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Zwischenbilanz des Modellprojekts belegt Wirksamkeit des neuen Hilfsangebots :Caritas-Familienbüros sind viel genutzte Anlaufstellen

Rund ein Jahr nach dem Start im August 2020 ist das Modellprojekt „Caritas-Familienbüros“ eine stark nachgefragte Anlaufstelle.
Andreas Neumüller (Gemeinwesenarbeit Sulzbach), Jutta Anton-Wachall (Abteilungsleiterin Caritasverband Saarbrücken), Mary-Rose Brahmer (Beigeordnete der Stadt Sulzbach), Stefanie Schmidt (Familienbüro-Beraterin) und Bernward Hellmanns, (Stabsreferent Sozialpolitik, Diözesan-Caritasverband Trier). Foto: Ute Kirch / Bischöfliche Pressestelle Saarbrücken
Datum:
16. Sept. 2021
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Andernach/Simmern/Sulzbach – Rund ein Jahr nach dem Start im August 2020 ist das Modellprojekt „Caritas-Familienbüros“ eine stark nachgefragte Anlaufstelle. Die Beraterinnen in den Familienbüros in Andernach/Pellenz, Mayen, Sulzbach und im Rhein-Hunsrück-Kreis unterstützen Familien dabei, ihre Rechtsansprüche auf familienpolitische Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag wahrzunehmen. Der Initiative ging eine Untersuchung der Bundesregierung zum Starke-Familien-Gesetz voraus, die zeigt, dass nur 35 Prozent der Leistungen von den bezugsberechtigten Familien in Anspruch genommen werden.

Hürden bei der Antragsstellung

Die Familienbüros richten sich an Menschen, die nicht den Weg zur zuständigen Beratung finden. Ein weiterer Vorteil: Ratsuchende sind nicht auf Onlineportale angewiesen, sondern können im Gespräch Hilfe finden. Auch unter Corona-Auflagen konnte die Beratung aufrechterhalten werden. „Wir informieren, motivieren und beraten“, fasst Projektleiterin Dr. Martina Messan, Stabsreferentin für Sozialpolitik im Diözesan-Caritasverband Trier, das Angebot zusammen. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin. Die von der Hochschule durchgeführte Befragung von Beraterinnen und Ratsuchenden belegt, dass viele Familien über die ihnen zustehenden Leistungen nicht informiert sind oder aber, wenn sie Leistungen in Anspruch nehmen wollen, an der Komplexität der Anträge scheitern. „Viele Familien in prekären materiellen Verhältnissen sind von den Anforderungen des Alltags schon erschöpft und erleben das Antragsverfahren als so kompliziert, dass sie irgendwann aufgeben“, sagt Messan. Andere Familien, die in verdeckter Armut leben, schämten sich, die Anträge etwa auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket überhaupt zu stellen. Sehr oft suchten auch Migrantenfamilien die Familienbüros auf, da sie sprachlich nicht mit den Anforderungen zurechtkommen. Aber auch viele deutsche Familien scheiterten am Behördendeutsch. Die Bilanz der ersten wissenschaftlichen Auswertung lautet, die Familienbüros als eigene Beratungseinrichtung zu verstetigen und eine dauerhafte Finanzierung zu sichern.

Keine Almosen – sondern begründete Ansprüche

Als ein Beispiel nannte die Beraterin im Familienbüro in Pellenz und Andernach, Margret Marxen-Ney, exemplarisch eine Familie mit einem acht Monate alten Kind: „Sie zahlen 800 Euro Miete und müssen momentan von einem Nettogehalt von 2.000 Euro leben. Das Elterngeld läuft bald aus. Beide Elternteile sind gut ausgebildet. Sie wussten aber trotzdem nicht, dass ihnen zum Beispiel Wohngeld zusteht.“

Im saarländischen Sulzbach war Beraterin Stefanie Schmidt vor allem mit Anträgen im Bildungsbereich beschäftigt, etwa zur Übernahme der Kosten für Kita und freiwillige Ganztagsschule. „Auch die Schulbuchausleihe ist ein ganz großes Thema – zirka 200 Anträge haben wir für das neue Schuljahr gestellt“, sagt Schmidt, „es wäre eine große Hilfe, wenn sich das Saarland an der Lernmittel- und Beitragsfreiheit von Rheinland-Pfalz orientieren könnte.“ Als Erfolg verbucht sie, dass durch die Arbeit des Familienbüros die Kontakte zu anderen Behörden gestärkt wurden. So plant etwa die Familienkasse, regelmäßig Berater nach Sulzbach ins Familienbüro zu entsenden, um die Antragsstellung zu vereinfachen.

