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Ukrainischer Kaplan zu Besuch in Schwalbach:Unerschütterlicher Glaube

Seit den 1990ern besteht zwischen den Pfarreien Heilig Kreuz Schwalbach und Herz Jesu Kherson eine Partnerschaft. Jetzt war der ukrainische Kaplan Artiom zu Besuch in Deutschland.
Kaplan Artiom aus Kherson war in der Partnerpfarrei Schwalbach zu Besuch.
Datum:
12. Feb. 2025
Von:
Sarah Schött/Paulinus

Kherson/Schwalbach - Wieso bleibt man freiwillig in einem Land, das geprägt ist von Krieg und Leid, in dem die Eskalation der Gewalt unberechenbar ist und das viele Millionen Menschen bereits verlassen haben? Einer, der eine persönliche Antwort auf diese Frage gefunden hat, ist Kaplan Artiom (36) aus Kherson. Anlässlich der Diakonenweihe von Antonio Jagodin am 23. November hat er das Bistum Trier besucht, genauer gesagt die Partnergemeinde der Pfarrei Herz Jesu Kherson, die Pfarrei Heilig-Kreuz Schwalbach. „Für die Ausreise habe ich einige Papiere der russischen Föderation gebraucht, aber das hat funktioniert“, erklärt der Geistliche.

Und trotz der Lage im Land freut er sich, wieder zurück in der Ukraine zu sein. „Man findet seinen Platz in der Situation. Ich hatte jetzt eine Pause, aber ich denke jeden Tag an den Ort, an dem ich arbeite.“

Das ist aktuell die Stadt Tawrijsk, 60 Kilometer von Kherson entfernt und auf der anderen Seite des Flusses Dnipro. „Auf der anderen Seite sind russische Soldaten. In Kherson fallen viele Bomben. Auch auf unsere Kirche sind bereits Raketen gefallen, aber nicht explodiert“, schildert der Kaplan die Lage vor Ort. Die meisten Leute, so sagt er, hätten Kherson bereits verlassen. „Vielleicht 20 Prozent sind noch geblieben.“ Mit denen, die gegangen sind, steht der Priester weiter in Kontakt. „Viele Leute schreiben mir, machen sich Sorgen um mich und wollen wissen, wie es mir geht oder ob ich etwas brauche.“ Und viele von denen, die gegangen sind, werden auch nicht wieder zurückkommen, da ist sich der Geistliche sicher.

Doch warum bleiben Menschen, warum bleibt er selbst im umkämpften Gebiet? „Ich bleibe bei den Menschen, die bleiben“, so der Kaplan. Das seien vor allem ältere Menschen, die ihre Heimat nicht verlassen möchten. „Sie sind ein wichtiger Teil der Kirche, und ich bleibe bei ihnen.“

Schwierige Situation im Glauben durchstehen

„Wir hatten gute Gespräche, in denen er gesagt hat, ,Die Liebe Christi drängt mich‘“, erzählt Pfarrer Hans-Georg Müller aus der Pfarrei Heilig-Kreuz, in der Artiom während seines Aufenthaltes untergebracht ist. Für Müller ist das ein echtes Glaubenszeugnis dafür, wie man eine äußerst schwierige Situation im Glauben und in der Freundschaft zu Jesus durchstehen könne.

Für Kaplan Artiom und die anderen Menschen, die geblieben sind, sind die Umstände dabei fast schon zur Routine geworden. „Wir haben Zeit, unsere Besorgungen zu erledigen ab 3 Uhr nachmittags. Danach geht es weiter mit den Bomben“, erzählt er. Dabei komme die humanitäre Hilfe aktuell noch vor Ort an, es gebe materielle Güter wie etwa Zucker und Mehl. „Aber was die Leute noch viel mehr wollen, ist Frieden“, so der Ukrainer.

Auf die Frage, ob er denn Hoffnung auf Frieden habe, antwortet er mit einem klaren „Ja“. Und der Ergänzung: „Es gibt keinen anderen Weg.“ Wie ein solcher Frieden aber möglich werden soll, das sei keine Frage für ihn, sondern für die Politik. „Wir können das nur im Gebet unterstützen.“

Wer Kaplan Artiom sprechen hört, wird Zeuge eines unerschütterlichen Glaubens. Eine Situation wie die in der Ukraine führt aber unweigerlich auch zu einer der umstrittensten Fragen in der Theologie: Wieso lässt Gott solches Leid zu? Und verändert sich die Sicht auf diese Frage, wenn man in einem Gebiet lebt und arbeitet, auf das täglich Bomben fallen? Was glaubt er selbst, wieso Gott das alles zulässt? Artioms Antwort darauf ist offenbar ebenfalls im Glauben verwurzelt. „Ich denke, die Antwort auf diese Frage können wir in der Bibel finden, im Alten Testament. Als Menschen mit freiem Willen müssen wir alle uns fragen, was wir tun können und was nicht. Aber die Liebe Gottes ist immer da, und in dieser Liebe sind wir vereint. Wir können vielleicht die Situation nicht ändern, aber wir können gerecht sein.“

„Fühlen, dass viele Menschen für uns beten“

Wichtig ist für den 36-Jährigen daher auch die spirituelle Unterstützung, die er und seine Gemeinde erfahren. „Ich danke den Menschen für ihre Hilfe, auch die spirituelle. Wir können fühlen, dass viele Menschen für uns beten. Viele verstehen nicht, warum ich bleibe. Aber jetzt ist die Gelegenheit, von Gott zu reden.“

Und so ist Kaplan Artiom nach einer kurzen Verschnaufpause wieder in die Ukraine zurückgekehrt und hofft weiter auf Frieden. „Erst dann kann ich wirklich zur Ruhe kommen.“