Bischof Ackermann besucht „Caféterra“ und Second Hand-Laden in Kastellaun:Das Netzwerk trägt
Kastellaun – In seinem Fastenhirtenbrief schreibt Bischof Dr. Ackermann: „Was gibt es in der Kirche und in unserem Bistum nicht alles an diakonischem und sozialem Einsatz, ehrenamtlich wie hauptamtlich! Wie viel Segen geht von den caritativen Einrichtungen in unserem Bistum aus!“ Dank und Würdigung also – und ein „Hintergedanke“ des Bischofs: „Die bestehenden Angebote können ja auch Ideen geben.“ Aus diesem Grund besucht Ackermann in der Fastenzeit verschiedene Einrichtungen aus dem diakonischen Bereich – wie etwa Anfang März die Begegnungsstätte „caféterra“ in Kastellaun.
Dass in der umgebauten, ehemaligen Kneipe in der Altstadt jetzt Kaffeeduft weht und Marmorkuchen bereitsteht, ist der Zusammenarbeit vieler Menschen und Stellen zu verdanken. Stellvertretend ist an diesem Nachmittag neben Anna Werle vom Dekanat Simmern-Kastellaun, Victoria Müller-Ensel, Direktorin des Caritasverbandes Rhein-Hunsrück-Nahe, und Ilona Besha (Dienststellenleiterin der Caritas Simmern/Boppard) auch Christian Keimer da, um dem Bischof zu berichten, was dieses Projekt für Stadt und Verbandsgemeinde leistet, deren Bürgermeister er ist: „Von Anfang an gab es ein sehr gutes Miteinander zwischen den Kirchen und der Stadt.“ Eine untere dreistellige Zahl an Geflüchteten sei Kastellaun 2015 zugewiesen worden. Das in einem Mittelzentrum mehrere Hundert Geflüchtete eine neue Heimat finden, war für ihn, der nicht von einer „Flüchtlingskrise“ spricht, kein Problem: „Das läuft hier rund.“ Die Idee sei gewesen, einen Begegnungsort zu schaffen neben den Anlaufstellen, die das zum Überleben Notwendige sicherstellen. Aus seiner Sicht ist das geglückt: „Das Caféterra hat eine große Akzeptanz in der Gegend, es erfüllt einen sozialen Zweck.“
Beziehungsaufbau: geglückt!
Auch Caritasdirektorin Müller-Ensel bekräftigt das Ziel, nämlich den Kontakt und die Gemeinschaft in der Bevölkerung zu fördern: „Hier ist der Beziehungsaufbau geglückt.“ Und das liegt vor allem an den Ehrenamtlichen wie Brigitte Giesen, die sich hier engagieren. Die Ehrenamtlichen organisieren sich weitestgehend selbst, mit der Unterstützung von Hauptamtlichen wie Besha, Werle und Birgit Wagner. Wagner erklärt: „Die Leute sagen uns, was sie brauchen, ob PC- oder Sprachkurse oder ein Kochbuch, das wir gemeinsam zusammenstellen.“ Die Menschen brächten auch ihre Probleme mit ins Café: „Im Moment ist es zum Beispiel schwer, einen Pass zu erhalten.“ Darüber werde dann geredet und überlegt, welche Unterstützung es geben könne.
Geöffnet ist das Caféterra immer dann, wenn auch die Einrichtungen in der Umgebung geöffnet haben, erklärt Giesen; das sei derzeit Mittwochmorgen und Freitagabend. Alle seien herzlich willkommen: „Wir freuen uns immer, wenn neue Leute dazu kommen. Und es war uns von Anfang an wichtig, dass unsere Besucher auch mitgestalten, ob beim Umbau oder bei den Angeboten.“ Es sollen Kontakte entstehen, zwischen Geflüchteten und Ortsansässigen, oder indem die Besucher des Cafés ihre Nachbarn mitbringen. Ganz wesentlich sei auch die Informationsarbeit, betont die heutige Ehrenamtskoordinatorin Wagner: Als die Planungen für das Caféterra konkret wurden, ist Wagner – damals in ihrer Funktion als PGR-Mitglied mit dem Schwerpunkt „Flüchtlingsarbeit“ – beispielsweise durch die kirchlichen Gremien gezogen und habe darüber gesprochen und so auch Ängste nehmen können. Und heute sind die, die zu ersten Besuchern des Cafés gehört haben, selbst in der Begleitung Geflüchteter aktiv, etwa als Bundesfreiwillige: „Geflüchtete bereiten Geflüchtenen den Weg“, sagt Werle.
