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Telefonseelsorge macht auf Welttag zur Suizidprävention aufmerksam :Brücke zurück ins Leben bauen

Nicht kleinreden oder weghören, wenn Freunde oder Verwandte suizidale Gedanken äußern: Darauf macht die Telefonseelsorge aufmerksam am Welttag der Suizidprävention
Allein im Team in Bad Neuenahr-Ahrweiler engagieren sich rund 70 Ehrenamtliche bei der Telefonseelsorge
Datum:
10. Sept. 2021
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Bad Neuenahr-Ahrweiler – „Bevor Sie sich das Leben nehmen, rufen Sie mich an!“ – So reagierte ein englischer Pfarrer in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auf die steigenden Suizidzahlen in Großbritannien. In diesem Aufruf liegen auch die Wurzeln für die Arbeit der deutschen Telefonseelsorge, die seit vielen Jahren Menschen in unterschiedlichsten Krisen Hilfe und Unterstützung bietet. Das Thema Suizid ist heute genauso aktuell wir damals: So starben im Jahr 2019 in Deutschland über 9.000 Menschen durch Suizid – drei Mal mehr als durch Verkehrsunfälle. Darauf möchten die vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitenden der Telefonseelsorge am 10. September, dem Welttag zur Suizidprävention, aufmerksam machen.

Eine von ihnen ist Inga Fischer-Morckel, stellvertretende Vorsitzende der Telefonseelsorge Bad Neuenahr-Ahrweiler. Seit zehn Jahren steht sie Menschen am Telefon bei, hört zu, vermittelt Hilfen und engagiert sich als erste Vorsitzende des Vereins auch in der Ausbildung der ehrenamtlichen Mitglieder. Das Thema Suizid in all seinen Ausprägungen – von Gedanken, Absichten oder tatsächlichen Suizidversuchen – betreffe Menschen aller Gesellschaftsschichten, auch wenn darüber öffentlich selten berichtet werde. Bei Anrufern, die suizidale Gedanken oder Absichten äußerten, sei es erst einmal wichtig, zuzuhören, sie ein wenig zu halten. „Wir begegnen den Menschen, die sich an uns wenden, immer mit Respekt, und möchten ihnen nichts kleinreden oder einreden. Ich versuche ganz gerne, gemeinsam mit der Person auf ihr Leben zu schauen, Emotionen auszulösen und Ressourcen zu finden, wo es ihr schon mal besser ging. Dass die Menschen ihre Gefühle anonym bei uns äußern können, ist ein wichtiger Punkt. Wir sind keine Berater, sondern nehmen die Leute eher bei der Hand“, erklärt Fischer-Morckel. Auf die Frage, ob eine Suizid-Prävention überhaupt funktionieren kann, sagt sie: „Es ist selten, dass jemand einen Suizid von der Idee bis zur Ausführung komplett für sich allein behält und gar nichts andeutet.“ Eine leider weit verbreitete irrige Meinung laute ‚wer viel darüber redet, macht es schon nicht‘. „Das stimmt aber nicht. Angehörige und Freunde sollten solche Äußerungen ernst nehmen und ansprechen. Wenn das schwer fällt oder zu sehr belastet, kann man auf Hilfsangebote wie die Telefonseelsorge oder andere Beratungsstellen verweisen. Das ist natürlich eine Gratwanderung, aber es kann helfen, Suizide zu verhindern.“ Es gebe inzwischen auch eine App namens „KrisenKompass“ mit Hilfe zur Selbsthilfe und für Angehörige.

Hoffnungslosigkeit nach Katastrophen wie dem verheerenden Hochwasser nehmen

Suizid ist nicht das Hauptgesprächsthema der Telefonseesorge – hier dominieren Einsamkeit, Krankheit, familiäre Probleme, psychische oder depressive Erkrankungen. Doch über sechs Prozent der Anrufenden äußert sich zu suizidalen Gedanken oder Absichten. Die Sorgen und Nöte der Leute sind nicht kleiner geworden: So verzeichneten Fischer-Morckel und ihr Team aus 70 Kollegen und Kolleginnen seit der Corona-Pandemie rund 20 Prozent mehr Anrufe. Dann kam die Flutkatastrophe, von der auch viele Ehrenamtliche an der Ahr selbst betroffen sind. „Etliche sind beurlaubt, denn wer selbst schlimme Erlebnisse mit der Flut hatte, kann nicht anderen das Ohr so schenken, wie es sein sollte. Das dient dann auch der Selbstfürsorge.“ Normalerweise hat das Team den Anspruch, rund um die Uhr für die Anrufenden da zu sein. Immerhin sei die Dienststelle in Bad-Neuenahr-Ahrweiler der Überschwemmung knapp entgangen, ist Fischer-Morckel erleichtert. Inzwischen sei auch wieder Strom und Wasser da, sodass die Arbeit fortgeführt werden könne. Die Seelsorgerin ist sich sicher, dass die Auswirkungen der Katastrophe sich in den kommenden Wochen und Monaten deutlich zeigen werden. „Gerade in der Adventszeit, in der viele Menschen lieb gewordene Erinnerungen mit ihrem Zuhause oder Gegenstände verknüpfen, die sie verloren haben, wird das hochkommen. Die Betroffenen funktionieren derzeit einfach; diese Welle ist noch nicht in der Seele angekommen. Darauf bereiten sich viele Psychologen, Ärzte und Seelsorgende aus dem Raum Ahr vor.“ Vor allem sei jetzt wichtig, die Hoffnungslosigkeit zu nehmen. In allen Lebenskrisen versuche die Telefonseelsorge zu den Ratsuchenden Vertrauen aufzubauen, ihre Probleme zu würdigen, aber keine falschen Hoffnungen zu schüren. „Wir versuchen, eine Brücke zu bauen und am Ende vielleicht auch ein kleines Licht zu finden.“

Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr unter der 0800-1110111 oder 0800-1110222 zu erreichen. Mit der kostenlosen App „KrisenKompass“ bietet sie auch Hilfe zur Selbsthilfe bei depressiven Gefühlen und Suizidgedanken an.