Im ersten Jahr fanden im Raum Mayen/Andernach/Pellenz fast 200 Beratungsgespräche statt, in Sulzbach waren es 175. Im Rhein-Hunsrück-Kreis, wo der Schwerpunkt momentan auf der Multiplikatorenarbeit liegt, waren es mehr als 50. Die Verantwortlichen dort besuchen etwa Eltern-Cafés, Caritas-Geschäfts-/ und Außenstellen; der Kontakt zu Kitas, Schulen oder auch Behörden soll nach den Beschränkungen durch die Corona-Pandemie intensiviert werden. „Unter anderem informieren wir die Kunden unserer Second-Hand-Läden über das Angebot, da diese jedem offen stehen“, erklären die beiden Verantwortlichen Nora Hoffmann und Ilona Besha. „Wir möchten aber auch beispielsweise Sport- oder Musikvereine für den Gedankenaustausch und die Zusammenarbeit gewinnen – aus ihrer jeweiligen Perspektive können sie viel dazu beitragen, das Thema an die betreffenden Eltern heranzutragen“, so die beiden Beraterinnen weiter. „Denn klar ist, dass es in keiner Weise um das Verteilen von ‚Almosen‘ geht, sondern um den Zugang zu begründeten staatlichen Leistungen. Dieses Selbstbewusstsein möchten wir den Familien vermitteln.“

Neben der Beratung und Hilfe bei Anträgen werden Ratsuchende oft auch über weitere Caritas-Hilfeangebote wie den Allgemeinen Sozialen Dienst, die Schwangeren- oder Migrationsberatung informiert. Neben der „Hilfe zur Selbsthilfe“ für die Familien ist die Armutsprävention und Chancengleichheit für alle Kinder Ziel des Modellprojekts.

Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und wird mit 200.000 Euro von der „Stiftung Menschen in Not – Caritas-Stiftung im Bistum Trier“ gefördert. Aus der wissenschaftlichen Begleitforschung werden unter anderem Empfehlungen an Politik und Fachpraxis für eine verbesserte Inanspruchnahme familienpolitischer Leistungen erarbeitet. „Die Tatsache, dass sich unser Modellprojekt Caritas-Familienbüros schon ein Jahr nach dem Start im August 2020 zu einer stark nachgefragten Anlaufstelle entwickelt hat, zeigt den hohen Bedarf an Beratung und Unterstützung. Die wissenschaftliche Begleitforschung belegt den hohen Nutzen für Familien. Auf der Basis dieser Erkenntnisse fordern wir, dass Familienbüros als eigene Form von Beratung verstetigt und dauerhaft finanziert  werden. Dies ist ein Beitrag zur Prävention von Armut und zur Unterstützung von Familien", zieht Caritas-Diözesandirektorin Dr. Birgit Kugel eine Halbzeitbilanz.

Ansprechpartnerin für das Familienbüro in Sulzbach ist Stefanie Schmidt unter Tel. 06897-983239 oder per E-Mail Schmidt-st@caritas-saarbruecken.de

Ansprechpartnerin für das Familienbüro in Pellenz ist Margret Marxen-Ney, Tel.: 02632-250235; für den Großraum Mayen und Umgebung ist Margot Kürsten verantwortlich, Tel.: 0170 6340563.

Ansprechpartnerinnen für das Familienbüro im Rhein-Hunsrück-Kreis sind Lucia Stahl, Tel.: 06747-937721 und Ilona Besha, Tel.: 06761-919690.

Weitere Informationen gibt es auf www.caritas-trier.de/modellprojekt-familienbueros/modellprojekt-familienbueros .

(jf/uk)