Immaculate Ndlovu macht Sprachen- und Orientierungsjahr in Trier:Von Afrika ins Felixianum

Trier – Die Sonne scheint im Hof des Priesterseminars an diesem Nachmittag im April. Während junge Frauen und Männer ohne Jacken im Halbschatten unter den noch spärlich belaubten Bäumen sitzen, zieht es Imma in die Sonne. „Es ist sooo kalt“, bibbert sie und lächelt dabei warm und herzlich. Im August 2023 kam Immaculate „Imma“ Ndlovu aus Afrika als Au Pair in die Region, inzwischen wohnt sie im Felizianum. So heißt der Gebäudetrakt im Bischöflichen Priesterseminar, in dem die jungen Leute leben, die das Orientierungs- und/oder Sprachenjahr des Bistums „Felixianum“ absolvieren.
Freiwilligendienst in der Kita der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende
Ndlovu heißt übrigens Elefant, erklärt Imma. Nachnamen, die wie Tiere lauten, seien in Afrika recht häufig, ergänzt sie. Ist in Deutschland recht ähnlich, man denke etwa an die Familiennamen „Fuchs“ oder „Wolf“. Als sie ein kleines Mädchen war, lebte sie mit ihrer Familie in einer Township in Bulawayo/Simbabwe. Weil in dem afrikanischen Binnenland große Armut herrschte, ging Immas Mutter wie viele ihrer Landsleute nach Südafrika, um dort Arbeit zu finden. Sie bekam eine Anstellung in Johannesburg und nahm ihre Kinder mit dorthin. „Ich bin im Süden von Johannesburg aufgewachsen, in einem nicht sehr sicheren Stadtteil in dieser sehr großen Stadt mit hoher Kriminalitätsrate. Daher genieße ich die Ruhe und Sicherheit hier sehr. Ich liebe Trier!“, sagt Imma mit leuchtenden Augen.
Obwohl sie an der Mosel sehr glücklich ist und schon Freundschaften geschlossen hat, sehnt sie sich nach ihrem Vater Daniel, ihrer Mutter Esnathi Banda und nach ihren Geschwistern Joseph, Jane und Eveline. Sonntag ist deshalb Familientag. Dann videochattet sie stundenlang mit ihren Verwandten. Besonders viel Freizeit bleibt Imma neben dem Job, den Orientierungsangeboten und den Deutschkursen aber nicht. Als Felixianerin leistet die 26-jährige ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Kita der Trierer AfA (Aufnahmeeinrichtung für Geflüchtete). „Ich mag das sehr, obwohl es auch manchmal schwierig sein kann“, erzählt sie. Doch die junge Frau mit der leisen, tiefen Stimme ist keine, die sich von Schwierigkeiten aus der Bahn werfen lässt: „Die Kinder kommen aus vielen verschiedenen Ländern und können oft weder deutsch noch englisch. Deshalb suchen wir gemeinsam nach Möglichkeiten, wie wir uns verständigen können. Inzwischen habe ich schon ein paar Brocken arabisch, türkisch und sogar spanisch von den Kindern gelernt.“ Den Rest ihrer freien Zeit füllt Imma mit den Dingen, die ihr am Herzen liegen, vor allem das Theater. Im Publikum, aber auch auf der Bühne. Seit ein paar Monaten ist sie in der Theatergruppe „FroschKultur“ engagiert, die mit dem Stadttheater Trier kooperiert. Außerdem singt sie in dem Chor „The Young Cusanus Generation“ – ein bunt gemischtes Ensemble aus Trier, das 2016 gegründet wurde und sich frei nach Nikolaus von Kues „Einheit in Vielfalt“ auf die Fahnen geschrieben hat.
