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Priester aus dem Bistum Trier für Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre  :„Die Kirche nicht gegen die Wand fahren lassen“

Der Sprecherkreis der Plattform P, ein Zusammenschluss von Bistumspriestern, befürwortet die Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre.
Pfarrer Michael Bollig vom Sprecherkreis Plattform P im Bistum Trier (Foto: Inge Hülpes/Bistum Trier)
Datum:
1. März 2022
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – Eine Öffnung des Priesteramts für verheiratete Männer, eine zeitgemäße Sexualmoral, eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts und eine konsequente Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche – das fordert der Sprecherkreis der Plattform P im Bistum Trier. Die Plattform P ist ein Zusammenschluss von rund 300 Priestern des Bistums, die sich regelmäßig mit den Ergebnissen der Bistumssynode und den Fragen zu Dienst und Leben von Priestern befasst. Der Sprecherkreis befürwortet in einer Stellungnahme die Weiterentwicklung der katholischen Kirche und ihrer Lehre in Deutschland und greift damit wichtige Themen des Synodalen Wegs auf. Die 300 Mitglieder seien gebeten, die Stellungnahme durch ihre Unterschrift zu unterstützen.

„Wir möchten, dass die Menschen in unseren Pfarreien wissen, wie ihre Priester und Seelsorgerinnen und Seelsorger zu den aktuellen Entwicklungen und Themen der katholischen Kirche stehen. In unseren Gemeinden kommunizieren wir das teils schon lange, aber wir möchten auch in der Öffentlichkeit ein deutliches Zeichen setzen. Gerade weil der Synodale Weg von verschiedenen Seiten kritisiert wird “, erklärt Michael Bollig vom Sprecherkreis der Plattform P. „Wir wollen hier vor Ort an einer neuen Kirche bauen, die den berechtigten Erwartungen der Menschen entspricht und ihre Lebensfragen ernst nimmt.“ Er hoffe, dass sich möglichst viele Priester dem anschließen werden.

Lehramt und Lebensrealität oft nicht mehr vereinbar

Die Priester in der Gemeindeseelsorge arbeiteten an der Basis und spürten seit langem eine massive Spannung zwischen kirchlicher Lehre und der Lebensrealität der Menschen. „Das Lehramt gibt Dinge vor, die vielen Menschen absolut realitätsfern vorkommen und die auch wir als Seelsorgende selbst nur noch schwer mit einer zeitgemäßen Verkündigung des Evangeliums in Einklang bringen können. In unseren Gemeinden haben wir geschieden Wiederverheiratete oder Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, die mitten im Gemeindeleben stehen und durch ihr Engagement Kirche vor Ort mittragen. Wir können das nicht einfach ignorieren und ihren Lebensstatus fortwährend als unvereinbar mit der Lehre der Kirche darstellen“, so Bollig. Es brauche vielmehr eine echte Erneuerung aus der Aktualisierung des Evangeliums. Deshalb stelle man sich unter anderem hinter die Forderung des Trierer Generalvikars, das kirchliche Arbeitsrecht zu ändern.

Bollig erlebt es in seiner täglichen Arbeit, ob bei Brautgesprächen oder Kondolenzbesuchen: „Die Menschen sind frustriert, es treibt sie aus der Kirche heraus – auch, weil viele einen Widerspruch zwischen der Botschaft Jesu und der kirchlichen Lehre sehen.“ Indessen fühlten sich viele Priester „im Stich gelassen von einem kirchlichen Lehramt, das nicht bereit ist, sich weiterzuentwickeln.“ Er selbst sei fast 30 Jahre Priester und in seiner Anfangszeit hätten die meisten der heutigen Fragen auch schon auf dem Tisch gelegen, ohne, dass sich substantiell etwas verändert habe. Bollig, der als Pfarrer der Pfarrei Hl. Edith Stein in Trier arbeitet, fügt hinzu: „Das werden die Menschen an der Basis nicht länger hinnehmen, wie wir an den sprunghaft steigenden Austrittszahlen erkennen können.“

Stärke der katholischen Kirche: Einheit in Vielfalt

Wenn man sich bei der Beantwortung hierzulande diskutierter Fragen immer auf die Weltkirche berufe, sei das schwierig. „Man wird keinen Konsens von 1,3 Milliarden Katholiken weltweit in allen Themen erwarten können“, gibt Bollig zu bedenken. Vielmehr blockiere der ständige Verweis auf die Weltkirche jede notwendige Weiterentwicklung vor Ort. Die Zentralisierung auf Rom sei kirchengeschichtlich ein eher neueres Phänomen. Erst im 19. Jahrhundert habe es den starken Schub gegeben, die Kirche fast ausschließlich als zentral von Rom geleitete Universalkirche zu verstehen. Darin erkennt Bollig einen bedauernswerten Verlust ortskirchlicher Besonderheiten und eine falsche Interpretation des Katholischen, das sich immer als „Einheit in der Vielfalt“ verstanden habe. „Ein Wesensmerkmal der katholischen Kirche war immer ihre Fähigkeit zur Inkulturation – das bedeutet, dass der christliche Glaube die Kultur und Lebenswelt der Menschen berücksichtigte und in eine zeit- und ortsgemäße Verkündigung der Frohen Botschaft integrierte“, erklärt Bollig, der auch an der Theologischen Fakultät Trier Dogmatik lehrt. Wenn die Kirche Zukunft haben wolle, müsse es eine größere Freiheit der Ortkirchen geben, um auf regionale, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen gut und angemessen reagieren zu können. „Wir werden nicht in allen Fragen einheitliche Lösungen finden. Aber die Alternative kann auch nicht sein, die Kirche hier vor Ort lahm zu legen, nur weil wir auf weltkirchlicher Ebene kaum etwas klären und weiterentwickeln können.“

Bistümer seien eben keine „Unterabteilungen“ der römisch geleiteten Weltkirche und die Bischöfe keine „Abteilungsleiter“ des Papstes, die in jeder Frage der Erneuerung erst Rom um Erlaubnis bitten müssten. „Ein Bistum mit seinem Bischof ist nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils im vollen Sinne Kirche und hat damit auch das Recht, auf regionale Entwicklungen selbstständig konstruktiv zu reagieren“, stellt Bollig fest und bedauert: „Der Papst sendet leider immer wieder Zeichen der Öffnung und Erneuerung, die er dann nicht einlöst. Das frustriert viele Priester und

Gläubige vor Ort. Rom und auch ein Teil der Bischöfe blockieren sich teils gegenseitig. Es gibt ein ‚horizontales Schisma‘, also einen echten Bruch zwischen der Basis und der ‚Leitungsebene‘ der Kirche“, moniert Bollig. „Aber wir müssen Lösungen für die Fragen der Menschen an der Basis finden, wenn wir unsere Gemeinden in die Zukunft retten wollen.“
(sb)