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Bischof Ackermann auf Solidaritätsbesuch in der West-Ukraine:„Vergesst uns nicht und bleibt an unserer Seite“

Bischof Stephan hat in Ivano-Frankivsk/Ukraine Partner von Caritas, Maltesern und Erzdiözese besucht und mit Geflüchteten gesprochen. Es waren berührende und bedrückende Begegnungen.
Der Bischof zu Besuch in einem Treffpunkt der Malteser, wo geflüchtete Kinder spielen können. Zu Beginn bekommen sie ein Stofftier überreicht, das sie auch umhängen können und das das Gefühl der Geborgenheit geben soll
Datum:
22. Feb. 2023
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier/Ivano-Frankivsk – „Ich habe Menschen erlebt, die des Krieges müde sind, aber die trotzdem voller Hoffnung auf eine friedliche Zukunft für ihr Land sind“: Das hat der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann nach seiner Rückkehr von einer kurzen Solidaritäts-Reise in die Westukraine gesagt. Ackermann war vom 17. bis 20. Februar mit einer kleinen Gruppe in der Region Ivano-Frankivsk im Westen des Landes unterwegs, wo langjährige Partnerschaften des Bistums Trier mit der Caritas, den Maltesern und dem Erzbistum Ivano-Frankivsk bestehen.

Ich habe Menschen erlebt, die des Krieges müde sind, aber die trotzdem voller Hoffnung auf eine friedliche Zukunft für ihr Land sind

(Bischof Ackermann)

„Es ging uns bei der Reise darum, im Vorfeld zum Jahrestag des Kriegsbeginns ein Zeichen der Solidarität zu setzen und das große Engagement der Helfenden vor Ort zu würdigen. Natürlich haben wir uns im Vorfeld Gedanken gemacht, ob unser Kommen nicht eine zusätzliche Belastung darstellt, aber die Leute haben uns signalisiert, wie dankbar sie für die emotionale Bestärkung und Ermutigung sind“, so Ackermann nach seiner Rückkehr. Mit Franziska Höfer vom Caritasverband Westeifel, Ludwig Kuhn von der Diözesanstelle Weltkirche und Bischofskaplan Florian Dienhart besuchte Ackermann verschiedene Einrichtungen, etwa ein Haus der Caritas mit Beratungsangeboten von der Rechtshilfe und psychologischen Hilfen, über Spielräume für Kinder, bis hin zur Kleiderkammer und der „Barmherzigkeitsküche“, die täglich 870 Mahlzeiten an Geflüchtete und Bedürftige ausgibt.

Viele der Caritas-Ehrenamtlichen haben selbst Fluchterfahrungen gemacht und engagieren sich jetzt für andere

Berührende und bedrückende Begegnungen

In einem Treffpunkt des Malteserhilfsdienstes erlebte die Delegation besonders berührende Momente im Gespräch mit einer Gruppe geflüchteter Frauen aus dem Osten und Norden der Ukraine. Die Frauen können dort ins Gespräch kommen, während ihre Kinder betreut werden mit spielerischen Angeboten, die ihnen helfen, ihre schlimmen Erfahrungen zu verarbeiten. „Es war berührend und bedrückend zugleich, zu hören, was die Frauen von ihren Fluchterlebnissen berichteten. Viele haben Angst um ihre Männer an der Front oder zurückgebliebene ältere Angehörige“, erzählt Ackermann. Am eindrücklichsten seien die Begegnungen mit Kindern und Jugendlichen gewesen, etwa in einem Heim der Malteser für Waisenkinder oder in den Spielräumen der Caritas. „Es stand ihnen so eine Müdigkeit und Enttäuschung in den Augen, man merkte ihnen an, dass sie traumatisiert sind, dass sie in diesem Kriegsjahr gealtert sind und ihnen ein Stück Kindheit genommen wurde. Auf der anderen Seite waren sie beim Spielen, Malen, Singen dann einfach wieder Kinder. Dieser Kontrast hat mich getroffen; das ist eine Zerreißprobe.“

