Adveniat-Gast Padre Marco Gómez:„Wir dürfen nicht wegsehen“
Neunkirchen – Wer hierzulande an Panama denkt, denkt vielleicht zuerst an den Panama-Kanal, die Panama-Papers oder das Kinderbuch „Oh wie schön ist Panama“. Nur den wenigsten in Europa dürfte dabei ohne Weiteres der Darién-Dschungel einfallen, den jedes Jahr abertausende Flüchtlinge aus Lateinamerika unter Einsatz ihres Lebens auf ihrem Weg Richtung USA im Norden durchqueren. Auf ihr Schicksal macht die diesjährige Weihnachtsaktion des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat unter dem Motto „Flucht trennt. Hilfe verbindet.“ aufmerksam.
Einer, der die Situation in Panama sehr gut kennt, ist Pater Marco Gómez. Der gebürtige Guatemalteke ist Direktor der Hilfsorganisation Fe y Alegría (Glaube und Freude) der Jesuiten in Panama. Mit seinem zwölfköpfigen Team betreut er geflüchtete Menschen in Panama-Stadt, der Hauptstadt des mittelamerikanischen Landes. Zurzeit ist er im Bistum Trier unterwegs und berichtet von der Situation vor Ort. Am Mittwoch, 13. Dezember, war er im Neunkircher Begegnungscafé momentum – Kirche am Center zu Gast.
"Wer die Schlepper nicht bezahlt, bleibt zurück"
„Einer von fünf geflüchteten Menschen weltweit kommt aus Lateinamerika“, nennt Pater Gómez Zahlen. Existentielle Not durch steigende Preise für Lebensmittel und Energie sowie Hunger, Verfolgung, Gewalt und zunehmend immer mehr politische Krisen vertrieben Menschen aus ihrer Heimat. „Flucht ist für die Menschen die letzte Möglichkeit. Viele lassen ihre Familien zurück, weil sie ihnen den gefährlichen Weg nicht zumuten wollen. Allein aus Venezuela flohen bisher 7,7 Millionen Menschen“, sagt der Jesuit. Die Zahl der Geflüchteten steige: Kamen 2021 rund 133.000 Menschen in Panama an, stieg die Zahl 2022 auf 250.000. In diesem Jahr seien es bereits eine halbe Million. Panama selbst zähle 4,2 Millionen Einwohner. Die meisten Geflüchteten stammten aus Venezuela, Ecuador, Haiti und Kolumbien, unter ihnen seien aber auch häufig Chinesen, Afrikaner und Nepalesen. „Die meisten wollen in die USA, aber inzwischen steigt die Zahl derer, die in Panama bleiben wollen“, berichtet Marco Gómez. Die Chance auf eine legale Aufenthaltserlaubnis in den Vereinigten Staaten, die einen Familiennachzug ermöglichen würde, hätten die wenigsten.
Alle diese Menschen mussten auf ihrer Flucht den Darién-Dschungel durchqueren – er ist die einzige Unterbrechung der Panamericana, der Straße, die den gesamten Kontinent von Alaska bis Argentinien durchmisst. Start auf der „Route des Todes“ ist die kolumbianische Küstenstadt Necoclí, wo die Migration zum Menschenhandel wird. „Ab hier übernehmen Schlepper das Geschäft“, erklärt Gomez, „bewaffnete Gruppen kontrollieren die Route. Wer nicht zahlt, bleibt zurück.“ Im Darién erwarten sie Sümpfe, giftige Schlangen, Raubtiere und die organisierte Kriminalität, Hinrichtungen oder Vergewaltigungen. „Wer es durch den Darién geschafft hat, auf den wartet am Ausgang oft das Militär. Ein Großteil der Menschen wird direkt in Busse verfrachtet und an die Grenze zu Costa Rica gefahren. Dafür müssen die Menschen 60 Dollar zahlen, die an die panamaische Regierung gehen“, sagt Gomez. Medizinische Versorgung oder Trinkwasser und Essen gebe es von staatlicher Seite nicht. Hier setzten Hilfsorganisationen wie Fe y Alegría an – die Helfer versorgen die Ankommenden medizinisch und mit Mahlzeiten. Auch sei es ein Anliegen, Menschen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihr eigenes Einkommen erwirtschaften können, um ein eigenständiges, würdevolles Leben zu führen. „Wir fördern Kleinunternehmertum. Vor allem Frauen sind eine wichtige Zielgruppe, da sie es in der Regel sind, die die Kinder versorgen“, so Gomez. Er dankte der deutschen Zivilgesellschaft, die mit ihren Spenden in der Weihnachtskollekte seine und andere Hilfsorganisationen in Lateinamerika unterstützten.
Glaube gibt Halt
„Die beste Lösung wäre es, wenn die Regierungen in den betreffenden Ländern den Willen zeigen würden, sich um ihre Bevölkerung zu kümmern, ihnen Menschenrechte und Sicherheit zu garantieren, damit die Menschen bleiben“, findet der Jesuiten-Pater. Doch viele politische Systeme seien korrupt, Mafia und Drogenkartelle beeinflussten staatliches Handeln. „Die Arbeit ist oft sehr frustrierend“, gibt Marco Gomez unumwunden zu, „aber der Glaube gibt uns Halt. Jesus war auch ein Flüchtling. Wir dürfen nicht wegsehen, das ist das Wichtigste.“
Info:
Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Adveniat fördert Projekte, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Armen. Adveniat unterstützt in Lateinamerika und der Karibik im Jahr rund 1.480 Projekte.
Spendenkonto:
IBAN: DE03 3606 0295 0000 0173 45
SWIFT-BIC-Code: GENODED1BBE