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Aktion Arbeit stellt Konzept zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit vor:Dauerhaft integriert statt segmentiert

Die Aktion Arbeit hat ein Konzept zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit vorgestellt; unterstützt von den Landesregierungen in Mainz und Saarbrücken.
Dr. Hans-Günther Ullrich, Bischöflicher Beauftragter der Aktion Arbeit, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bischof Dr. Stephan Ackermann und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (vlnr.)
Datum:
10. März 2017
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Berlin/Trier -  Einen neuen Ansatz zur Auflösung der Langzeitarbeitslosigkeit hat die Aktion Arbeit im Bistum Trier am 9. März in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin vorgestellt. Ziel des Konzepts ist es, die rund eine Millionen Langzeitarbeitslose, also Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, in dauerhafte Arbeitsplätze in der Wirtschaft zu bringen. Dies soll vor allem durch eine dauerhafte öffentliche Förderung in Höhe von 60 Prozent der Lohnkosten eines Mindestlohnbeschäftigten geschehen. Die Verfasser gehen bei einer Umsetzung ihres Konzepts von einem Einsparpotenzial von viereinhalb Milliarden Euro im Jahr aus. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und die saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) begrüßten das Konzept. „Ich würde mir diesen integrierten Ansatz sehr wünschen“, sagte Kramp-Karrenbauer, weil er auf Dauer angelegt sei. „Es ist insoweit sehr viel zielführender, weil bislang in Hartz IV vor allem mit Maßnahmen gearbeitet wird, die befristet sind“, sagte Dreyer. „Das ist eine sehr unbefriedigende Situation.“

Seit vielen Jahren hat sich ein verfestigter Sockel von Langzeitarbeitslosigkeit gebildet, der eine Million Menschen betrifft – mit Familienangehörigen sind es über zwei Millionen. Die große Zahl an seither aufgelegten Programmen hat an dieser Größenordnung nichts ändern können. „Als Kirche können wir uns mit dieser massenhaften, kaum wahrgenommenen Tragödie nicht abfinden“, sagte der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann. „In der Arbeitsmarktpolitik sind nicht Detailoptimierungen das Gebot der Stunde, sondern es müssen neue Grundansätze überlegt werden.“

Kern des Vorschlags ist ein Paradigmenwechsel: weg vom Konzept einer maßnahmenbasierten fürsorgenden Sozialpolitik hin zu einem „Integrierten Arbeitsmarkt“. Dieser will einen einfachen, markt- und sozialkonformen Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für alle ermöglichen und so die Segmentierung in einen ersten, zweiten und dritten Arbeitsmarkt auflösen. Langzeitarbeitslose sind aufgrund ihrer prekären Situation mit zunehmendem Zeitablauf destabilisiert und nur mehr eingeschränkt leistungsfähig. Damit entsteht für jeden Arbeitgeber, der eine Person aus diesem Kreis einstellt, ein Kostennachteil. Der einfache Grundgedanke der Aktion Arbeit ist, diesen Wettbewerbsnachteil durch einen unbefristet gewährten Zuschuss in Höhe von 60 Prozent des Mindestlohns in der jeweiligen Branche auszugleichen – anstelle der heutigen Praxis, einen Grundsicherungsbetrag zu zahlen und befristete, nur selten erfolgreiche Eingliederungsmaßnahmen vorzusehen.

Eine Modellrechnung vergleicht die entstehenden Kosten für 800.000 Langzeitarbeitslose nach dem geltenden System mit den finanziellen Konsequenzen eines solchen Konzepts und zeigt auf, dass für die betroffenen Kostenträger – Bund, Kommunen und Sozialversicherungsträger – eine jährliche Kostenersparnis von viereinhalb Milliarden Euro möglich ist.

Neben den finanziellen Effekten eines Integrierten Arbeitsmarkts für die öffentliche Hand sind die Auswirkungen für alle Beteiligten deutlich spürbar: Aus „Maßnahmeteilnehmern“ werden reguläre Arbeitnehmer, sie leisten den ihnen möglichen wertschöpfenden Beitrag und sind gesellschaftlich integriert. Alle Arbeitgeber – seien es Beschäftigungsträger, Kommunen oder gewerbliche Unternehmen – sind von Kostennachteilen im Wettbewerb befreit, haben Zugriff auf die gleichen Förderkonditionen, können einfach und unbürokratisch soziale Verantwortung und Solidarität praktizieren. Die Jobcenter können sich deutlich besser auf ihre Kernaufgabe, die Vermittlung in Arbeit, fokussieren. „Die Dimension der erzielbaren Verbesserungen rechtfertigt auch größere Maßnahmen des Systemumbaus in diesem Feld“, erklärte Dr. Hans Günther Ullrich, Bischöflicher Beauftragter der Aktion Arbeit. „Die Soziale Marktwirtschaft wird gestärkt, indem eine große Personengruppe auf eine sozial- und marktkonforme Weise die Chance erhält, aus dem Abseits in die Mitte der Gesellschaft zurückzufinden.“

Die Aktion Arbeit schlägt vor, mit mehreren dreijährigen regionalen Modellprojekten zu beginnen, um auf Grundlage praktischer Erfahrungen das Modell im Detail zu optimieren. Sowohl Kramp-Karrenbauer als auch Dreyer zeigten sich offen für dieses Vorhaben. „Wir wären bereit, eine entsprechende Modellregion zu machen“, sagte Kramp-Karrenbauer. Dazu wären aber entsprechende Mittel und die Freiheit vom Bund notwendig, einen solchen integrierten Ansatz auszuprobieren. Dreyer erklärte, man müsse mit den Ministerien, auch dem Bundesministerium schauen, ob das Konzept verfeinert werden müsse und ob die Finanzierung funktioniere. Wenn alle Hürden aus dem Weg geräumt seien, „könnte man sich doch wirklich trauen, so etwas zu erproben, gerne auch in einer Modellregion, an der das Saarland und Rheinland-Pfalz Interesse haben.“

Die Aktion Arbeit im Bistum Trier ist eine 1983 gegründete Solidaritätsaktion für Arbeitslose. Mit Spendengeldern unterstützt sie die Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitslosen, insbesondere Langzeitarbeitslosen. Mit Ausbildungspatenschaften führt sie benachteiligte Jugendliche zum Schulabschluss und ins Berufsleben. Sie vertritt in Politik und Gesellschaft die Interessen von Arbeitslosen und prekär Beschäftigten. Weitere Informationen unter www.aktionarbeit.bistum-trier.de.

Lena Binz