Zum Inhalt springen

Wie die Katholische KiTa gGmbH Saarland den Quereinstieg in den Erzieherberuf ermöglicht:Aus der Kanzlei in die Kita: Daniela Cancemi wagt den Wechsel zur Erzieherin

Die 42-Jährige startet dank dem neuen saarländischen Bildungs-, Erziehungs-, und Betreuungsgesetz als Quereinsteigerin in den Beruf als staatlich anerkannte Erzieherin.
Kita-Leiterin Patricia Rammacher und Quereinsteigerin Daniela Cancemi.
Datum:
22. Juni 2023
Von:
Ute Kirch

Winterbach In ihrem erlernten Beruf war Daniela Cancemi zunehmend unglücklich, doch nach dem langen Jura-Studium und zwei bestandenen Staatsexamen mit Anfang 30 die Arbeit als Anwältin aufzugeben, erfordert Mut. Doch auch fast zehn Jahre später bereut sie den Wechsel nicht: „Die Arbeit mit Kindern liegt mir einfach und macht mir großen Spaß“, sagt die 42-Jährige. In wenigen Monaten wird sie den sogenannten Anpassungslehrgang an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Saarbrücken als staatlich anerkannte Erzieherin abschließen. Möglich wird das durch das neue saarländische Bildungs-, Erziehungs-, und Betreuungsgesetz (SBEBG), das Kindertageseinrichtungen ermöglicht, sogenannte „profilergänzende Kräfte“ einzustellen. Diese Personen verfügen bereits über eine abgeschlossene Ausbildung oder ein Studium und ergänzen das Kita-Team durch Impulse aus ihren früheren Tätigkeiten. Den Anpassungslehrgang gibt es in zwei Anforderungsniveaus – der eine endet als staatlich anerkannte Erzieherin, der andere als staatlich anerkannte Kinderpflegerin.

„Nach Jura kam für mich der Sport“, sagt Cancemi. Neben der Trainer B-Lizenz für die Bereiche Gymnastik, Bauch-Beine-Po und Krafttraining, schließt sie die Tanzausbildungen für Hip-Hop und indischen Tanz sowie zur Zumba-Instructorin ab. 2012 absolviert sie zudem die Ausbildung zur Übungsleiterin für Kinder-Zumba und macht an der Landessportschule des Saarlandes (LSVS) die Grundausbildung als Kinder-Trainerin. In dieser Zeit wird Patricia Rammacher, Leiterin der katholischen Kita Heilige Familie in St.Wendel-Winterbach, auf Cancemi aufmerksam: „Wir sind seit dem Start des Programms im Landkreis St. Wendel, im Jahr 2004 im Projekt „Kids in Bewegung“ und seit 2011 Anerkannter Bewegungs-Kindergarten Saar, Freude an Sport und Bewegung zählen zu unserem Profil.“ Seit 2014 macht Daniela Cancemi regelmäßig mit den Kita-Kindern Zumba. „Das Zumba ist für die Kinder kostenfrei und wird über Spenden und sonstige Fördertöpfe finanziert“, sagt Rammacher. Darüber hinaus wird Cancemi im Rahmen des Programms „Kids in Bewegung“, bei dem Kitas und Sportvereine miteinander kooperieren, Übungsleiterin in der Kita.

Bewegung ist ein fester Bestandteil des Konzepts der Winterbacher Kita: Daniela Cancemi tanzt mit den Kindern Zumba.

Doch dann kam Corona. „Während der Pandemie durfte ich keine Kitas und Schulen mehr betreten und meine Kurse anbieten“, sagt Cancemi. Eine für sie als Selbständige existenzbedrohende Lage. In dieser Zeit reifte die Überlegung, in den Erzieherberuf zu wechseln. Die Idee stieß auch bei Leiterin Rammacher auf offene Ohren: „Während Corona hatten wir einen hohen Personalausfall durch Krankheit, aber auch viele offene Stellen durch Elternzeiten. Jemanden zu finden, der unsere Einrichtung und unsere pädagogische Arbeit kennt und bereits eine eingeschränkte Profession mitbringt, ist ein Gewinn für uns. Daniela passt super gut in unser Team“, sagt Rammacher. Bereits seit 20 Jahren mache sie sich für multiprofessionelle Teams in Kindertagesstätten stark. Anders als klassische Quereinsteiger, die aus ganz anderen Berufen den Wechsel wagen und die komplette Erzieher-Ausbildung durchlaufen müssen, kann Daniela Cancemi den Anerkennungslehrgang als „Profilergänzende Kraft“ in zwei Semestern an der HTW berufsbegleitend belegen. Dabei lernt sie alle Bereiche des saarländischen Bildungsprogramms kennen. Inhalte sind unter anderem die Gesprächsführung mit Eltern, Beobachtung und Dokumentation, die Partizipation der Kinder sowie Kinderrechte und Prävention. Dies verlangt großen Einsatz: „Fast jedes Wochenende außer an Feiertagen ist Kurs“, sagt die 42-Jährige. Von den 28 Personen, die mit ihr begonnen haben, seien inzwischen nur noch 19 dabei. Am Ende stehen eine Bachelor-Arbeit sowie eine praktische Prüfung in der Kita. Doch auch die Kita ist gefordert, vor Ort wird sie von einer Praxisanleiterin betreut. „Die Anleitung ist für uns als Team zeitintensiv, aber es lohnt sich“, sagt Rammacher. „Es ist für uns alle, Team, Kinder und Eltern eine tolle Bereicherung.“ In der Kita Heilige Familie wird diesen Sommer daher eine zweite Frau den Anerkennungslehrgang zur Kinderpflegerin beginnen. „Sie ist bereits 57 Jahre alt und gelernte Tierarzthelferin. Das passt zu unserem Umwelt-Profil: Wir haben Hühner und ein Gewächshaus, in dem wir mit den Kindern vieles selbst anbauen“, sagt Rammacher. So sehr sie die Möglichkeit begrüßt, auf diese Weise dem Fachkräftemangel an Kitas entgegenzuwirken, warnt sie auch: „Man muss auf das gesunde Gleichgewicht aufpassen. Es kann nicht sein, dass es in einer Kita zehn profilergänzende Kräfte gibt, aber keine klassisch ausgebildete Erzieherin mehr. Das würde unseren Beruf abwerten.“

Mit der fertigen Qualifikation darf Daniela Cancemi nur in der Winterbacher Kita arbeiten. „Einen Wechsel müsste sie beim Ministerium beantragen, das darüber entscheidet“, erklärt Rammacher einen weiteren Unterschied zu klassisch ausgebildeten Erzieherinnen. Bis Ende 2024 ist Cancemi – so die Vorgabe des Bildungsministeriums – befristet eingestellt. Doch angesichts vieler Kinder und zu weniger Betreuerinnen und Betreuer stehen die Chancen auf eine unbefristete Festanstellung ziemlich gut.

Info: Wer sich für einen Quereinstieg in den Erzieherberuf interessiert und wissen will, welche Wege es dafür gibt, kann sich an Petra Oberhauser von der Katholischen KiTa gGmbH Saarland wenden: Tel. (06831) 9669613 oder per Mail: p.oberhauser@kita-saar.de