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Misereor-Fastenaktion lenkt Blick auf armes, aber ideenreiches Land :Bienvenue Burkina Faso

Die Misereor-Fastenaktion lenkt in diesem Jahr ihren Blick auf ein armes, ideenreiches Land. Das war auch beim Begegnungsfest in St. Maximin spürbar.
(vlnr.) Moderatorin Judith Rupp, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Dolmetscherin Stephanie Götzmann, Kardinal Philippe Nakellentuba Ouédraogo und Dorothea Merkes, die als Freiwillige in Burkina Faso im Einsatz war
Datum:
6. März 2017
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – Nein, Balkissa ist nicht mit nach Trier gekommen. Und doch ist das kleine Mädchen aus Burkina Faso am 5. März bei der bundesweiten Eröffnung der Misereor-Fastenaktion allgegenwärtig – auch beim Begegnungsfest in St. Maximin. Ihr Portraitfoto ziert Flyer, Broschüren und nicht zuletzt ein riesiges Banner, das in der ehemaligen Abteikirche von der Decke hängt und alle Blicke auf sich zieht. Balkissa trägt ihre pinkfarbene Sonnenbrille verkehrt herum auf der Nase. Nicht nur in den Augen von Triers Bischof Stephan Ackermann ist das ein starkes Symbol und „eine Einladung zum Perspektivwechsel, nicht immer mit den gleichen Mustern auf diese Welt und die Menschen zu schauen“.

Dialog und Begegnung

Eine Einladung, die bei der Eröffnungsfeier unter der Überschrift „Dialog und Begegnung“ gerne angenommen wird. Da sitzt der Burkina-Faso-Kenner, der 30 Jahre in dem westafrikanischen Land gelebt hat, neben dem Friedensbewegten. Da ist der Künstler, der das Hungertuch gestaltet hat, Chidi Kwubiri, ins Gespräch vertieft mit einem Menschen, der sich für fairen Handel einsetzt. Und da reicht der Weihbischof der jungen Frau, die einen Sozialen Friedensdienst geleistet hat, zum Tischgebet die Hand. „Ja, freie Platzwahl“, beantwortet Wolfgang Meyer, beim Bistum Trier verantwortlich für Veranstaltungen, die Frage einer älteren Dame, wo sie sitzen dürfe. So kann es sein, dass man sich neben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin, dem Kardinal aus Burkina Faso oder der Viehhalterin aus der Sahelzone wiederfindet.

40 runde Tische, unendlich viel Gesprächsstoff – ein Konzept, das laut Claudia Landmann aus Olpe aufgeht. Sie zählt zu der Wallfahrer-Gruppe, die das Hungertuch von Ulmen nach Trier getragen hat, und sagt: „Ich bin restlos begeistert. Dadurch habe ich viele neue Menschen kennengelernt. Aus Burkina Faso genauso wie aus dem Bistum Trier. Wir haben eifrig Adressen und Telefonnummern ausgetauscht. Das wirkt nachhaltig.“ In vielen Gesprächen geht es um das Motto der Misereor-Fastenaktion „Die Welt ist voller guter Ideen. Lass sie wachsen“. Und so machen „Ideen für mehr Beteiligung, für stärkere Solidarität und für größere Gerechtigkeit in der Einen Welt“ die Tisch-Runden.

Burkina Faso

Viele Afrika-Kenner sind zum Fest gekommen. Trotzdem finden die Informationen und Fotos Beachtung. Wo liegt denn dieses Land Burkina Faso mit seinen 60 ethnischen Gruppen genau? Wovon leben die Menschen, die keine produzierende Industrie haben? Und was hat es mit dem Motorradfahrer auf dem Foto auf sich? Man erfährt, er ist mit seinen Hähnen auf dem Weg zum Markt. Die jungen Familienmitglieder der Band „Moussa Coulibali“ aus Burkina Faso, die Gottesdienst und Begegnung musikalisch begleiten, unterhalten sich derweil an einem der Stehtische. Zunächst bleiben sie unter sich. Doch das ändert sich schnell. Viele Wissbegierige packen ihr Schul-Französisch aus, sehr zur Freude der Musiker. „Bienvenue Burkina“: Allein diese Begrüßung zaubert ein Lächeln in die Gesichter. Und man fühle sich wirklich „bienvenue, willkommen in Trier“.

Selbstverständlich darf zum Auftakt einer Fastenaktion die Fastensuppe nicht fehlen. „Es gibt einen leckeren, frischen Gemüse-Eintopf“, sagt Christian Marx, Koch im Robert-Schuman-Haus Trier. Um 8 Uhr in der Früh hat er seinen Sonntagsdienst begonnen, schließlich galt es „320 Liter Suppe zu kochen“. Gut gestärkt ist man nun bereit für die Talkrunden und damit die inhaltliche Vertiefung der Begegnung mit Burkina Faso.

