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Neues Gesetz verändert Kita Margarita in Neustadt/Wied:Bleibt noch Zeit für Bildungsarbeit?

Durch das neue Kita-Gesetz gibt es in Rheinland-Pfalz viele Änderungen. Mitarbeiterinnen der Kita in Neustadt/Wied sprechen über Vor- und Nachteile.
Nicole Hümmerich mit einigen Kindern in der Mensa.
Datum:
1. Aug. 2019
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Neustadt/Wied – „Die Betreuungsqualität wird sich definitiv verschlechtern“, sagt Nicole Hümmerich im Hinblick auf das neue „Kita Zukunftsgesetz Rheinland-Pfalz“. Die Leiterin der katholischen Kita St. Margarita in Neustadt/Wied blickt mit Sorge auf die Themen Bindungs-/Bildungsarbeit, Verpflegung und die Personalsituation. „Es kann nicht mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden“.

Das bisherige Gesetz für Kindertagesstätten stammt aus dem Jahr 1991. Seitdem hat sich viel verändert: Heute besuchen jüngere Kinder die Einrichtungen und im Allgemeinen verbringen sie dort mehr Zeit. Fast jede Neuanmeldung in der Neustädter Kita, die von der Katholischen KiTa gGmbH Koblenz getragen wird, benötigt einen Ganztagesplatz. Die Familien erwarten eine gute Erziehung, Bildung und Betreuung sowie verlässliche Öffnungszeiten. Die Herausforderungen für Träger, Leitung und Teams sind gestiegen.

Eine Überarbeitung war dringend nötig, sind sich alle Verantwortlichen und Betroffenen einig. Doch über die Art und Weise gibt es noch Uneinigkeit und Befürchtungen. Die Beschäftigten hatten sich bessere Rahmenbedingen erhofft. Claudia Scharenberg, pädagogische Fachkraft, wünscht sich mehr Zeit für die Kinder: „Die Fachkraft-Kind-Relation sollte stimmen“. Denn so betont die Neustädterin, „mehr Zeit für die Beziehungsarbeit, das ist das Wichtigste.“

Dabei seien die Ideen aus dem Gesetzesentwurf zum Teil auch gut, aber eine praktikable und gute Umsetzung sehe sie noch nicht. „Ich denke, die Sieben-Stunden-Betreuung ist etwas, das Familien heutzutage brauchen, aber es geht nicht noch obendrauf“, erklärt Claudia Scharenberg, die seit 20 Jahren in ihrem Beruf tätig ist. Die Eltern haben ab 2021 einen Rechtsanspruch auf eine siebenstündige Betreuung über Mittag. Ein Knackpunkt dieser Betreuungsform ist das gemeinsame Mittagessen und der damit verbundene höhere Personalbedarf. Denn diese Zeit ist für Kinder besonders sensibel und damit betreuungsintensiv.

Das Anliegen von Gabriele Röser ist es, gut zu kochen. Sie ist Hauswirtschafterin. Seit Mai wird in der Kita St. Margarita in einer ganz neuen Küche gekocht. Diese ist für maximal 80 Mahlzeiten ausgelegt. Den Anspruch darauf hätten aber dann mehr als 120 Kinder. „Für mich ist es wichtig, gesund, frisch und vital zu kochen. Ich weiß nicht, ob ich das in der Menge liefern kann“, sagt sie.

Große Umbaumaßnahmen nötig

Ein Platzmangel wird auch beim Thema „Mittagsruhe“ ersichtlich. Momentan gibt es für den Mittagsschlaf zehn Schlafgelegenheiten, dabei hätten nach dem neuen Gesetz ebenfalls etwa 120 Kinder einen Anspruch darauf. Einfach anzubauen, ist keine Option. „Wir nutzen schon Teile des Pfarrheims, eine Erweiterung ist nicht möglich“, sagt die Leiterin. „Wir fragen uns auch, wie der Bauträger von insgesamt drei Kitas, in diesem Fall die Ortsgemeinde, etwaige Erweiterungen finanzieren kann“.

Eine weitere Änderung ist, dass zwei- bis sechsjährige Kinder gleichgestellt werden, was den Betreuungsaufwand und somit den Personalschlüssel betreffen. Die bessere Personalausstattung für die Kinder unter drei Jahren würde mit der Novelle wegfallen. „Ein Unding“, findet Nicole Hümmerich. „Jeder weiß, dass Zweijährige wesentlich mehr Aufmerksamkeit, Unterstützung und Nähe zum Bezugserzieher brauchen“. Auch deren Eltern suchen viel Kontakt zu den Erziehern. Zeitintensiv sind die individuellen Schlafzeiten, das Wickeln und das gemeinsame Essen. „Bei dem neuen Konzept ist es nicht mehr möglich, auf die Individualität so einzugehen, wie wir es jetzt tun“, ist sie sich sicher.

Die Leiterin springt immer wieder in die Betreuung von Kindern ein, da der Personalschlüssel schon jetzt knapp bemessen ist. Administrative Aufgaben bleiben darum oft liegen und das wird sich zukünftig wohl auch nicht ändern. „Es ist gut, dass der Gesetzesentwurf den Kita-Leitungen Zeit für Management-Aufgaben einräumt. Allerdings ist diese bei der heutigen Aufgabenfülle und den größer werdenden Teams zu gering bemessen. In einigen unserer Kindertageseinrichtungen könnte das sogar zu Verschlechterung gegenüber heutigen Regelungen führen“, erklärt Sabine Theisen, Geschäftsführerin der Katholischen KiTa gGmbH Koblenz. Das Team in Neustadt stößt schon heute an Belastungsgrenzen. Dies macht den Beruf des Erziehers nicht unbedingt attraktiver, glaubt Nicole Hümmerich mit Blick auf den bestehenden Fachkräftemangel. Insgesamt betreibt die katholische Kirche 355 Einrichtungen in Rheinland-Pfalz, in denen rund 6500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind.

Die Gesetzesänderung sei notwendig und enthalte gute Ideen, aber mit Blick in die Zukunft gibt es besonders bei den Punkten Finanzierung und Personalisierung Sorgen. Es bleibt die Frage, ob die Veränderungen ausreichend sind. Aktuelle Bedarfe von Familien und gesellschaftliche Veränderungen seien zwar berücksichtigt worden, viele Fragen aber auch noch offen, macht die Leiterin deutlich. „Die, die sich das überlegt haben, hätten mal länger in einer Kita hospitieren sollen“. Wenn der Entwurf so umgesetzt werde, „können wir nicht mehr so intensiv Bildungs- und Beziehungsarbeit leisten wie heute. Das darf nicht passieren!“

Weitere Informationen zum neuen Kita-Gesetz gibt es auf: https://kita.rlp.de/de/themen/kita-zukunftsgesetz  und die Stellungnahme der freien Wohlfahrtsverbände dazu auf: https://www.liga-rlp.de/aktuelles.

(jf)