Digitale Konzepte wie Singing Days und Musik-Gottesdienste zukunftsweisend:Den Alltag auch während Corona mit Musik füllen
Trier/Koblenz/Saarbrücken – Wer schon einmal Mitglied in einem Chor, einem Musikverein oder einer Band war, weiß: Es ist gerade das Gemeinschaftsgefühl, dass das gemeinsame Singen und Musizieren ausmacht. Durch die Beschränkungen in der Corona-Krise war und ist dieses Erlebnis aber nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt möglich.
Als eine geplante Singfreizeit auf dem Kyllburger Stiftsberg für interessierte Chorsänger und -sängerinnen abgesagt werden musste, ließ das Pastoralreferentin und Musikerin Judith Schwickerath und ihrem Kollegen Bernd Loch, Kirchenmusiker aus Simmern, keine Ruhe. Während des Shutdowns suchten die beiden nach einer kreativen und inklusiven Möglichkeit, doch noch so viele Menschen wie möglich mit einem Angebot zu erreichen – die Idee der „singing days“ wurde geboren. „Das gemeinsame Singen und Musizieren vermissen wir in dieser Corona-Zeit besonders. Ein Singwochenende und auch Chorproben sind unter den hohen Hygienevorschriften kaum möglich. Viele Chöre haben bis heute den Probenbetrieb noch nicht wieder aufgenommen. Da haben wir nach einer Alternative gesucht“, beschreibt Loch ihre Motivation. Und Schwickerath ergänzt: „Die ‚singing days‘ sind kleine Musikexerzitien im Alltag. Musik, Meditationstexte und Impulse laden dazu ein, den eigenen Alltag bewusst zu unterbrechen. Ich bin überzeugt davon, dass das Singen eine wichtige Ausdrucksweise des Menschen ist, die sich positiv auf Körper, Geist und Seele auswirkt. Gerade in diesen Zeiten fehlt vielen das gemeinsame Singen und Musizieren sehr. Und genau dazu wollten die ‚singing days‘ einladen und animieren – den Alltag mit mehr Musik zu füllen.“
Vom 13. bis 16. August eröffneten sich den Teilnehmenden dann vier sogenannte Klangräume: Lebensklang, Zusammenklang, Weltenklang und Gottesklang. Neben dem im Vorfeld per Post zugesandten Begleitheft konnten sich die Sängerinnen und Sänger über ein eigens eingerichtetes Padlet, eine digitale Pinnwand, weiter informieren und Klangbeispiele hören, die zuvor von einem Projektchor eingesungen worden waren. Die Tage starteten mit dem musikalischen Impuls am Morgen, der dazu einladen sollte, über den Tag hinweg weiterzuklingen und den Alltag bewusst zu gestalten. Abends gab es dann ein musikalisches Abendgebet. Das Padlet diente auch als eine Art Austauschforum: Hier konnten die Sängerinnen und Sänger Beiträge kommentieren, eigene Musikbeiträge hochladen oder ihre Gedanken und Erfahrungen mit den anderen teilen. Die Resonanz: 80 Teilnehmer aus dem Bistum und darüber hinaus nutzten das digitale Angebot der „singing days“. Schwickerath und Loch waren sehr zufrieden mit den Rückmeldungen: „Die Teilnehmer haben uns beispielsweise geschrieben, dass die Texte und Lieder ihren Tagen einen wohltuenden Rahmen gegeben haben, oder dass es schön war, zu wissen, dass alle in Gedanken miteinander verbunden waren. So wurde einigen bewusst, wie sehr sie das gemeinsame Singen im Chor vermissen“, berichtet Schwickerath. Natürlich könnten die „singing days“ kein Singwochenende mit gemeinsamen Chorproben, Begegnungen, Gottesdiensten und gemeinsamen Abenden ersetzen. Dennoch sei es ein „gelungenes Experiment“, das weiterklingen werde und ermutige und inspiriere, solche Formen auch weiterhin auszuprobieren, fassen die beiden Initiatoren zusammen.
Auch Matthias Balzer, Referent für Kirchenmusik im Bistum Trier, ist zuversichtlich, dass solche kreativen Projekte Schule machen könnten und in Zukunft auch mehr digitale Formate Einzug in den musikalischen Alltag halten könnten. Auch er hat positive Erfahrungen mit einem virtuellen Gottesdienst für Kirchenmusikerinnen und -musiker gemacht. Denn statt der jährlich stattfindenden „Werkwoche“ für Musiker, die den C-Kurs beim Bistum Trier absolvieren, organisierten Balzer und Liturgiereferent Carsten Rupp als Alternativangebot einen gemeinsamen Gottesdienst via Videokonferenz. Rund 25 Musikerinnen und Musiker, die im C-Kurs vertiefte Kenntnisse in Chorleitung und Orgelspiel im kirchlichen Rahmen erlernen, nahmen an dem Angebot teil. „Es ging nicht nur darum, die Notlage zu überstehen, die der Shutdown mit sich gebracht hat, sondern darin auch etwas Zukunftsweisendes zu erkennen“, betont Balzer. Die Konzentration sei bei allen Teilnehmenden sehr hoch gewesen und es habe viele positive Rückmeldungen gegeben. „Für viele Menschen ist es ja auch einfacher, zu sagen: Ich treffe mich ohne großen Fahraufwand für ein oder zwei Stunden online, als wenn ich mir ein oder zwei Tage mit Übernachtung freihalten muss. Und man kann Menschen über eine große Distanz hinweg ansprechen, die sonst vielleicht nicht zusammen proben oder musizieren könnten.“ Balzer ist sicher: „So kann Gemeinschaft auch im virtuellen Raum erfahrbar sein.“
(sb)