Familienbildungsstätten suchen kreative Lösungen – Existenz der Vereine bedroht:Auch in der Krise für Familien da sein
Trier – Still und leer: Ein ganz und gar ungewohntes Bild bietet sich derzeit in der Familienbildungsstätte (FBS) Remise im Stadtteil Trier-Ehrang. Wo normalerweise Babys vor Freude quietschend über den Boden krabbeln, Kleinkinder mit Klanghölzchen oder Trommeln erste musikalische Gehversuche wagen, wo Männer und Frauen zu House-Beats ihre Körper zum Schwitzen bringen oder in Kreativkursen ihre Fertigkeiten mit Tusche oder Pinsel verbessern, herrscht seit der Corona-Krise Ausnahmezustand. Brunhilde Steinmetz, Leiterin der Remise, sitzt in Ermangelung von Büroräumen derzeit im Werkraum – die vorgeschriebenen Abstandregelungen zu ihren fest angestellten Mitarbeiterinnen könnte sie an der Rezeption nicht einhalten. „Als es Mitte März hieß, die Schulen und Kitas schließen, waren wir kurz in einer kleinen Schockstarre, aber dann mussten wir schnelle Entscheidungen treffen“, erzählt sie.
Gemeinsam mit dem Vorstand des eingetragenen Vereins wurde beschlossen, die Remise zu schließen, zunächst für zwei Wochen. Dass es noch viele weitere werden sollten, ahnte da noch niemand. Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden angeschrieben, Telefonate mit den selbstständigen Honorarkräften geführt – dann stand das Team vor der Frage, wie es nun weitergehen sollte. „Was müssen wir ausfallen lassen, was können wir vielleicht digital anbieten, wie geht es finanziell weiter, wenn so viele bezuschussungsfähige Veranstaltungen wegfallen? All dies galt es zu organisieren“, berichtet Steinmetz. Vor allem das vielfältige Angebot an Sportkursen für alle Altersklassen ließ sich gut digital umstellen: Inzwischen ist das Team stolz darauf, von montags bis donnerstags jeden Abend einen Sportclip anzubieten – von Physiopilates bis zum „Traumkörper-Training“, der dann am heimischen Bildschirm abgerufen und mitgeturnt werden kann. Auch Elterninformationsveranstaltungen wurden per Videokonferenz abgehalten. Doch die Größe der Räume in der Remise stellt Steinmetz auch nach den Lockerungen des Landes vor große Probleme: In unseren Saal kann ich vielleicht zehn Leute plus Kursleitung lassen, bei manchen Angeboten auch nur sechs. Es ist kaum möglich, so wirtschaftlich zu arbeiten.“
Persönliche Begegnung zwischen den Menschen aller Altersstufen
Ähnlich wie Steinmetz geht es auch Brunhilde Werner, Leiterin der Familienbildungsstätte Trier. „Die Familienbildungsstätten leben ja gerade von der persönlichen Begegnung zwischen den Menschen aller Altersstufen. Das tut schon etwas weh, wenn das wegfällt“, bedauert sie. Am gleichen Wochenende wie die Remise schloss auch die FBS in Trier ihre Pforten. Als sich die Lage zuspitzte, ließ Werner für ihre Mitarbeiterinnen Homeoffice einrichten – „ein nicht zu unterschätzender finanzieller Aufwand für einen Verein wie die FBS“, wie sie betont. „Dann mussten wir kreativ werden und schauen, was wir noch anbieten können und wie wir für das nächste Halbjahr planen können. Ein wichtiges Ziel war für uns, unseren Kunden zu zeigen, dass wir immer noch für sie da sind, dass der Kontakt nicht abbricht wegen der Pandemie.“ So wurden etwa telefonische Elternsprechstunden angeboten, und auch die immer sehr gut angenommenen Trauergespräche für Angehörige wurden per Telefon geführt. „Vier Ehrenamtliche haben die Teilnehmer des „Lebenscafés“ auf diese Art betreut – und das hat vielen sehr gut getan, wie sie uns rückgemeldet haben“, sagt Werner.
