Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche und Politik diskutierten über Sexualmoral und Prävention:Zuhören und ernst nehmen am wichtigsten
Dudweiler - Einfach darüber reden, auch schwierige Dinge offen ansprechen. Mit dieser Maxime versammelten die Organisatoren der Ökumenischen Kirchentage Dudweiler Aktive in der kirchlichen Präventionsarbeit und der Lokalpolitik unter dem heiklen Thema „Kirche und Sexualität“ zu einer Podiumsdiskussion.
Sommerlicher Temperaturen zum Trotz waren 30 Menschen in die Dudweiler Kulturfabrik zusammengekommen, um dem nicht gerade leichten Thema zu folgen. Die einzige evangelische Vertreterin auf dem Podium, Ulrike Zuda-Tietjen, die vor ihrem Ruhestand maßgeblich am Schutzkonzept ihres Kirchenkreises beteiligt war, hatte einen schwierigen Part. Viele große Streitpunkte in der katholischen Kirche werden in der evangelischen Kirche schon lange gelebt, etwa Frauen im Pfarramt. Dennoch habe auch die evangelische Kirche in manchen Fragen lange gebraucht und hart mit sich gerungen, um das derzeitige Ergebnis zu erreichen. „In der Homosexualität haben wir zu lange versucht, den Deckel drauf zu halten“, bedauerte die ehemalige Jugendreferentin.
Mit Selbstkritik im Umgang mit den Opfern wurde vor allem von den katholischen Vertretern auf dem Podium nicht gespart. So war es an Dr. Andreas Zimmer, dem Leiter der Präventionsstelle im Bistum Trier, zu bekennen, dass vieles im Umgang mit Missbrauchsopfern und -tätern in der Vergangenheit unwürdig und amateurhaft gewesen sei. „Ein Großteil derjenigen, die Missbrauch erlitten haben, sind in der Kirche. Eigentlich sind die Betroffenen die Kirche“, so Zimmer, daher sei ihnen die Amtskirche Rechenschaft schuldig. Tatsächlich sei es meist umgekehrt gewesen, man habe den Betroffenen häufig keinen Glauben geschenkt, Übergriffe seien kleingeredet wurden, fand auch Ulrike Laux von der Abteilung Jugend des Bischöflichen Generalvikariats Trier.
„In jeder Kirche ist ein Kreuz, an dem ein Opfer hängt. Deshalb ist es eigentlich keine Frage, wer im Mittelpunkt stehen sollte“, betonte Zimmer. Bei Tätern hätte man viel früher sagen müssen „Ende – Gelände“. Hinzu komme die fehlende Konsequenz im Umgang mit Tätern. „Das öffnet eine breite Missbrauchstür, wenn die Täter merken, dass sie nur versetzt werden und ihnen sonst nichts passiert“, glaubte auch Ulrike Zuda-Tietjen.
Genau das waren aber Punkte, die die beiden Vertreter der Kommunalpolitik auf dem Podium von den Kirchen erwarteten – ernst gemeinte Aufklärung. Gerade die sei aber scheinbar von Seiten der kirchlichen Verantwortlichen nicht erwünscht. Beispielsweise habe der Alt-Papst, Benedikt XVI., durch seine Äußerungen nicht den Eindruck erweckt. Oder gar der Kölner Erzbischof Woelki. In der Politik sei so ein Verhalten undenkbar, bemerkte der Dudweiler Bezirksbürgermeister Ralf-Peter Fritz: „Einem Politiker hätte man in so einem Fall den Rücktritt nahegelegt.“
Tobias Raab vom Dezernat für Soziales der Stadt Saarbrücken sah vor allem einen Unterschied in der Zusammenarbeit mit den Strafbehörden. „Es gibt eine enorme Zurückhaltung des Staats gegenüber der Strafverfolgung im kirchlichen Raum. Um Zugang zu Akten zu erhalten, muss der Staat in den Kirchen sein Recht durchsetzen“, stellte Raab, der selbst Jurist ist, dar. In einer Kommune müsse er das gar nicht, da Akteneinsicht selbstverständlich wäre.
Ein Grundproblem sahen die Diskutanten alle in der kirchlichen Hierarchie. Für Andreas Zimmer geht damit ein Mentalitätsproblem einher. In früheren Jahren hätten die Kinder sich bekreuzigt, wenn der „Herr Pastor“ an ihnen vorbei die Straße entlangging. Heute werde ein grundlegend anderes Leitungsverständnis gebraucht: Der Leitungsbegriff der alten Kirche, in der Entscheidungen in der Gruppe getroffen wurden, müsse neu gelernt werden.
Glauben schenken, ihnen zuhören und sie auffangen, für Ulrike Laux sind das die drei Punkte, auf die es in der Arbeit mit Betroffenen ankomme. Die Perspektive der Opfer einzubeziehen, bezeichnete sie als besonders wertvoll.
Um die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, gebe es vielfältige Angebote zur Prävention und Hilfe. Inzwischen sind Präventionsschulungen ein verpflichtender Teil der Pfarramtsausbildung beider Konfessionen, für Ehrenamtliche gibt es ebenfalls spezielle Fortbildungsmodule, die je nach Tätigkeitsbereich obligatorisch sind. Es gibt Hotlines und Beratungsstellen, an die sich Betroffene vertraulich wenden können.
Und auch die lange verpönte Sexualbildung ist heute Teil des Präventionskonzepts. „Es geht darum, Sprachfähigkeit zu vermitteln, Gesprächspartner für Kinder und Jugendliche zu sein“, so Laux. Damit die Kirchen wieder zu Räumen werden, in der Menschen sich öffnen können.