Aus bestehenden Netzwerken gegründet
Auf die Frage des Bischofs nach der Nationalität berichten die Frauen, dass Menschen vor allem aus Syrien, Afghanistan oder der Türkei Gäste seien. „Aber die gemeinsam Sprache ist deutsch.“ Besonders interessiert Ackermann, dass das Projekt nicht „aus dem Nichts“ entstanden ist, sondern sich offenbar recht unkompliziert aus bestehenden Netzwerken gründen konnte. Das bestätigt Besha: Schon 2008 sei die Beratungsstelle der Caritas eröffnet worden. „Wir haben eine sogenannte Sozialraumanalyse gemacht, also gefragt, wie die Menschen hier leben und was sie brauchen. Und wir haben von Anfang an nach Netzwerken gesucht, in die wir uns einklinken können mit unserer allgemeinen Beratung und der Schwangeren- und der Suchtberatung.“ Werle ergänzt: „Das bestehende Netzwerk hat getragen“ – das habe sich seit 2015 bis heute deutlich gezeigt. Hilfreich sei, dass das Caféterra in einem Umfeld liegt, wo auch die Caritas-Beratungsstellen, die Tafel, die Lebenshilfe und andere Einrichtungen sind. „Überhaupt leben wir hier ökumenisch und in einem Netzwerk, ob mit DRK, Tafel, „Brücke“, Jobcenter, VHS oder Kreisverwaltung“, erklärt sie. Und auch das „WillkommensNetz“ von Bistum und Caritas sei mit seiner fachlichen und finanziellen Unterstützung bei dieser Arbeit vor Ort sehr hilfreich. Hans-Joachim Hermes, Superintendent des Ev. Kirchenkreises Simmern-Trarbach weist darauf hin, dass die Ehrenamtlichen regelmäßig begleitet werden und sich vernetzen können. Und der Kastellauner Pfarrer Benno Wiederstein erinnert daran, dass es auf dem Friedhof im benachbarten Buch einen Gedenkstein gibt für alle, die auf der Flucht ums Leben gekommen sind. Das sei ein „wichtiger Seitenarm“ dieses Engagements. Die Kirchen wollten „zur guten Atmosphäre vor Ort beitragen“, bekräftigt er.
Ein richtiges Dienstleistungszentrum – Menschen für Menschen
Vom Café geht es zu einem weiteren Erfolgsprojekt, zum „Caritas – Der Laden“ am Marktplatz. An fünf Tagen in der Woche geöffnet, betreiben rund 35 Ehrenamtlichen, darunter auch geflüchtete Menschen, auf 200 Quadratmeter den Second Hand-Laden, in dem es vom Brautkleid bis zur Latzhose eine große Auswahl an gut erhaltener, gebrauchter Kleidung zu kleinen Preisen gibt. Elvira Breit koordiniert die Tätigkeiten und sagt: „Der Laden wird sehr gut angenommen.“ Das bestätigt Müller-Ensel: Der Laden werfe sogar Gewinn ab. „Das Geld kommt unserer sozialen Arbeit hier vor Ort zugute.“ Der Laden habe die Kleiderkammer mehr oder weniger ersetzt: „Es ist ein Unterschied, ob Menschen etwas zugewiesen bekommen oder sich selbst etwas aussuchen und bezahlen können“, erklärt Werle.
Der Bischof ist begeistert. Hier habe sich ein richtiges „Dienstleistungszentrum“ entwickelt – Menschen für Menschen. Besonders gefällt ihm, dass sich keine „Parallelwelt“ entwickelt habe, sondern die diakonische Arbeit dieses großen Netzwerks ganz offensichtlich in der Gemeinde ihren Platz habe. „Hier hat die Flüchtlingsarbeit die bestehende Vernetzung bestärkt – ich gratuliere zu dem, was Sie hier auf die Beine gestellt haben!“
Diese Würdigung nimmt Victoria Müller-Ensel stellvertretend für alle Beteiligten gerne an, denn: „Hier haben wir die Chance, das, was wir „diakonische Kirchenentwicklung“ nennen, tatsächlich zu leben.“
(JR)