch andere Öffnungen oder ein Rütteln an anderen Strukturen mit sich ziehe, sei kein schlüssiges Argument. Präses Latzel wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass auf gemeindlicher Ebene schon in der Praxis sehr viel mehr passiere und es dort auch wechselseitige Einladungen gebe. „Lasse ich mich auf eine Begegnungskultur ein, verändert mich das. Klar kann das heikel sein. Aber den Mut, dass der gegenwärtige Christus uns verändert, sollte man zulassen.“
Rund 400 Zuschauer hatte die digital übertragene Gesprächsrunde, die anlässlich des Ökumenischen Kirchentages im Bischöflichen Generalvikariat in Trier stattfand. Mehr Informationen zur Ökumene im Bistum Trier gibt es auch unter: www.bistum-trier.de/oekumene.
(sb)