Bundesauftakt der Interkulturellen Woche 2024 in Saarbrücken gefeiert:Zu Vorbildern der Gastfreundschaft werden
Saarbrücken – In der Saarbrücker Bahnhofstraße geht es immer multikulturell zu. An diesem Samstagnachmittag scheint die beliebte Einkaufsstraße noch einmal voller und internationaler als gewöhnlich. Auf dem Weg zu Fuß von der Europagalerie in Richtung St. Johanner Markt begegnen sich Menschen in modern-westlicher Kleidung, andere tragen traditionelle Gewänder aus anderen Kulturkreisen, mehr als ein Dutzend verschiedene Sprachen sind zu hören. Die Menschen genießen das spätsommerliche Herbstwochenende.
„In Saarbrücken leben wir Multikulturalität 365 Tage im Jahr, hier leben Menschen aus 100 Nationen friedlich zusammen“, verkündet Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt von der Bühne Tblisser Platz vor dem Saarländischen Staatstheater. Hier wird in diesem Jahr die bundesweite Interkulturelle Woche mit einem „Fest der Vielfalt“ und einem ökumenischen Gottesdienst feierlich eröffnet, mit einem Bühnenprogramm und vor allem vielen kleinen Ständen, an denen sich Gäste informieren und stöbern können. Auf der Showbühne sorgen unter anderem die Jugendbigband „JazzTrain“ und Afrofunk-Sänger Oku für Stimmung.
Am frühen Nachmittag ist es dort im Vergleich zur turbulenten Bahnhofstraße noch überschaubar besucht, dem spätsommerlich heißen Wetter geschuldet. Erst zur Kaffeezeit, als die ersten Schatten länger werden, füllt sich der Platz. Am Stand der Diakonie Saar ist der Schatten bereits angekommen. Hier gestalten Kinder und Erwachsene fleißig bunte Wimpel. Am Tischkicker und der Weltkarte des Kolping-Mobils trotzen Spielfreudige der Sonne. Neben den kirchlichen Verbänden sind vor allem interkulturelle Vereine, Projekte und Initiativen bei dem Fest vertreten. Sie wollen sich vorstellen, mit den Menschen ins Gespräch kommen – wie der Interreligiöse Dialog Saarbrücken mit einem religiösen „Speeddating“ – oder auf die Herausforderungen aufmerksam machen, mit denen sie sich in ihrem Alltag konfrontiert sehen.
So weiß Catharina Döbrich von der Präventionsstelle „Yallah“ zu berichten, dass es in diesem Sommer zu Vorfällen in Schwimmbädern kam, bei denen Frauen im Burkini gebeten wurden, das Bad zu verlassen. Unter anderem gegen diese Form von antimuslimischen Rassismus setzt sich ihre Fachstelle ein.
Nicht nur solche Vorfälle sind es, auf die auch Dr. Beate Sträter, die Vorsitzende des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses zur Interkulturellen Woche, in ihrem Grußwort eingeht. Es sei schockierend, dass viele Menschen sich fragten, wie lange sie noch sicher in Deutschland leben könnten. Besonders im Blick auf den Osten Deutschlands sei es mittlerweile aber auch mit Gefahren verbunden, sich für Zugewanderte zu engagieren. „Alle Menschen, die sich für ein friedliches Zusammenleben einsetzen, verdienen unseren Respekt", betont Sträter.
Mit einem abendlichen ökumenischen Gottesdienst zum Abschluss des „Festes der Vielfalt“ feierten die Kirchen als Trägerinnen der Interkulturellen Woche „ihre“ Eröffnung. Im Mittelpunkt standen die Gedanken dreier leitender Geistlicher zum Motto der diesjährigen Interkulturellen Woche „Neue Räume“.
Der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann bezog sich auf die Abrahamsverheißung im Alten Testament, in der Gott Abraham am Ende ein Land mit Frieden und Freiheit verspricht, nachdem sein Volk jedoch zunächst Ungerechtigkeit und Unterdrückung erfahren wird. Diese biblische Geschichte lehre uns, so Ackermann, dass „Neue Räume“ nicht von sich aus schön und gut seien, sondern „es ist notwendig, diese zu gestalten“. Es sei der Auftrag an die Menschen, „Räume zu eröffnen, in denen Menschen mit ihren Lebensgeschichten, mit ihren leidvollen Erfahrungen, mit ihren Stärken und Schwächen einen Platz haben".
Nach einem Rezept gegen Pessimismus und Fatalismus angesichts des „Katastrophen-Krisen-Cocktails“, der täglich in der Welt serviert werde, suchte Präses Dr. Thorsten Latzel von der Evangelischen Kirche im Rheinland. Es brauche gerade in der heutigen Zeit „Hoffnungs-Geschichten, die Mut machen, sich in neue, weite Räume aufzumachen“, sagte Latzel, verbunden mit der Empfehlung: „Einfach mal machen“.
Mit sehr persönlichen Worten beschrieb Bischof Emmanuel von Christoupolis von der Griechisch-Orthodoxen Kirche die immense Bedeutung der Gastfreundschaft, die im alten Griechenland zur „heiligen Institution“ erwachsen sei. Gastfreundlich zu sein schaffe neue Räume. Die Bereitschaft dazu aber entspringe im Herzen. Auch wenn seiner Erfahrung nach manch einer noch eine Lektion in Sachen Gastfreundschaft benötige, sei er zuversichtlich, denn „der Herr ermuntert uns Vorbilder zu sein“. Für eine mitreißende und bisweilen berührende musikalische Gestaltung des Gottesdienstes sorgten der GospelChor Saarbrücken sowie Gesangsensembles der französisch- und der polnischsprachigen katholischen Gemeinden in Saarbrücken und der Ukraine-Freunde Saar.
Die Interkulturelle Woche läuft noch bis zum 29. September. Auch in Saarbrücken werden bis dahin noch vielfältige Veranstaltungen angeboten.
Mehr zum Programm: www.saarbruecken.de/ikw
Hintergrund:
Die bundesweite Interkulturelle Woche (IKW) findet seit 1975 immer Ende September statt. Sie wird unterstützt und mitgetragen von Kirchen, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Integrationsbeiräten und -beauftragten, Vereinen, Bildungsträger:innen, Migrant:innenorganisationen, Religionsgemeinschaften und Initiativgruppen. In fast 700 Städten und Gemeinden werden rund 5.000 Veranstaltungen durchgeführt. Der "Tag des Flüchtlings", dieses Jahr am 27. September, ist Bestandteil der Aktionswoche. Die IKW ist eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Das Motto für 2024 lautet "Neue Räume".
Weitere Informationen im Internet unter www.interkulturellewoche.de