Auswirkungen des Kriegs in Ivano-Frankivsk zu spüren

Neben den persönlichen Begegnungen mit Geflüchteten habe die Gruppe die Auswirkungen des Kriegs im vergleichsweise sicheren Ivano-Frankivsk dennoch gespürt: Verlassene Häuser auf dem Weg von der polnischen Grenze über Land, die fehlende Beleuchtung und abendliche Ausgangssperre – und auch Fliegeralarme. „Als morgens die Sirenen gingen, war das natürlich schon ein mulmiges Gefühl, aber die Mitarbeitenden des Bistums haben uns beruhigt, wir könnten wieder in die Zimmer zurückkehren. Die Leute dort leben inzwischen anders mit der Bedrohung; der Alltag muss irgendwie weiter gehen“, berichtet Ackermann. Für die Einheimischen ist die Unterbringung und Versorgung der vielen Binnenflüchtlinge aus dem ganzen Land eine große Kraftanstrengung. Ivano-Frankivsk, eine Stadt mit 200.000 Einwohnern, beherbergt derzeit zusätzlich 50.000 Geflüchtete – 70 Prozent von ihnen sind privat untergebracht. Bei einem Besuch mit Vertretern der Regionalregierung habe die Delegation erfahren, dass neuer Wohnraum gebaut werde und die soziale Infrastruktur wie Schulen, Kitas, Krankenhäuser erweitert würden – auch mit Hilfe der Kirche. Das Bistum Ivano-Frankivsk etwa baut gerade Räume zu einem Kindergarten aus und hat ein neues Krankenhaus mit Unterstützung des Hilfswerks Renovabis errichtet.

Mit Abgeordneten der Regionalregierung und dem Erzischof von Ivano-Frankivsk, Wolodymyr Wijtyschyn, im Kabinett

Die Ukraine hat das Recht auf Selbstverteidigung

Bezogen auf die politischen Dimensionen sagte Ackermann, die katholische Kirche stehe hinter dem Recht auf Selbstverteidigung der Ukraine, auch wenn er die Diskussionen um Waffenlieferungen der vergangenen Monate mit einem unruhigen Gefühl verfolge. Er frage sich auch manchmal, ob und welche Bemühungen um Dialog es gebe, gleichzeitig sei aber auch klar, dass Putins Regime nicht für Argumente zugänglich sei. Experten sagten klar, dass Grenzen gezogen werden müssten, denn sonst würde Dialog als Schwäche ausgelegt. Auf der Reise habe er deutlich gesehen, dass sich die Menschen nach Frieden sehnen, aber die Lage für sie auch alternativlos sei. „Die Leute haben mich gefragt: Welche Wahl haben wir denn, außer uns zu verteidigen? Viele Ältere haben noch die Sowjetunion erlebt, ohne Meinungs- und Religionsfreiheit. Und im Gespräch mit jungen Studierenden an der Hochschule wird klar, die orientieren sich an Europa, an demokratischen Werten.“

Finanzielle Hilfe und menschlicher Beistand

Ackermann betonte, es brauche weiterhin materieller Hilfen. Die Caritas und Malteser profitierten von einem guten Netzwerk und lange geknüpften Kontakten, die seit über 30 Jahren bestehen. Allein die Malteser aus dem Bistum Trier haben bisher 74 Hilfstransporte direkt nach Ivano-Frankivsk geschickt und elf weitere in angrenzende Länder. „Die Leute waren unheimlich dankbar für die vielfältige Unterstützung. Und sie haben die dringende Bitte geäußert, dass wir sie nicht vergessen und an ihrer Seite bleiben. Ich habe ihnen versichert, dass wir das auch tun, dass wir sehr mit ihnen verbunden sind und weiter helfen werden.“ Für Christen sei auch die spirituelle Komponente wichtig. Öffentliche Friedensgebete könnten etwa helfen, das Thema bei den Menschen präsent zu halten. „Wir hören in den Nachrichten dauernd Lagebeurteilungen und Berichte über Waffensysteme – darüber kann auch ich als Normalbürger schlecht urteilen. Was aber jeder kann, ist, das Leid der Menschen an sich heranzulassen.“

Am 24. Februar laden das Bistum Trier und der Malteserhilfsdienst anlässlich des Jahrestages des Kriegsbeginns zum Friedensgebet um 18 Uhr in den Dom ein. Mehr Informationen gibt es unter: www.weltkirche.bistum-trier.de.

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