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Interview mit Pfarrer Konrad Lisowski:Corona-Krise: Pfarrer Konrad Lisowski berichtet über die Situation im Partnerland Bolivien

Seit 2013 arbeitet der Bistumspriester Konrad Lisowski im bolivianischen El Alto. Trotz Quarantäne versucht er, für die Leute da zu sein, wo es eben geht.
Seit sechs Jahren lebt und arbeitet Pfarrer Konrad Lisowski in Bolivien.
Datum:
15. Apr. 2020
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Der gebürtige Pole Konrad Lisowski aus Koblenz ist Priester des Bistums Trier und arbeitet seit 2013 im lateinamerikanischen Partnerland Bolivien. Wie dort die Situation in der Corona-Krise aussieht, berichtet er hier.

Herr Lisowski, können Sie kurz beschreiben, wo Sie arbeiten und wie Ihre Arbeit in Bolivien normalerweise aussieht?

Ich lebe und arbeite seit sechs Jahren in El Alto, in der Pfarrei „Nuestra Señora de las nieves“ („Unsere liebe Frau vom Schnee“). Sie umfasst so 80.000 Gläubige und ist recht weitläufig. Für die rund 50 Kilometer, die ich bis an die Pfarrei-Grenzen fahre, muss ich rund dreieinhalb Stunden rechnen. Das heißt, ich fahre auf 4.800 Meter hoch und dann wieder auf 900 Meter runter. Im Moment ist das nicht möglich auf Grund der Corona-Krise. Wir bleiben derzeit alle Zuhause, so auch ich und meine Kollegen. Wir sind natürlich sehr gut verbunden über whatsapp, facebook. Es geht sehr gut, dass wir über diese Medien Informationen teilen.

Normalerweise sieht meine Arbeit so aus, dass ich viele Gruppen in der Gemeinde habe, die sich regelmäßig treffen unter der Woche. Eltern, die Katechese für andere Eltern und Familien machen,  wo es nicht nur um Glaubensdinge geht, sondern auch um Persönlichkeitsentwicklung und Themen wie Konfliktbewältigung bei Gewalt in der Familien oder Armut. Dann habe ich ungefähr 60 Jugendliche, die jeden Samstag zur Firmvorbereitung kommen für zwei Jahre. Und eine Jugendgruppe, die die Gemeinde mitgestalten will. Palmsonntag wäre da so eine Aktion gewesen. Wir ziehen am Palmsonntag von einer Kapelle drei Kilometer in einer Prozession mit Gitarren, Palmzweigen und Gesang. Das fällt jetzt leider aus.

Wie sehr betreffen die Maßnahmen die Menschen in El Alto?

Vor zwei Wochen kam es zu einem richtigen Shutdown. Aber auch vorher gab es schon eine eingeschränkte Quarantäne, wo man noch auf die Arbeit durfte und sich bis zwölf Uhr frei bewegen durfte. Jetzt dürfen die Menschen seit zwei Wochen das Haus nur noch einzeln einmal in der Woche verlassen – nach der Endziffer ihrer Ausweisnummer. Morgen ist der Tag, an dem ich rausgehen darf. Dann werde ich haltbare Trockennahrung kaufen wie Mehl, Nudeln, Reis, getrocknete Bohnen und Kartoffeln. Denn für die Menschen gerade in El Alto ist es sehr schwierig. Viele leben hier von einem kleinen Stand, den sie auf der Straße betreiben. Und wenn da keine Einnahmen sind jeden Tag, hat man auch nichts zu essen und ich bin sicher, dass sie dann hier anklopfen werden. Dann möchte ich etwas da haben.

Wie reagieren die Menschen darauf?

Die Leute sind hier nicht so diszipliniert, weil sie gewohnt sind, dass das Leben sich auf der Straße abspielt. Es gab Berichte aus einem Stadtteil in El Alto, dass es dort zuging, wie an jedem normalen Tag auch. Minibusse waren unterwegs – gerade da sitzt man sehr eng. Gestern kam eine Nachricht, 100 km von La Paz gab es ein Fest und dort gab es infizierte Menschen, die andere angesteckt haben, sodass inzwischen auch ein kleines Baby auf einer Intensivstation liegt. Und: Wer keine Symptome hat, wird nicht getestet. Es gibt auch Befürchtungen, wie in Deutschland ja auch, dass es verstärkt zu Gewalt in Familien kommt. Das ist hier sowieso schon ein sehr starkes, trauriges Thema. Die Gewalt gegen Frauen, Alkoholismus – das wird jetzt eher zunehmen.

Was tun Polizei und Militär?

Die Polizei geht schon dagegen vor, es gibt Verhaftungen und Bußstrafen. Wenn man sich nicht an die Quarantäne hält, gibt es bis acht Stunden Arrest und Bußgelder von 2000 Bolivianos, umgerechnet 250 Euro – das ist hier ein gutes Monatsgehalt. Aber in meinem Stadtteil gibt es beispielsweise nur ein einziges Polizeifahrzeug.

Haben Sie für sich selbst eine Routine entwickelt für den Shutdown?

Ich habe mir einen kleinen Dienstplan für zuhause gemacht. Da spielt das Gebet eine große Rolle – viel mehr als sonst komme ich jetzt mal dazu. Zwei Mal am Tag versuche ich, ein kleines Video zu erstellen für meine Gemeinde, mit Impulsen zur Karwoche, zur Fastenzeit, zu den Lesungen. Ich habe viel aufgeräumt, viel gewaschen, gebügelt. Ein paar Mal die Woche fragen Menschen nach Essen – das gebe ich dann aus. Also ich versuche, für die Leute da zu sein, wo es eben geht. Ich bin in einigen whatsapp und facebook-Gruppen. Die Briefe der Bischöfe kommen ebenfalls über whatsapp an.

Haben Sie das Gefühl, dass den Menschen ihr Glauben hilft?

Gestern habe ich zum Beispiel gesehen, dass Polizisten aus ihrer Kapelle die Statue der Muttergottes herausgeholt haben und auf einem Fahrzeug installiert haben, um damit am Palmsonntag als Zeichen des Segens durch die Stadt zu fahren. Auch Militärs haben das in einer anderen Stadt mit einem Panzerwagen gemacht. In Santa Cruz oder Cochabamba singen oder beten manche Polizisten für die Leute. Ich werde über whatsapp darum gebeten, für gewisse Anliegen oder Menschen zu beten. Die Menschen wissen, wir sind letztendlich in Gottes Hand. Ich habe auch Berichte von Ärzten aus Italien gesehen, die sagten, wir waren Atheisten, aber es hat sich bei uns etwas verändert, wir sind zum Glauben gekommen. Weil es doch etwas ist, was Hoffnung schenkt und Kraft gibt. Wenn nichts mehr geht – Gott geht immer.

Herr Pfarrer Lisowski, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch.

Vielen Dank und liebe Grüße nach Deutschland, alles Gute.