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Vortrag:Wegweiser für Menschenrechte

Philosophie im ehemaligen Kloster: Der Schweizer Geschichtsprofessor Dr. Jakob Tanner hat auf Einladung der Autobahn- und Radwegekirche St. Paul in Wittlich-Wengerohr die auch nach mehr als 200 Jahren noch immer aktuelle Schrift „Zum ewigen Frieden“ von Immanuel Kant vorgestellt.
Der Züricher Historiker Jakob Tanner bei seinem Vortrag in der Creatio-Akademie St. Paul in Wittlich-Wengerohr.
Datum:
9. Apr. 2025
Von:
Stefan Endres/Paulinus Wochenzeitung im Bistum Trier

Wittlich - Das Werk des Königsberger Philosophen, der von 1724 bis 1804 lebte, ist grundlegend für eine moderne Konzeption des Friedens zwischen Staaten. In seinem Referat „Zum ewigen Frieden – ein philosophischer Entwurf“ sprach Tanner, der lange als Professor für Geschichte an der Universität Zürich tätig war, über die Wirkungs­geschichte und Aktualität der bekannten Schrift. Am Tag, bevor er das Thema am 16. März beim Theologischen Quartett in Trier vorstellte, referierte er darüber in der „Creatio-Akademie“ neben der Autobahn- und Radwegekirche St. Paul in Wittlich. 

Verträge und Völkerrecht müssen den Frieden sichern

Der Königsberger Philosoph habe den Krieg als den „Naturzustand der Menschen“ identifiziert. Der Friede müsse aktiv durch Verträge zwischen Staaten gestiftet und gesichert werden und sich auf Völkerrecht stützen. In seinem 1795 erstmals veröffentlichten Entwurf habe Kant in Form eines Vertrags mit neun Ver- und Geboten die Bedingungen für einen dauerhaften Frieden festgelegt, der mehr ist als ein Waffenstillstand. Angesichts der Kriege unserer Zeit seien Friedenshoffnungen und wertebasierte Ordnungen einer neuen Angst vor dem Recht des Stärkeren gewichen, sagte Tanner zum aktuellen Hintergrund. 

Die Menschenrechte so gut verteidigen wie möglich – dazu kann Kant uns immer noch als Wegweiser dienen.

Historiker Jakob Tanner

Gegen Krieg und Propaganda bedürfe es des Stehvermögens jener, die am unbedingten Vorrang  von Frieden, Freiheit und Völkerrecht mit seinem Gewaltverbot festhalten, resümierte der Historiker. Kant sei kein weltfremder Träumer gewesen, sondern ein „umsichtiger Realist“, der vom „Optimismus der Aufklärung ausgehend auf die politische Wirksamkeit der Vernunft setzte“. 

Ein starkes Gegengift gegen Kriegstreiber

Dem Pazifisten Kant sei es um die Bedingungen gegangen, wie man einen auf Recht begründeten Frieden in Freiheit ermöglichen könne. Seinen Friedensentwurf bewertet Tanner mit Blick auf die (Kriegs-)Geschichte als ein „starkes intellektuelles Gegengift gegen Kriegstreiber“. Der Historiker skizzierte die – trotz allen Unfriedens – „pazifistische Bilanz“ der von Kants Schrift beeinflussten internationalen Verträge und Konferenzen, die ein Gewaltverbot völkerrechtlich festschrieben, den Krieg ächteten und Eroberungskriege eindämmten. „Auch wenn diktatorische Staaten weiterhin angreifen, hat der Krieg als Mittel staatlicher Politik doch stark an Relevanz verloren“, bilanzierte Tanner. 

Das Recht des Stärkeren darf nicht alles dominieren

In seiner Schlussfolgerung gestand der selbsterklärte Pazifist den angegriffenen Ländern ein Recht auf Verteidigung zu. Man solle sie dabei unterstützen, dem Völkerrechtsbruch etwas entgegenzusetzen. Als falsch empfinde der Schweizer jedoch die „Geisteshaltung einer Militarisierung“, die Angriffe geradezu erwarte.

„Wir wollen keine Welt, in der nur das Recht des Stärkeren gilt“ und die durch Überrüstung destabilisiert werde. Stattdessen plädierte Tanner für „eine kontrollierte Rüstungsindustrie, eine Stärkung Europas und eine Reform der UN“. Der Historiker sagte mit Blick auf die von Kants Idee des Völkerbundes geprägten Vereinten Nationen: „Die Menschenrechte so gut verteidigen wie möglich – dazu kann Kant uns immer noch als Wegweiser dienen.“ Im Anschluss hatten die Zuhörenden noch Gelegenheit, sich mit dem Wissenschaftler auszutauschen.