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Herz-Jesu-Haus eröffnet Ausstellung über das Schicksal von 150 Bewohnerinnen:„Wir müssen sterben, wir werden verbrannt“

Vor 80 Jahren wurden insgesamt 150 Bewohnerinnen des Herz-Jesu-Hauses Kühr deportiert. Ihr Schicksal wird nun in einer Ausstellung erlebbar.
Eine Box mit alten schwarz-weiß Fotos.
Datum:
9. Mai 2023
Von:
Julia Fröder

Niederfell/Kühr – „Die Ausstellung ist für die Besucherinnen und Besucher eine Zumutung und eine Herausforderung“, das hat Claudia Schönershoven zur Begrüßung zugegeben. Die Geschäftsführerin und Pädagogische Leiterin des Herz-Jesu-Hauses Kühr eröffnete am 8. Mai die Ausstellung „Gegen das Vergessen“ über das Schicksal von 150 Bewohnerinnen, die vor 80 Jahren in Tötungsanstalten nach Klagenfurt, Altscherbitz und Stadtroda deportiert wurden. Joachim Hennig, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz“, hatte die Biografien der Mädchen und Frauen recherchiert, die nun zusammen mit dem zeitgeschichtlichen Rahmen auf Stelen im Antoniussaal des Herz-Jesu-Hauses zu sehen sind. „Die Ausstellung soll erinnern und dazu ermahnen, überall für Menschenwürde einzutreten“, erklärte Schönershoven. Die Aufarbeitung dieses Kapitels in der nunmehr 151-jährigen Geschichte des Zentrums für Menschen mit geistiger Behinderung war der heutigen Leitung ein großes Anliegen.

„Das drohende Schicksal war den Bewohnerinnen bewusst“, berichtete Kurator Hennig. Dies leite er ab aus dem überlieferten Hilferuf: „Wir werden verbrannt, wir müssen sterben.“ Anhand von detaillierten Aufzeichnungen in sogenannten Abgangsbüchern und Krankenakten konnte der ehemalige Richter am Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Schicksale von zwei Dritteln aller verlegten Personen durch Archivarbeit nachvollziehen. Die jüngste Verschleppte war damals erst drei Jahre alt.

88 Mädchen und Frauen der 150 verschleppten Bewohnerinnen seien verstorben, 14 überlebten und drei kehrten nach dem Krieg zurück ins Herz-Jesu-Haus, von 48 Personen sei das Schicksal unbekannt. „Hinter diesen Zahlen stehen Schicksale, die oft lange verschwiegen wurden“, berichtete Hennig.

Erinnerungen wachhalten

Besucher betrachten Fotos der Ausstellung im Herz-Jesu-Haus Kühr.

Die Begebenheiten am 6., 7. und 8. Mai 1943 werden auch immer wieder durch die Mitarbeitenden mit den heutigen Bewohnerinnen und Bewohnern thematisiert, zuletzt in einem Gottesdienst, bei dem 150 Kerzen zur Erinnerung an die Deportierten aufgestellt wurden.

Schönershoven und Hennig wünschen sich, dass die Ausstellung viele Menschen erreiche, daher sind sie bereits im Gespräch mit Schulen. Interessierte können sich für den Besuch der Ausstellung unter folgender Telefonnummer anmelden, Tel.: 02607-69-0.

Weitere Informationen zur Arbeit des Vereins „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz“ gibt es auf www.mahnmalkoblenz.de.

Das Herz-Jesu-Haus Kühr bietet Wohnmöglichkeiten für 300 Frauen und Männer, eine Integrative Kindertagesstätte, eine Schule mit den Förderschwerpunkten ganzheitliche und motorische Entwicklung und eine Tagesförderstätte sowie eine Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung. Das Herz-Jesu-Haus Kühr ist Mitglied des Caritas-Verbandes.