80. Todestag des NS-Widerstandskämpfers Willi Graf:Willi Grafs Werk auf heutige Weise weiterführen
Saarbrücken – Mit einer Gedenkveranstaltung und Kranzniederlegung am Grab auf dem Saarbrücker Friedhof St. Johann sowie einem Gottesdienst in der Kirche der Jugend eli.ja haben Bürgerinnen und Bürger anlässlich des 80. Todestags des Widerstandskämpfers Willi Graf gedacht. Graf, Mitglied der „Weißen Rose“, war am 12. Oktober 1943 von den Nationalsozialisten wegen seiner Beteiligung an den Flugblättern, nach über 250 Tagen in der Todeszelle von den Nationalsozialisten hingerichtet worden. Neben Weihbischof Franz Josef Gebert nahmen Landtagspräsidentin Heike Becker, Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt, der französische Generalkonsul Sebastién Girard und die Großnichte von Willi Graf, Juliane Baez, an den Gedenkveranstaltungen teil.
Handeln Grafs ist Verpflichtung für uns heute
„Willi Graf, seine Mitstreiter und auch andere traten ein für das Ende eines sinnlosen Krieges, einer menschenverachtenden Diktatur. Sie traten aber auch ein für die Freiheit der persönlichen Entfaltung, für Menschlichkeit, Toleranz, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Den Einsatz für diese Werte hat Willi Graf mit seinem Leben bezahlt“, sagte Conradt. Er erinnerte daran, dass Willi Graf, der im Alter von vier Jahren mit seiner Familie nach Saarbrücken gezogen war, vor genau 20 Jahren posthum zum Saarbrücker Ehrenbürger ernannt worden war. „Unsere Demokratie ist auch heute in Gefahr“, warnte er, „jeder einzelne trägt auch Verantwortung für unser Land und unsere Demokratie genau wie Willi Graf gesagt hat: Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung.“
Auch Landtagspräsidentin Becker betonte die Bedeutung Willi Grafs für die heutige Gesellschaft: „Unsere Demokratie, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung sind in diesen Zeiten unter Druck. Politische Kräfte zerren an ihr, in dem sie Hass und Hetze verbreiten mit populistischen Parolen und gezielten Desinformationskampagnen Stimmung machen.“ Sie zitierte aus seinen Briefen und lobte seinen Mut und seine Entschlossenheit auch angesichts des Todes: „Graf kämpfte für die Freiheit und gegen Ungerechtigkeit. Er kämpfte gegen Rechtsextremisten, die heute wieder gewählt werden. Jeder hat das Recht und die Verantwortung, sich gegen verfassungsfeindliche Kräfte zu stellen.“
Dank für gute Erinnerungsarbeit
Juliane Baez, die in Vertretung ihres erkrankten Vaters Joachim Baez nach Saarbrücken gekommen war, dankte im Namen ihrer Familie den Verantwortlichen für ihr Engagement in der Erinnerungsarbeit. Sie hatte den Vormittag mit Schülerinnen und Schülern der Willi-Graf-Schulen verbracht. „Was hätte ich Willi gefragt?“, hätten die Schüler von ihr wissen wollen. „Vielleicht, wie er es geschafft hat, diese Stärke und diesen Mut aufzubringen“, meinte sie. Auch sie kenne Willi nur aus vielen Erzählungen der Familie. „Wir können versuchen, sein Werk weiterzuführen auf andere Weise“, sagte sie.
Die Gedenkfeier auf dem Friedhof wurde musikalisch umrahmt von einer Bläsergruppe der Willi-Graf-Schulen. Schülerinnen und Schüler des Saarbrücker Ludwigsgymnasiums, an dem Graf sein Abitur machte, lasen aus den Flugblättern der „Weißen Rose“.
An Bedeutung des Glaubens für Willi Graf erinnert
Zu Beginn des Gedenkgottesdienst um 17 Uhr – der Todesstunde Willi Grafs – läuteten zwei Schüler des Ludwigsgymnasium die vor drei Jahren eingeweihte Willi-Graf-Glocke im Turm der Jugendkirche. Täglich läuten Freiwillige die Glocke, um so weithin hörbar an den Widerstandskämpfer und seine Mitstreiter zu erinnern. „Wir feiern an diesem Tag auch seinen festen Glauben, der – wie sein Tagebuch und seine Briefe zeigen – für ihn enorm wichtig war“, sagte Jugendpfarrer Thomas Hufschmidt. Der Gottesdienst, der von Schülerinnen und Schülern des Ludwigsgymnasiums sowie der Willi-Graf-Schulen mitgestaltet wurde, griff bewusst Bibelpassagen auf, die für Willi Graf entsprechend seiner Aufzeichnungen eine hohe Bedeutung hatten. Dazu gehören der Psalm 90, den seine Schwester auf seine Bitte hin im Gedenken an ihn beten sollte und der Prolog des Johannes-Evangeliums, der die Gegensätze von Leben und Tod, Licht und Finsternis thematisiert. „Auch wir dürfen nie aufhören, Licht in die Finsternis zu tragen, damit sie nicht alles auslöscht. Es braucht die Dynamik aus Licht und Leben, damit die Finsternis nicht gewinnt“, sagte Hufschmidt. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die aktuelle Weltlage mit Kriegen in Israel und der Ukraine sowie einer zunehmenden Radikalisierung bei uns.
Mit dem Gottesdienst endete die Veranstaltungsreihe anlässlich des 80. Todestags und des 20-jährigen Bestehens der Ehrenbürgerschaft, zu der die Landeshauptstadt gemeinsam mit der katholischen Kirche St. Johann, der Jugendkirche eli.ja, dem Ludwigsgymnasium und den Willi-Graf-Schulen eingeladen hatte. Seit 5. September waren alle Interessierten zu Vorträgen, Gottesdiensten und thematischen Stadtrundgängen eingeladen.