Dorothea Merkes zum Beispiel, heute Grundschullehrerin in Prüm, hat 2012 über SoFiA e.V. (Soziale Friedensdienste im Ausland) einen Freiwilligendienst in Burkina Faso geleistet und in einem Internat den 48 Mädchen bei den Hausaufgaben geholfen. Sie wirbt für Begegnung mit Menschen eines anderen Kontinents, denn „ich konnte mich noch so gut vorbereiten auf das fremde Land, ich musste dort sein, um zu begreifen, dass diese Menschen real sind“. Wichtig seien auch die Gespräche mit den Mädchen gewesen. Man habe ihnen verdeutlicht, dass Frauen Nein sagen dürfen. Und dass es wichtig ist, eine gute Schulbildung zu haben nach dem Leitmotiv: „Sei der eigene Chauffeur Deines Lebens, nicht nur der Passagier.“ Sie will ihren Erstklässlern in Prüm Wege dazu ebnen, Menschen aus Burkina Faso zu treffen und mit ihnen zum Beispiel über Milchproduktion zu sprechen.

Auch Kardinal Philippe Nakellentuba Ouédraogo wirbt dafür, Afrika nicht nur im Kontext von Krieg, Katastrophen, Krisen zu sehen. „In Afrika gibt es auch Leben, da kämpfen die Menschen um mehr.“ Natürlich gebe es in Burkina Faso politische und wirtschaftliche Herausforderungen, aber auch Ideenreichtum und Innovation, „eine Bevölkerung, die sich immer zu helfen wusste“. Mit Hilfe von Misereor und Nichtregierungsorganisationen habe man beispielsweise einen Stausee anlegen und Zwiebeln anbauen können.

Nachhaltige Bewusstseinsprojekte

Ministerpräsidentin Malu Dreyer mahnt, diese Ansätze nicht durch politische Entscheidungen in der EU kaputtzumachen. „Wir dürfen diese Länder nicht noch überschwemmen mit Produkten, die sie selber produzieren können.“ Dreyer wirbt für nachhaltige Bewusstseinsprojekte, für den Bau von Schulen und medizinischen Zentren - für Maßnahmen, die Afrika helfen, sich selber zu aktivieren. Fairer Handel, Fair-Trade-Städte: Auch bei uns kann man aus Dreyers Sicht viel tun. „Wir müssen lernen, dass unser Konsumverhalten Einfluss hat auf Menschen in der ganzen Welt.“

Die Ministerpräsidentin spricht Janila Dierks damit aus dem Herzen. Die 20-Jährige aus Hildesheim hat einen Misereor-Freiwilligendienst geleistet und ist nach Trier gekommen, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen. Sie war zwar in Asien, „aber die Probleme sind doch sehr ähnlich“. Sie findet die Talkrunden sehr inhaltsstark, genauso wie die Gespräche: „Das ist hier heute schon ein besonderer Tag. Nicht zuletzt, weil es den Impuls gibt, dass man selber wirklich etwas verändern kann.“

Stimmung der Hoffnung und des Aufbruchs

Und in der Tat: Es herrscht eine Stimmung der Hoffnung und des Aufbruchs in St. Maximin. Das liegt nicht zuletzt an Fatimata Valéa Diallo. Sie arbeitet in Burkina Faso für Pasmep, eine Initiative zur Unterstützung der Hirten. Eindringlich erzählt sie von den Menschen im „Land der aufrechten Menschen“, die „so reich sind an Willen, so reich an Arbeitswillen“. Sie erzählt von Menschen mit Sorgen, Nöten, Träumen, Visionen; Menschen mit Sehnsucht nach einem gelingenden Leben. Wenn Diallo berichtet, sieht man sie vor sich: die Frauen, die „nachts nicht schlafen, weil sie Gemüse holen müssen, um ihre Familien zu ernähren“ oder die „nachts hinter ihren Tieren wachen, um sie zu hüten“. Frauen, die nur ein Ziel vor Augen haben: ihre Familien unterstützen, damit sie überleben können.

Für Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel sind Entwicklungsprojekte wichtig, die nicht einfach irgendwann auslaufen, sondern die den Menschen dabei helfen, die Verantwortung selbst zu übernehmen und ihr Potenzial auszuschöpfen. Mit einem letzten Blick auf Balkissa und einem letzten „Bienvenue Burkina“ geht es auf den Heimweg - im „Gepäck“ der Gedanke, die eigene Brille vielleicht auch einfach einmal verkehrt herum aufzusetzen und durch die Brille der Hoffnung zu schauen.

(Bilder von der Eröffnungs-Feier hier)

(red)