Trierer Pater Andreas Müller pilgert und sammelt Spenden für ein SkF-Projekt :Unterwegs auf dem „Vergessenen Weg“
Trier/Bilbao – Ein spirituell Suchender steht auf der „Teufelsbrücke“ in Bilbao mit einem leichten Rucksack auf den Schultern. Er begibt sich auf Wanderschaft auf dem „Vergessenen Weg“, der ihn Schritt für Schritt seinem Ziel näherbringen wird, Frauen in Not zu helfen: Was klingt, wie die ersten Zeilen eines Märchens ist für den Trierer Vinzentinerpater Andreas Müller Realität. Seit dem 15. Juni ist er zum zweiten Mal unterwegs auf einem „Solidarischen Pilgerweg“. Solidarisch deshalb, weil er für jeden der erlaufenen 650 Kilometer Geld sammelt, mit denen er ein Projekt des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) unterstützt. Vor deren Notunterkunft für Frauen in Trier (?) soll ein Unterstand gebaut werden, sodass die Hilfesuchenden nicht auch noch Wind, Wetter und neugierigen Blicken ausgesetzt sind. Von den 11.000 Euro Gesamtkosten würde Müller gerne 3.000 Euro Spenden erzielen. „Ich möchte ein Zeichen der Solidarität setzen und lade die Leute ein, einen Betrag von fünf Euro zu spenden, gerne natürlich auch mehr“, sagt Pater Müller in einem Interview kurz vor seiner Abreise ins spanische Bilbao. Denn dort beginnt seine Reise auf dem „Camino Olvidado“ nach Santiago di Compostela, einem der berühmtesten Wallfahrtsorte Europas.
Pater Andreas ist kein unbeschriebenes Blatt, wenn es ums Pilgern geht. In diesem Jahr feiert er ein eigenes kleines Jubiläum: Schon seit 20 Jahren fasziniert ihn diese besondere Form des spirituellen Wanderns. Immer wieder ist er seither auf verschiedenen Routen unterwegs – mit sich selbst, seinem Glauben, den Begegnungen und den Erfahrungen, die er unterwegs sammelt. Die Idee zu seiner ersten Pilgerreise entstand, als er sein Theologiestudium beendete: „Ich habe überlegt, wohin es gehen soll. Damals schon war Israel als Reiseziel aus politischen Gründen leider nicht möglich und Rom war mir nicht ganz geheuer, da die Wege dorthin doch sehr anspruchsvoll sind“, berichtet er. Nach einigem Hin- und Herüberlegen lief die Entscheidung dann auf den berühmten Jakobsweg hinaus – aber auf der bekannten „französischen Route“. Seitdem war er schon auf dem Moselcamino, dem Moselhöhenweg, in der Schweiz, Portugal oder Frankreich unterwegs. Viele stärker frequentierte Pilgerwege hat Müller längst „erwandert“, seit einiger Zeit reizen ihn mehr die einsameren, weniger ausgetretenen Pfade. „Deshalb dieses Jahr auch der Camino Olvidado“, erklärt er. „Im Mittelalter waren die Hauptrouten nach Santiago sehr gefahrvoll, im Norden durch die Berge und an der Küste durch Piratenangriffe, weiter südlich ging gerade die Reconquista vonstatten, also die Rückeroberung Spaniens und Portugals von den arabischen Mauren. So mauserte sich der Weg vom 9. bis 12. Jahrhundert zum beliebtesten Weg.“ Als die Städte wieder an Spanien fielen, änderte sich das rasch: „Pilger sind grundsätzlich bequem, wenn es irgendwie geht, und sind lieber durch die Ebenen von Burgos und Leon gegangen. So geriet der alte Weg in Vergessenheit“, erzählt Müller. Vor rund fünfzehn Jahren habe eine Jakobusgesellschaft sich daran gemacht, ihn wieder Instand zu setzen und wiederzubeleben.
Auf einsamen Wegen zum Ziel
Der Weg sei in zweierlei Hinsicht anspruchsvoll: „Man pilgert so auf dem Niveau des Schwarzwaldes, von Tälern auf 200 Metern über dem Meeresspiegel bis auf 1.600 oder 1.700 Meter hinauf – da kommen einige Höhenunterschiede zusammen. Die aber wohl größere Herausforderung ist die mentale. Denn er ist zwar gut ausgeschildert, es gibt eine Homepage und sogar eine App, aber es ist eben ein sehr einsamer Weg mit wenigen Herbergen. So kommt man nicht umhin, lange Etappen zu gehen, bis zu vierzig Kilometer“, fasst Müller zusammen. Doch wo liegt für ihn der Reiz, sich diesen Strapazen zu stellen, abgesehen vom Benefizaspekt? „Für mich liegt er in der spirituellen Erfahrung, die ich mache, egal ob auf Pilgerwegen oder Weitwanderwegen. Es bringt einen näher zu sich selbst, es ist Zeit für Fragen, fürs Gebet, für Meditation. Hinzu kommt, dass ich gerne körperliche Herausforderungen mag und das so miteinander verbinden kann. Und ich glaube, dass der Spruch stimmt: Du lernst ein Land erst dann richtig kennen, wenn du dort zu Fuß unterwegs bist.“
Gemeinschaft vs. Einsamkeit
Für angehende Pilgerinnen und Pilger hat Müller noch einen wichtigen Tipp parat: „Ein Pilger sollte mutig sein, möglichst wenig an Gepäck mitzunehmen. Für uns Deutsche ist das schwierig, aber man braucht nicht für jede Eventualität eine Absicherung.“ An Apotheken oder einem Supermarkt komme man fast jeden Tag vorbei. Gut überlegt wolle sein, ob man ein Gemeinschaftserlebnis sucht oder die Einsamkeit. „Brauche ich Menschen, die mich mitziehen, bisschen pushen und auch mal über den Pilgerblues hinwegbringen? Oder suche ich die Einsamkeit? Solche Wege wie den Olvidado würde ich nur erfahrenen Pilgern empfehlen, die es sehr gut den ganzen Tag mit sich alleine aushalten. Gekoppelt mit einer großen körperlichen Anstrengung und Wetterkapriolen kann das an psychische Grenzen führen“, spricht der Pater aus Erfahrung.
Wer gerne Pater Andreas auf seiner Pilgertour (noch bis zum 7. Juli) folgen möchte, kann das auf Instagram unter solidarisch_pilgern tun, mehr Informationen zum Projekt und die Spendenmöglichkeit gibt es auf www.skf-trier.de.