28 Jugendliche waren mit eli.ja auf den Spuren Willi Grafs in München unterwegs:„Willi Graf wollte leben – aber in Freiheit!“
Saarbrücken/München – Wo lebte Willi Graf während seines Studiums in München? Wo traf sich die Widerstandsgruppe Weiße Rose? Und wie sieht das Gefängnis aus, in dem Willi Graf am 12. Oktober 1943 hingerichtet wurde? Auf Spurensuche des Widerstandskämpfers aus Saarbrücken haben sich vom 14. bis 18. Oktober 28 junge Leute im Alter von 12 bis 19 Jahren aus dem Pastoralen Raum Saarbrücken gemacht. Begleitet wurde die Gruppe von Jugendpfarrer Thomas Hufschmidt und Gemeindereferentin Rebecca Benahmed und zwei weiteren Betreuern von der Kirche der Jugend eli.ja, die die Fahrt zum zweiten Mal organisiert hatten. „An Willi Graf zu erinnern, ist uns in eli.ja wichtig. Wir sehen es als unseren Auftrag an, das weiterzugeben, was er begonnen hat“, sagt Hufschmidt. Das Interesse an der Fahrt sei groß gewesen, die Gruppe sei äußerst motiviert: „Die Jugendlichen stellen viele Fragen, man merkt, dass sie sich sehr für das Thema interessieren.“
Besonders die Schilderungen von Juliane Baez, der Großnichte Willi Grafs, die die Gruppe am Dienstag traf, hinterließen einen bleibenden Eindruck. Ihre Großmutter kannte Willi und hatte ihr als Kind einiges über ihn erzählt. Das Treffen fand im Pfarrheim der Kirche St. Sylvester statt, die Willi Graf in München besuchte. „Wir kennen ja nur die wissenschaftlichen Fakten aus den Geschichtsbüchern und wussten nicht, wie er so als Mensch war. Da konnten wir uns ein Stück mehr in seine Situation reinversetzen“, sagt Linda Witt (15) aus Saarbrücken. Denn dass Willi Graf auch mal gerne gefeiert hat, erfährt man aus seinen Tagebüchern nicht. Oft erscheine er als ein immer nachdenklicher Mann, sagt Hufschmidt: „Aber er war ein ganz normaler junger Mensch, der leben wollte – aber in Freiheit.“
Viele Fragen hatten die Jugendliche auch an Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung, die die Gruppe durch die DenkStätte am Lichthof der Ludwigs-Maximilian-Universität führte. „Der Besuch in der Lichthalle, wo wir versucht haben zu rekonstruieren, von wo die Geschwister Scholl die Flugblätter fallengelassen haben, war sehr berührend für mich“, sagt Katharina Morlath aus Saarbrücken. In der Schule hat die 16-Jährige bereits viel über den Widerstand gelernt, doch die historischen Stätten zu sehen, sei etwas ganz Anderes: „Mich hat am meisten beeindruckt, dass wir die Orte, an denen Willi Graf selbst war, besuchen konnten. Hier zu stehen und zu wissen: Hier ist das passiert, ist einerseits ein bedrückendes Gefühl, aber auch ein gutes, weil man sich ein besseres Bild machen kann.“
Am Mittwoch besichtigten die Saarbrücker die KZ-Gedenkstätte in Dachau „Es war gut, dass wir eine Führung hatten und nicht allein darauf losgelassen wurden“, sagt Julian Gundall (17). An dem Ort zu stehen, wo Menschen an anderen Menschen schlimmste Verbrechen verübten, war für die Gruppe ein bedrückendes Erlebnis. Im Anschluss besuchten die Jugendlichen das Kloster Karmel Heilig Blut der Karmeliterinnen, das sich unmittelbar neben dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers befindet. „Es war gut, hier einen Gottesdienst zu feiern, um den Tag gemeinsam zu reflektieren“, sagt Alex Mester (16).
Neben der Konfrontation mit der Geschichte gab es während der Fahrt immer wieder spirituelle Impulse und Gelegenheit zum Austausch über das Erlebte. So feierte die Gruppe in der Münchner Jugendkirche „Zum guten Hirten“ einen Gottesdienst und besuchte den Gedenkgottesdienst, der anlässlich des 81. Todestags Willi Grafs in München gefeiert wurde. „Es war gut, eine Brücke zu den Menschen zu schlagen, die sich in München für die Erinnerung an Willi Graf einsetzen“, sagt Hufschmidt.
Mit Johannes Modesto, dem Postulator des laufenden Seligsprechungsverfahren, besichtigte die Gruppe das Wohnhaus Willi Grafs sowie das Gefängnis in Stadelheim, wo er hingerichtet wurde. Vor der Abreise feierte die Gruppe noch einen Gottesdienst, in dem sie alle Erlebnisse der Woche zusammentrugen. Jeder der Teilnehmenden hatte zu Beginn der Fahrt ein eigenes Tagebuch erhalten, das sie mit ihren Erkenntnissen und Erfahrungen gefüllt haben.
Eine Erkenntnis vieler Teilnehmenden war, dass man auch schon in jungen Jahren anfangen kann, Verantwortung zu übernehmen. „Willi Graf hat nicht erst als Student Widerstand geleistet, sondern sich bereits als Jugendlicher gegen das NS-Regime gestellt, in dem er bewusst nicht der Hitlerjugend beigetreten ist“, so die Jugendlichen. Damals war er so alt wie sie heute.