Trotzdem sei dies kein adäquater Ersatz für den persönlichen – auch physischen – Kontakt, gerade für ältere Menschen in Trauer. „Man darf nicht unterschätzen, wie wichtig es ist, einander die Hand zu geben, sich kurz berühren oder gegenseitig in den Arm nehmen zu können“, betont Werner. Auch die anderen Kursleitungen schickten „kleine Lebenszeichen“ an ihre kleinen und großen Teilnehmer: Etwa ein kurzes Lied, rhythmisch begleitet von Küchenutensilien zum Nachmachen für zu Hause oder eine Unterhaltungstüte mit Rätseln, Geschichten und Bastelmaterialien mit dem Aufruf an die Kinder, Regenbögen zu basteln und diese an die FBS zurückzusenden. Die farbenfrohen Regenbögen zieren inzwischen als Zeichen der Hoffnung die Fensterscheiben der Einrichtung. „Es hat etwas mit der Wertschätzung für die Menschen zu tun, die zu uns kommen. Dass man nicht einfach nur sagt: Das sind zahlende Kunden – und nicht mehr. Wir wollten zeigen, dass sie uns am Herzen liegen, dass wir sie nicht vergessen“, sagt Werner. So wurde auch ein wöchentliches Videotreffen für Alleinerziehende durchgeführt und einige Kurse digital angeboten. Während der letzte Ferienspaß für Schulkinder ebenfalls ausfallen musste, hat das Team für den Sommer einen Plan ausgetüftelt, wie die Ferienzeit-Betreuung trotzdem gelingen kann – inklusive Abstands- und Hygienevorschriften. „Gerade alleinerziehende und voll berufstätige Eltern entlastet das Angebot, bei dem es jetzt drei feste Gruppen geben soll. Dafür musste Werner jedoch zusätzliches Betreuungspersonal einstellen – das „uns locker 2.000 Euro mehr kostet, die wir nicht auf die Eltern umlegen wollen“, wie Werner berichtet.
Finanzielle Sorgen
Zu dem hohen Planungs- und Organisationsaufwand kommen für die Familienbildungsstätten also auch finanzielle Sorgen, vor allem für jene im rheinland-pfälzischen Teil des Bistums, wie Anke Jakobs-Rohles erklärt. Die Referentin für die Familienbildungsstätten im Bistum Trier erläutert: Normalerweise bemessen sich die Bezuschussungen für Kurse und andere Angebote nach den erbrachten Leistungen des vergangenen Jahres. Wenn 2020 also rund ein Drittel der Veranstaltungen und Angebote wegfällt, werden diese eben nicht in die Zuschüsse des Landes für 2021 eingerechnet.“ Zwar gebe es Rücklagen und die Einsatzbereitschaft aller, Angebote umzustellen und kreative Lösungen zu finden sei hoch, trotzdem gefährde die Krise die Existenz der Familienbildungsstätten als eingetragene Vereine. Genau wie sie wünscht sich auch Nils Zimmermann, Vertreter der rheinland-pfälzischen Familienbildungsstätten in der Landesarbeitsgemeinschaft andere Signale vom Land: „Keiner der Rettungsschirme des Landes oder des Bundes ist für unsere Einrichtungen praktikabel, da sie die Zahlungsunfähigkeit der Einrichtungen voraussetzen“, so Zimmermann. Wünschenswert wäre eine unbürokratische Lösung wie im Saarland, wo die Bildungsministerin früh in der Krise die Zusage gab, dass die in diesem Jahr erbrachten Unterrichtsstunden nicht für die Bemessung der Zuwendungen zu den Personalkosten herangezogen werden.
Trotz aller Sorgen um Finanzen und Angebotsstruktur blicken die beiden Leiterinnen der Trierer Familienbildungsstätten positiv in die Zukunft. „Aus der Krise können wir auch Positives mitnehmen“, sagt Steinmetz. „Es hat mich gerührt, dass sich viele unserer Kunden solidarisch gezeigt haben und ihre Beiträge für Kurse nicht zurückverlangt haben, sondern gespendet haben, sodass wir unsere freien Honorarkräfte bezahlen konnten, die ja auch von etwas leben müssen. Das bedeutet ja auch, dass sich die Leute mit uns verbunden fühlen, sich bei uns zuhause fühlen.“
(sb)