Kulturelle Unterschiede
Ursprünglich sollte es nach Kanada zum Studieren gehen, berichtet Imma. Die Studiengebühren seien aber sehr hoch gewesen. Ein Besuch ihres Großvaters brachte dann die zündende Idee, nach Deutschland zu kommen. Immas Opa, der Pflegevater ihrer Mutter, ist ein deutscher Kinderarzt aus Münster, der eine Zeitlang in Simbabwe praktiziert hat und dann aus gesundheitlichen Gründen nach Deutschland zurückkehren musste. „Nachdem ich die Schule beendet hatte, arbeitete ich Doppelschichten als Kellnerin und Reinigungskraft. Da war ich 20 Jahre alt und bekam jede Nacht nur drei, vier Stunden Schlaf. In dieser Zeit besuchte uns mein Großvater wieder in Afrika.“ Zufälligerweise wohnte damals eine junge Au Pair aus Simbabwe bei den Nachbarn des Großvaters. Schnell war der Kontakt hergestellt und Imma schrieb sich in einer Schule ein, die Au Pairs nach Deutschland vermittelt. Dort lernte sie fleißig deutsch. Nicht nur die Sprache, sondern auch deutsche Kultur, berichtet sie. Dass man zum Beispiel nicht einfach über die Straße gehen dürfe, sondern Ampeln und Zebrastreifen benutzen solle. Und Mülltrennung natürlich, lacht sie. Auch deutsche Kinder seien anders. Denn es sei in Deutschland gang und gäbe, dass Kinder stets ihre Meinung kundtun dürfen – sagte man ihr dort. „In dem Dorf, aus dem ich stamme, sind Kinder disziplinierter. Wer nicht brav ist, kriegt schon mal eine Backpfeife“ berichtet Imma nüchtern.
Als sie dann endlich in Deutschland und bei ihrer Gastfamilie in Mertesdorf angekommen war, passierten ihr Missgeschicke, auf die sie nicht vorbereitet war. „Ich wusste nicht, dass die Haustüren hier ins Schloss fallen und man einen Schlüssel braucht, um sie wieder aufzusperren“, kichert sie und rügt sich selbst für ihre Naivität damals. Doch statt zu verzweifeln, reagierte Imma pragmatisch: „Zum Glück war das Fenster zu meinem Zimmer ein wenig geöffnet, sodass ich hineinklettern konnte.“ Wenn im Felizianum mal die Tür ins Schloss fällt, ist das kein Problem, denn dort ist man nur allein, wenn man das so möchte. Ansonsten ist immer jemand da, mit dem man quatschen kann. Im Priesterseminar zu leben, war für Imma anfangs seltsam, gesteht sie. „Ein richtiger Kulturschock“, sagt sie kopfschüttelnd und zieht ihre Augenbrauen und Mundwinkel dabei weit nach oben. Zusammenleben mit Priesteramtskandidaten? In ihrer Heimat kaum vorstellbar, erzählt sie. Wo sie herkommt, seien Priester sehr achtunggebietend, stünden regelrecht auf einem Sockel, und der Umgang mit ihnen sei dementsprechend distanziert. Gemeinsam mit den anderen Felixianer*innen und dem Trierer Bischof zu beten, Abend zu essen, Wein zu trinken und zu plaudern, war für sie daher schlicht überwältigend. „Das hätte es in meinem Heimatort nie, nie gegeben. Es hat mir sehr gefallen, dass der Bischof so menschlich und zugewandt mit uns gesprochen hat.“
Im Juli geht das Sprachen- und Orientierungsjahr für Imma und die anderen Felixianer*innen aus ihrem Jahrgang zu Ende. Danach möchte sie in der Region bleiben und eine Ausbildung als Heilerziehungspflegerin beginnen. Bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle und einer Wohnung, aber auch bei der Behördenkommunikation hilft ihr Claudia Lange, die im Leitungsteam des Felixianums vor allem für die Praktika verantwortlich ist. „Sie ist so wundervoll und hilft mir so sehr – ich weiß gar nicht, wie ich ihr danken soll für all das, was sie für mich tut.“
Information Felixianum
Das Felixianum ist eine christliche Orientierungszeit nach der Schule, im Studium, während der Ausbildung, als Berufungs- und/oder Sprachenjahr. Eine Möglichkeit, für zehn Monate mit anderen Menschen zwischen 18 und 30 Jahren in einer WG mit eigenem Appartement mitten im Herzen der Trierer Innenstadt zu leben und Orientierungsangebote und/oder Sprachkurse zu belegen. Wer sich für das Felixianum interessiert, findet hier weitere Informationen: www.felixianum.de. Im Anschluss an den Multimediavortrag „Wildes Europa” am 3. Mai um 14.30 Uhr in der Jesuitenkirche in Trier besteht auch die Möglichkeit, sich persönlich zu informieren.