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Unabhängige Aufarbeitungskommission stellt ersten Zwischenbericht vor:„Das Schicksal der Betroffenen spielte keine Rolle“

Die Unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum Trier hat ihren ersten Zwischenbericht vorgestellt.
Kommissionsprecher Prof. Robbers mit dem ersten Zwischenbericht (Foto: Paulinus/Z. Jakobovac)
Datum:
26. Aug. 2022
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – Der erste Zwischenbericht der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier (UAK) hat erste Erkenntnisse präsentiert und Handlungsempfehlungen an das Bistum gerichtet. Kommissionssprecher Prof. Gerhard Robbers stellte den Bericht am 25. August in Trier; der Bericht ist unter https://www.aufarbeitungskommission.bistum-trier.de/jahresberichte/2022 abrufbar. Dort ist auch eine Pressemeldung mit einer Zusammenfassung des Zwischenberichts zu finden.

In dem mit Anhängen 85 Seiten umfassenden Dokument stellt die Kommission zudem ihren Auftrag, ihre Arbeitsweise und ihr Selbstverständnis vor. Der Frage der Unabhängigkeit der Kommission räumt die Gruppe ein besonderes Augenmerk ein. Robbers betonte, die Kommission fühle sich vor allen den Betroffenen von sexuellem Missbrauch verpflichtet. Man nutze alle zur Verfügung stehenden Quellen, die der Aufarbeitung dienlich sein könnten. So studiere die Kommission Akten, werte Medien aus und führe Gespräche mit Verantwortlichen, Schlüsselpersonen und besonders mit Betroffenen.

Stiftung zur finanziellen Unabhängigkeit gegründet – Studie beauftragt

Zur Sicherstellung der finanziellen Erfordernisse der Aufarbeitung ist auf Anregung der UAK die „Stiftung Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier“ gegründet worden. Die Stiftung hat den Zweck, in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Bildung und Soziales die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier zu fördern und garantiert so die finanzielle Unabhängigkeit der Kommission vom Bistum. Eine Aufgabe der Stiftung ist die Initiierung der Studie „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen sowie hilfs- und schutzbedürftigen erwachsenen Personen durch Kleriker/Laien im Zeitraum von 1946 bis 2021 im Verantwortungsbereich der Diözese Trier“ durch die Universität Trier. Am Ende der Arbeit der Kommission soll nicht zuletzt durch die Forschung „Empfehlungen für die Verbesserung des Kinderschutzes und der Prävention stehen“, sagte Robbers. Die Arbeit soll aber auch dem „Aufbau einer Erinnerungskultur“ dienen.

Der Zwischenbericht beinhaltet auch zwei gravierende Fallbeispiele auf der Basis von bislang untersuchten Aktenbeständen. Prof. Lutz Raphael von der Universität Trier erklärte, beide Fälle aus dem Zeitraum 1950-1975 zeigten die Praxis, „Fälle intern zu regeln und vor den Strafverfolgungsbehörden zu verbergen“. Er wies auf die enge Zusammenarbeit von Bistümern untereinander hin und benannte konkret die „Praxis des Vertuschens“. „Das Schicksal der Betroffenen spielte keine Rolle.“

Für den Herbst kündigte die Kommission eine erste Studie zur Amtszeit des früheren Bischofs Bernhard Stein (1967-1980) an, gegen ihn gibt es ebenfalls Vorwürfe der Vertuschung. Raphael sagte, es werde nicht zwingend zur Amtszeit jedes Trierer Bischofs eine eigene Studie geben, dennoch gliedere sich die Aufarbeitung nach den Amtsperioden, nehme dabei aber auch die übergreifenden Strukturen in den Blick.

Anregung zur stärkeren Betroffenenorientierung und Professionalisierung

Der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann liest in dem Bericht einige Anregungen zu einer stärkeren Betroffenenorientierung. „Ich verstehe sie auch als Aufforderung zu einer weiteren Professionalisierung in der gesamten Thematik.“ So rege der Zwischenbericht eine eigene seelsorgliche Begleitung von Betroffenen an und nenne die Schaffung einer Ombudsstelle als mögliche sinnvolle Ergänzung der bisherigen Stellen. Eine solche Ombudstelle könnte die längerfristige Begleitung von Betroffenen beinhalten, aber auch die Hilfe bei gewünschter Akteneinsicht. Gerade in diesem Punkt mahnt die Kommission deutliche Verbesserungen an. Dazu sagte Ackermann, dass es seit Beginn dieses Jahres ein neues Personalakten-Gesetz gebe, das auch die Frage der Akteneinsicht transparent regelt. Der Bischof erklärte: „Ich nehme diese Empfehlungen und Hinweise gerne an und werde mit dem diözesanen Beraterstab sowie dem Betroffenenbeirat beraten, wie diese konkret umzusetzen sind.“

Im Zwischenbericht werden auch Themen angesprochen, die den gesamten Prozess der kirchlichen Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs betreffen und damit die Ebene der Bischofskonferenz berühren, etwa die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, an der auf der Ebene der Bischofskonferenz bereits gearbeitet wird. Ackermann sagte, trotz diverser Studien und Aufarbeitungsberichte gebe es für die Problematik des sexuellen Missbrauchs im Bereich der Kirche nach wie vor Forschungsbedarf: „Deshalb begrüße ich auch die von der Kommission auf den Weg gebrachte Studie mit einer historischen und einer psychologischen Teilstudie.“

Die UAK ist ein Gremium aus Betroffenen und Fachleuten aus verschiedenen Berufen; Mitarbeiterinnen des Bistums Trier unterstützen die Kommission administrativ. Mitglieder der Kommission sind Dr. Uwe Christoffer, Dr. Petra Hank, Herbert Heyd, Prof. Dr. Lutz Raphael, Prof. Dr. Gerhard Robbers (Vorsitzender), Dr. Monica Sinderhauf und Dr. Karl-Horst Wirz. Seit der konstituierenden Sitzung am 26.6.2021 fanden bislang 21 Sitzungen statt. Die UAK informiert über die Website www.aufarbeitungskommission.bistum-trier.de. Zur Kontaktaufnahme hat die Kommission die Mailadresse ukms@posteo.de eingerichtet.

(JR)

Ansprechpersonen des Bistums für Verdachtsfälle sind die Rechtsanwältin und Mediatorin Ursula Trappe (ursula.trappe@bistum-trier.de, 0151-50681592) und der Psychologe Markus van der Vorst (markus.vandervorst@bistum-trier.de, 0170-6093314).

Betroffene können sich auch wenden an die Beratungsstelle Phoenix der AWO (www.phoenix.awo-saarland.de); sie ist telefonisch unter 0681-7619685 oder per E-Mail an phoenix@lvsaarland.awo.org zu erreichen.